Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].lichste empfangen worden. Dies mahnte mich daran, daß Jean Paul mit Nicolai keineswegs glimpflich verfährt, er nennt die Nicolaiten als die Feinde aller Poesie; er verspottet die schlechten Bildnisse der Allgemeinen Deutschen Bibliothek in Giannozzos Lufttagebuch und in Katzenbergers Badereise; doch mußte das Verhältniß in Berlin ein ganz freundliches gewesen sein, denn später fand ich in Nicolais Briefwechsel folgenden Brief von Jean Paul: "Indem ich meinen Dank für die gestrige Freude und meine Bitte um Vergebung der gestrigen Flucht wiederhole, muß ich die um eine neue dazusetzen. Durch ein sonderbares Geschick bin ich zweimal im Falle, Ihre Güte entbehren zu müssen. Für morgen bin ich durch Ihre gekrönte Charis, die Königin, entschuldigt, der ich den Titan dedizieret und die heute den Brief an mich geschrieben, der morgen meine Reise nach Potsdam veranlaßt. Leben Sie froh! - Richter." Die Verlobung des jungen, vielgefeierten Schriftstellers machte in Berlin einiges Aufsehn, und die Jugendgenossinnen der Braut erzählten mit Behagen die näheren Umstände davon. Jean Paul hatte schon als junger Mann die Gewohnheit, nach Tische etwas zu schlafen. Nach einem fröhlichen Mittagessen beim Geheimerath Meyer gab er den Wunsch nach Ruhe zu erkennen, und der Wirt stellte ihm sogleich das Sopha in seinem Schreibzimmer zur Verfügung. Als die Tochter des Hauses, die schon längst für Jean Pauls Romane schwärmte, ihn sicher eingeschlafen glaubte, trat sie leise ins Zimmer, um ihn recht nach Herzenslust zu betrachten. Jean Paul öffnete die Augen, und fragte mit ausgebreiteten Armen: Mein? sie erwiederte ebenso: Dein! und der Bund für das Leben war mit zwei Worten geschlossen. lichste empfangen worden. Dies mahnte mich daran, daß Jean Paul mit Nicolai keineswegs glimpflich verfährt, er nennt die Nicolaiten als die Feinde aller Poesie; er verspottet die schlechten Bildnisse der Allgemeinen Deutschen Bibliothek in Giannozzos Lufttagebuch und in Katzenbergers Badereise; doch mußte das Verhältniß in Berlin ein ganz freundliches gewesen sein, denn später fand ich in Nicolais Briefwechsel folgenden Brief von Jean Paul: „Indem ich meinen Dank für die gestrige Freude und meine Bitte um Vergebung der gestrigen Flucht wiederhole, muß ich die um eine neue dazusetzen. Durch ein sonderbares Geschick bin ich zweimal im Falle, Ihre Güte entbehren zu müssen. Für morgen bin ich durch Ihre gekrönte Charis, die Königin, entschuldigt, der ich den Titan dedizieret und die heute den Brief an mich geschrieben, der morgen meine Reise nach Potsdam veranlaßt. Leben Sie froh! – Richter.“ Die Verlobung des jungen, vielgefeierten Schriftstellers machte in Berlin einiges Aufsehn, und die Jugendgenossinnen der Braut erzählten mit Behagen die näheren Umstände davon. Jean Paul hatte schon als junger Mann die Gewohnheit, nach Tische etwas zu schlafen. Nach einem fröhlichen Mittagessen beim Geheimerath Meyer gab er den Wunsch nach Ruhe zu erkennen, und der Wirt stellte ihm sogleich das Sopha in seinem Schreibzimmer zur Verfügung. Als die Tochter des Hauses, die schon längst für Jean Pauls Romane schwärmte, ihn sicher eingeschlafen glaubte, trat sie leise ins Zimmer, um ihn recht nach Herzenslust zu betrachten. Jean Paul öffnete die Augen, und fragte mit ausgebreiteten Armen: Mein? sie erwiederte ebenso: Dein! und der Bund für das Leben war mit zwei Worten geschlossen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0282" n="274"/> lichste empfangen worden. Dies mahnte mich daran, daß Jean Paul mit Nicolai keineswegs glimpflich verfährt, er nennt die Nicolaiten als die Feinde aller Poesie; er verspottet die schlechten Bildnisse der Allgemeinen Deutschen Bibliothek in Giannozzos Lufttagebuch und in Katzenbergers Badereise; doch mußte das Verhältniß in Berlin ein ganz freundliches gewesen sein, denn später fand ich in Nicolais Briefwechsel folgenden Brief von Jean Paul: „Indem ich meinen Dank für die gestrige Freude und meine Bitte um Vergebung der gestrigen Flucht wiederhole, muß ich die um eine neue dazusetzen. Durch ein sonderbares Geschick bin ich zweimal im Falle, Ihre Güte entbehren zu müssen. Für morgen bin ich durch Ihre gekrönte Charis, die Königin, entschuldigt, der ich den Titan dedizieret und die heute den Brief an mich geschrieben, der morgen meine Reise nach Potsdam veranlaßt. Leben Sie froh! – Richter.“ </p><lb/> <p>Die Verlobung des jungen, vielgefeierten Schriftstellers machte in Berlin einiges Aufsehn, und die Jugendgenossinnen der Braut erzählten mit Behagen die näheren Umstände davon. Jean Paul hatte schon als junger Mann die Gewohnheit, nach Tische etwas zu schlafen. Nach einem fröhlichen Mittagessen beim Geheimerath Meyer gab er den Wunsch nach Ruhe zu erkennen, und der Wirt stellte ihm sogleich das Sopha in seinem Schreibzimmer zur Verfügung. Als die Tochter des Hauses, die schon längst für Jean Pauls Romane schwärmte, ihn sicher eingeschlafen glaubte, trat sie leise ins Zimmer, um ihn recht nach Herzenslust zu betrachten. Jean Paul öffnete die Augen, und fragte mit ausgebreiteten Armen: Mein? sie erwiederte ebenso: Dein! und der Bund für das Leben war mit zwei Worten geschlossen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [274/0282]
lichste empfangen worden. Dies mahnte mich daran, daß Jean Paul mit Nicolai keineswegs glimpflich verfährt, er nennt die Nicolaiten als die Feinde aller Poesie; er verspottet die schlechten Bildnisse der Allgemeinen Deutschen Bibliothek in Giannozzos Lufttagebuch und in Katzenbergers Badereise; doch mußte das Verhältniß in Berlin ein ganz freundliches gewesen sein, denn später fand ich in Nicolais Briefwechsel folgenden Brief von Jean Paul: „Indem ich meinen Dank für die gestrige Freude und meine Bitte um Vergebung der gestrigen Flucht wiederhole, muß ich die um eine neue dazusetzen. Durch ein sonderbares Geschick bin ich zweimal im Falle, Ihre Güte entbehren zu müssen. Für morgen bin ich durch Ihre gekrönte Charis, die Königin, entschuldigt, der ich den Titan dedizieret und die heute den Brief an mich geschrieben, der morgen meine Reise nach Potsdam veranlaßt. Leben Sie froh! – Richter.“
Die Verlobung des jungen, vielgefeierten Schriftstellers machte in Berlin einiges Aufsehn, und die Jugendgenossinnen der Braut erzählten mit Behagen die näheren Umstände davon. Jean Paul hatte schon als junger Mann die Gewohnheit, nach Tische etwas zu schlafen. Nach einem fröhlichen Mittagessen beim Geheimerath Meyer gab er den Wunsch nach Ruhe zu erkennen, und der Wirt stellte ihm sogleich das Sopha in seinem Schreibzimmer zur Verfügung. Als die Tochter des Hauses, die schon längst für Jean Pauls Romane schwärmte, ihn sicher eingeschlafen glaubte, trat sie leise ins Zimmer, um ihn recht nach Herzenslust zu betrachten. Jean Paul öffnete die Augen, und fragte mit ausgebreiteten Armen: Mein? sie erwiederte ebenso: Dein! und der Bund für das Leben war mit zwei Worten geschlossen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |