Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].kende Jugend gemacht haben müsse, in einer Zeit, wo die Exegese des Alten Testamentes in einer orthodoxen Sandwüste dahinschlich. Wielands Werke lächelten mich in einer herrlichen Ausgabe auf milchweißem Velinpapier an; vielleicht war sie ein Geschenk des Autors an seinen vieljährigen Freund Nicolai. Es ist nicht zu läugnen, daß man einen Schriftsteller lieber auf feinem Papier mit scharfen Lettern, als auf grobem Papier mit stumpfen Lettern gedruckt liest. Eben so gewiß ist es, daß das gut und deutlich Gedruckte sich dem Gedächtnisse besser einprägt als die schlechte und kleine Schrift. Göthe erwähnt dieser Prachtausgabe von Wieland ausdrücklich in dem Brüderlichen Andenken an Wieland (27, 440) als eines besonders erfreulichen Ereignisses; "er erreichte die Auszeichnung eines vollständigen Abdruckes seiner sorgfältig durchgesehenen Werke, ja einer Prachtausgabe derselben". Göthe selbst konnte seinen sparsamen Verleger Cotta niemals zu einem so bedeutenden Kostenaufwand bewegen. Der phantastische Oberon gewährte in dem schmucken Velinkleide ein gar großes Vergnügen, doch schon bei den übrigen poetischen Erzählungen reichte das glänzende Aeußere nicht aus, die inneren Mängel zu verdecken. Die gränzenlose Frivolität der Schilderungen, wo sie überhaupt von dem unerfahrenen jugendlichen Alter verstanden ward, erregte glücklicherweise mehr Ekel als Lüsternheit. Die liebenswürdige Unbefangenheit, mit der jeder höheren Empfindung Hohn gesprochen wird, weckte zwar anfangs ein stolzes Gefühl des Erhabenseins über alle kleinlichen Vorurtheile, rief aber sehr bald eine sittliche Entrüstung hervor. Daher hielt ich mich nicht lange bei den galanten Rittern und faden kende Jugend gemacht haben müsse, in einer Zeit, wo die Exegese des Alten Testamentes in einer orthodoxen Sandwüste dahinschlich. Wielands Werke lächelten mich in einer herrlichen Ausgabe auf milchweißem Velinpapier an; vielleicht war sie ein Geschenk des Autors an seinen vieljährigen Freund Nicolai. Es ist nicht zu läugnen, daß man einen Schriftsteller lieber auf feinem Papier mit scharfen Lettern, als auf grobem Papier mit stumpfen Lettern gedruckt liest. Eben so gewiß ist es, daß das gut und deutlich Gedruckte sich dem Gedächtnisse besser einprägt als die schlechte und kleine Schrift. Göthe erwähnt dieser Prachtausgabe von Wieland ausdrücklich in dem Brüderlichen Andenken an Wieland (27, 440) als eines besonders erfreulichen Ereignisses; „er erreichte die Auszeichnung eines vollständigen Abdruckes seiner sorgfältig durchgesehenen Werke, ja einer Prachtausgabe derselben“. Göthe selbst konnte seinen sparsamen Verleger Cotta niemals zu einem so bedeutenden Kostenaufwand bewegen. Der phantastische Oberon gewährte in dem schmucken Velinkleide ein gar großes Vergnügen, doch schon bei den übrigen poetischen Erzählungen reichte das glänzende Aeußere nicht aus, die inneren Mängel zu verdecken. Die gränzenlose Frivolität der Schilderungen, wo sie überhaupt von dem unerfahrenen jugendlichen Alter verstanden ward, erregte glücklicherweise mehr Ekel als Lüsternheit. Die liebenswürdige Unbefangenheit, mit der jeder höheren Empfindung Hohn gesprochen wird, weckte zwar anfangs ein stolzes Gefühl des Erhabenseins über alle kleinlichen Vorurtheile, rief aber sehr bald eine sittliche Entrüstung hervor. Daher hielt ich mich nicht lange bei den galanten Rittern und faden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0279" n="271"/> kende Jugend gemacht haben müsse, in einer Zeit, wo die Exegese des Alten Testamentes in einer orthodoxen Sandwüste dahinschlich. </p><lb/> <p>Wielands Werke lächelten mich in einer herrlichen Ausgabe auf milchweißem Velinpapier an; vielleicht war sie ein Geschenk des Autors an seinen vieljährigen Freund Nicolai. Es ist nicht zu läugnen, daß man einen Schriftsteller lieber auf feinem Papier mit scharfen Lettern, als auf grobem Papier mit stumpfen Lettern gedruckt liest. Eben so gewiß ist es, daß das gut und deutlich Gedruckte sich dem Gedächtnisse besser einprägt als die schlechte und kleine Schrift. Göthe erwähnt dieser Prachtausgabe von Wieland ausdrücklich in dem Brüderlichen Andenken an Wieland (27, 440) als eines besonders erfreulichen Ereignisses; „er erreichte die Auszeichnung eines vollständigen Abdruckes seiner sorgfältig durchgesehenen Werke, ja einer Prachtausgabe derselben“. Göthe selbst konnte seinen sparsamen Verleger Cotta niemals zu einem so bedeutenden Kostenaufwand bewegen. Der phantastische Oberon gewährte in dem schmucken Velinkleide ein gar großes Vergnügen, doch schon bei den übrigen poetischen Erzählungen reichte das glänzende Aeußere nicht aus, die inneren Mängel zu verdecken. Die gränzenlose Frivolität der Schilderungen, wo sie überhaupt von dem unerfahrenen jugendlichen Alter verstanden ward, erregte glücklicherweise mehr Ekel als Lüsternheit. Die liebenswürdige Unbefangenheit, mit der jeder höheren Empfindung Hohn gesprochen wird, weckte zwar anfangs ein stolzes Gefühl des Erhabenseins über alle kleinlichen Vorurtheile, rief aber sehr bald eine sittliche Entrüstung hervor. Daher hielt ich mich nicht lange bei den galanten Rittern und faden </p> </div> </body> </text> </TEI> [271/0279]
kende Jugend gemacht haben müsse, in einer Zeit, wo die Exegese des Alten Testamentes in einer orthodoxen Sandwüste dahinschlich.
Wielands Werke lächelten mich in einer herrlichen Ausgabe auf milchweißem Velinpapier an; vielleicht war sie ein Geschenk des Autors an seinen vieljährigen Freund Nicolai. Es ist nicht zu läugnen, daß man einen Schriftsteller lieber auf feinem Papier mit scharfen Lettern, als auf grobem Papier mit stumpfen Lettern gedruckt liest. Eben so gewiß ist es, daß das gut und deutlich Gedruckte sich dem Gedächtnisse besser einprägt als die schlechte und kleine Schrift. Göthe erwähnt dieser Prachtausgabe von Wieland ausdrücklich in dem Brüderlichen Andenken an Wieland (27, 440) als eines besonders erfreulichen Ereignisses; „er erreichte die Auszeichnung eines vollständigen Abdruckes seiner sorgfältig durchgesehenen Werke, ja einer Prachtausgabe derselben“. Göthe selbst konnte seinen sparsamen Verleger Cotta niemals zu einem so bedeutenden Kostenaufwand bewegen. Der phantastische Oberon gewährte in dem schmucken Velinkleide ein gar großes Vergnügen, doch schon bei den übrigen poetischen Erzählungen reichte das glänzende Aeußere nicht aus, die inneren Mängel zu verdecken. Die gränzenlose Frivolität der Schilderungen, wo sie überhaupt von dem unerfahrenen jugendlichen Alter verstanden ward, erregte glücklicherweise mehr Ekel als Lüsternheit. Die liebenswürdige Unbefangenheit, mit der jeder höheren Empfindung Hohn gesprochen wird, weckte zwar anfangs ein stolzes Gefühl des Erhabenseins über alle kleinlichen Vorurtheile, rief aber sehr bald eine sittliche Entrüstung hervor. Daher hielt ich mich nicht lange bei den galanten Rittern und faden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/279 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/279>, abgerufen am 05.07.2024. |