Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Litteratur und Kunst. 1819. Da ich nach dem Ende des Dienstjahres mehr freie Zeit zum Lesen erhielt, so setzte ich mich förmlich in der Bibliothek des Grosvaters fest, und benutzte das Sommerhalbjahr 1819 bis zum Abgange nach Heidelberg, um in der deutschen Litteratur mehr als bisher heimisch zu werden. Ich fand eine vollständige Reihe der besten, mit Geschmack und Sachkenntniß gesammelten Werke, von Reineke Fuchs und dem Heldenbuch anfangend, und bis zu Nicolais Tode (1811) fortgesetzt. Die Periode der Allgemeinen Deutschen Bibliothek 1765-1806 war, wie sich denken läßt, am reichsten vertreten. In jenen unschuldigen Zeiten gab es noch gar keine deutschen Litteraturgeschichten und Encyclopädien, deren jetzt mehr als zuviel ans Licht treten. Man war auf sein eignes Urtheil angewiesen, und konnte sich um so unbefangner dem Eindrucke der gelesenen Werke hingeben. Wollte man über die Persönlichkeit und die Lebensschicksale der Verfasser etwas erfahren, so mußte dies aus Jördens Lexikon deutscher Schriftsteller und aus Meusels gelehrtem Deutschland zusammengesucht werden. Von diesem letzten Werke mit allen seinen Fortsetzungen fand ich Nicolais Handexemplar mit zahlreichen, von seiner Hand eingetragenen Notizen und Verbesserungen; bei der Her- Litteratur und Kunst. 1819. Da ich nach dem Ende des Dienstjahres mehr freie Zeit zum Lesen erhielt, so setzte ich mich förmlich in der Bibliothek des Grosvaters fest, und benutzte das Sommerhalbjahr 1819 bis zum Abgange nach Heidelberg, um in der deutschen Litteratur mehr als bisher heimisch zu werden. Ich fand eine vollständige Reihe der besten, mit Geschmack und Sachkenntniß gesammelten Werke, von Reineke Fuchs und dem Heldenbuch anfangend, und bis zu Nicolais Tode (1811) fortgesetzt. Die Periode der Allgemeinen Deutschen Bibliothek 1765–1806 war, wie sich denken läßt, am reichsten vertreten. In jenen unschuldigen Zeiten gab es noch gar keine deutschen Litteraturgeschichten und Encyclopädien, deren jetzt mehr als zuviel ans Licht treten. Man war auf sein eignes Urtheil angewiesen, und konnte sich um so unbefangner dem Eindrucke der gelesenen Werke hingeben. Wollte man über die Persönlichkeit und die Lebensschicksale der Verfasser etwas erfahren, so mußte dies aus Jördens Lexikon deutscher Schriftsteller und aus Meusels gelehrtem Deutschland zusammengesucht werden. Von diesem letzten Werke mit allen seinen Fortsetzungen fand ich Nicolais Handexemplar mit zahlreichen, von seiner Hand eingetragenen Notizen und Verbesserungen; bei der Her- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0277" n="269"/> <div n="1"> <head rendition="#c">Litteratur und Kunst. 1819.</head><lb/> <p>Da ich nach dem Ende des Dienstjahres mehr freie Zeit zum Lesen erhielt, so setzte ich mich förmlich in der Bibliothek des Grosvaters fest, und benutzte das Sommerhalbjahr 1819 bis zum Abgange nach Heidelberg, um in der deutschen Litteratur mehr als bisher heimisch zu werden. Ich fand eine vollständige Reihe der besten, mit Geschmack und Sachkenntniß gesammelten Werke, von Reineke Fuchs und dem Heldenbuch anfangend, und bis zu Nicolais Tode (1811) fortgesetzt. Die Periode der Allgemeinen Deutschen Bibliothek 1765–1806 war, wie sich denken läßt, am reichsten vertreten. In jenen unschuldigen Zeiten gab es noch gar keine deutschen Litteraturgeschichten und Encyclopädien, deren jetzt mehr als zuviel ans Licht treten. Man war auf sein eignes Urtheil angewiesen, und konnte sich um so unbefangner dem Eindrucke der gelesenen Werke hingeben. Wollte man über die Persönlichkeit und die Lebensschicksale der Verfasser etwas erfahren, so mußte dies aus Jördens Lexikon deutscher Schriftsteller und aus Meusels gelehrtem Deutschland zusammengesucht werden. Von diesem letzten Werke mit allen seinen Fortsetzungen fand ich Nicolais Handexemplar mit zahlreichen, von seiner Hand eingetragenen Notizen und Verbesserungen; bei der Her- </p> </div> </body> </text> </TEI> [269/0277]
Litteratur und Kunst. 1819.
Da ich nach dem Ende des Dienstjahres mehr freie Zeit zum Lesen erhielt, so setzte ich mich förmlich in der Bibliothek des Grosvaters fest, und benutzte das Sommerhalbjahr 1819 bis zum Abgange nach Heidelberg, um in der deutschen Litteratur mehr als bisher heimisch zu werden. Ich fand eine vollständige Reihe der besten, mit Geschmack und Sachkenntniß gesammelten Werke, von Reineke Fuchs und dem Heldenbuch anfangend, und bis zu Nicolais Tode (1811) fortgesetzt. Die Periode der Allgemeinen Deutschen Bibliothek 1765–1806 war, wie sich denken läßt, am reichsten vertreten. In jenen unschuldigen Zeiten gab es noch gar keine deutschen Litteraturgeschichten und Encyclopädien, deren jetzt mehr als zuviel ans Licht treten. Man war auf sein eignes Urtheil angewiesen, und konnte sich um so unbefangner dem Eindrucke der gelesenen Werke hingeben. Wollte man über die Persönlichkeit und die Lebensschicksale der Verfasser etwas erfahren, so mußte dies aus Jördens Lexikon deutscher Schriftsteller und aus Meusels gelehrtem Deutschland zusammengesucht werden. Von diesem letzten Werke mit allen seinen Fortsetzungen fand ich Nicolais Handexemplar mit zahlreichen, von seiner Hand eingetragenen Notizen und Verbesserungen; bei der Her-
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