Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Nach Beendigung des Manövers kehrten wir sehr zufrieden heim, und nun gab es im Familienkreise zu erzählen. Aber nach wenigen Tagen folgte noch eine große militärische Feierlichkeit zu Ehren des Kaisers. Die ganze Garnison von Berlin, zu beiden Seiten der Linden in Galla-Uniform aufgestellt, präsentirte das Gewehr vor den langsam an der Front hinreitenden Monarchen. Ein Vorbeimarsch fand nicht Statt, weil dieser zu viel Zeit gekostet hätte. Wie immer mußten wir früh um 7 Uhr in der Kaserne antreten, und der Kaiser kam bei uns etwa um 1 Uhr vorbei. Als wir nachher noch einige Augenblicke bei einander standen, sagten einige Freiwillige mit einer Art von freudiger Ueberraschung: der Kaiser ist ja Freimaurer! Wir anderen Uneingeweihten konnten schwer begreifen, welches geheime Zeichen er gemacht haben könne, um seine Brüderschaft den wenigen Adepten einer ganzen Pionirkompagnie kund zu thun. Ein Kamerad behauptete zuversichtlich, das Zeichen habe in einem Streichen der linken Hand über die linke Augenbraue bestanden, was von Vielen auch aus der Ferne gesehn werden konnte. Eine Entscheidung hierüber steht mir nicht zu, da ich niemals Neigung empfand, in den Orden einzutreten.

Im Winter 1818-1819 hörten die Schanzarbeiten auf, und es kamen einige andre Uebungen an die Reihe, bei denen wir oft bitter gefroren haben. So wurde im Januar 1819 das Modell einer Brücke von Stricken aus England herübergeschickt, das wir auf dem Schafgraben (jetzt Landwehrgraben) vor dem Schlesischen Thore probiren sollten. Es war ein recht kalter Tag, und die knappen grauen Jacken gewährten nicht viel Schutz. Vor dem

Nach Beendigung des Manövers kehrten wir sehr zufrieden heim, und nun gab es im Familienkreise zu erzählen. Aber nach wenigen Tagen folgte noch eine große militärische Feierlichkeit zu Ehren des Kaisers. Die ganze Garnison von Berlin, zu beiden Seiten der Linden in Galla-Uniform aufgestellt, präsentirte das Gewehr vor den langsam an der Front hinreitenden Monarchen. Ein Vorbeimarsch fand nicht Statt, weil dieser zu viel Zeit gekostet hätte. Wie immer mußten wir früh um 7 Uhr in der Kaserne antreten, und der Kaiser kam bei uns etwa um 1 Uhr vorbei. Als wir nachher noch einige Augenblicke bei einander standen, sagten einige Freiwillige mit einer Art von freudiger Ueberraschung: der Kaiser ist ja Freimaurer! Wir anderen Uneingeweihten konnten schwer begreifen, welches geheime Zeichen er gemacht haben könne, um seine Brüderschaft den wenigen Adepten einer ganzen Pionirkompagnie kund zu thun. Ein Kamerad behauptete zuversichtlich, das Zeichen habe in einem Streichen der linken Hand über die linke Augenbraue bestanden, was von Vielen auch aus der Ferne gesehn werden konnte. Eine Entscheidung hierüber steht mir nicht zu, da ich niemals Neigung empfand, in den Orden einzutreten.

Im Winter 1818–1819 hörten die Schanzarbeiten auf, und es kamen einige andre Uebungen an die Reihe, bei denen wir oft bitter gefroren haben. So wurde im Januar 1819 das Modell einer Brücke von Stricken aus England herübergeschickt, das wir auf dem Schafgraben (jetzt Landwehrgraben) vor dem Schlesischen Thore probiren sollten. Es war ein recht kalter Tag, und die knappen grauen Jacken gewährten nicht viel Schutz. Vor dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0271" n="263"/>
        </p><lb/>
        <p>Nach Beendigung des Manövers kehrten wir sehr zufrieden heim, und nun gab es im Familienkreise zu erzählen. Aber nach wenigen Tagen folgte noch eine große militärische Feierlichkeit zu Ehren des Kaisers. Die ganze Garnison von Berlin, zu beiden Seiten der Linden in Galla-Uniform aufgestellt, präsentirte das Gewehr vor den langsam an der Front hinreitenden Monarchen. Ein Vorbeimarsch fand nicht Statt, weil dieser zu viel Zeit gekostet hätte. Wie immer mußten wir früh um 7 Uhr in der Kaserne antreten, und der Kaiser kam bei uns etwa um 1 Uhr vorbei. Als wir nachher noch einige Augenblicke bei einander standen, sagten einige Freiwillige mit einer Art von freudiger Ueberraschung: der Kaiser ist ja Freimaurer! Wir anderen Uneingeweihten konnten schwer begreifen, welches geheime Zeichen er gemacht haben könne, um seine Brüderschaft den wenigen Adepten einer ganzen Pionirkompagnie kund zu thun. Ein Kamerad behauptete zuversichtlich, das Zeichen habe in einem Streichen der linken Hand über die linke Augenbraue bestanden, was von Vielen auch aus der Ferne gesehn werden konnte. Eine Entscheidung hierüber steht mir nicht zu, da ich niemals Neigung empfand, in den Orden einzutreten. </p><lb/>
        <p>Im Winter 1818&#x2013;1819 hörten die Schanzarbeiten auf, und es kamen einige andre Uebungen an die Reihe, bei denen wir oft bitter gefroren haben. So wurde im Januar 1819 das Modell einer Brücke von Stricken aus England herübergeschickt, das wir auf dem Schafgraben (jetzt Landwehrgraben) vor dem Schlesischen Thore probiren sollten. Es war ein recht kalter Tag, und die knappen grauen Jacken gewährten nicht viel Schutz. Vor dem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0271] Nach Beendigung des Manövers kehrten wir sehr zufrieden heim, und nun gab es im Familienkreise zu erzählen. Aber nach wenigen Tagen folgte noch eine große militärische Feierlichkeit zu Ehren des Kaisers. Die ganze Garnison von Berlin, zu beiden Seiten der Linden in Galla-Uniform aufgestellt, präsentirte das Gewehr vor den langsam an der Front hinreitenden Monarchen. Ein Vorbeimarsch fand nicht Statt, weil dieser zu viel Zeit gekostet hätte. Wie immer mußten wir früh um 7 Uhr in der Kaserne antreten, und der Kaiser kam bei uns etwa um 1 Uhr vorbei. Als wir nachher noch einige Augenblicke bei einander standen, sagten einige Freiwillige mit einer Art von freudiger Ueberraschung: der Kaiser ist ja Freimaurer! Wir anderen Uneingeweihten konnten schwer begreifen, welches geheime Zeichen er gemacht haben könne, um seine Brüderschaft den wenigen Adepten einer ganzen Pionirkompagnie kund zu thun. Ein Kamerad behauptete zuversichtlich, das Zeichen habe in einem Streichen der linken Hand über die linke Augenbraue bestanden, was von Vielen auch aus der Ferne gesehn werden konnte. Eine Entscheidung hierüber steht mir nicht zu, da ich niemals Neigung empfand, in den Orden einzutreten. Im Winter 1818–1819 hörten die Schanzarbeiten auf, und es kamen einige andre Uebungen an die Reihe, bei denen wir oft bitter gefroren haben. So wurde im Januar 1819 das Modell einer Brücke von Stricken aus England herübergeschickt, das wir auf dem Schafgraben (jetzt Landwehrgraben) vor dem Schlesischen Thore probiren sollten. Es war ein recht kalter Tag, und die knappen grauen Jacken gewährten nicht viel Schutz. Vor dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/271
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/271>, abgerufen am 24.11.2024.