Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].überschüssige Ende des Riemens mußte nach innen zusammengerollt eine zierliche Spirale oder Schnecke bilden. Unwillkührlich sind mir diese Einzelheiten ins Gedächtniß zurückgekommen, weil ich mich erinnere, wie oft wir mit solchen Detailsachen die kostbare Zeit verloren. Einige Male ward die Pionirkompagnie zur Kirchenparade beordert, um nach der Aufstellung im Lustgarten ohne Gewehr und ohne Gepäck in der Garnisonkirche eine Predigt mitanzuhören. Hierbei wurde gegen die einjährigen Freiwilligen eine große Nachsicht geübt. Es war nicht schwer, einen Urlaub von dieser Parade zu erhalten, und wenn dies nicht anging, so marschirte man mit bis an die Kirchthür; das Gros der Kompagnie rückte hinein, und viele Freiwillige verloren sich in ein nahes Frühstückslokal, wo die Zeit der Predigt sehr rasch bei einem Glase Wein und vergnügten Gesprächen verfloß. Auch mit dem Wachtdienst wurden wir nicht sehr geplagt. Aus den Aeußerungen des Grosvaters Eichmann ließ sich abnehmen, daß er es für sehr arg halte, die Kinder anständiger Leute ganz und gar auf das Niveau des gemeinen Musketirs herabzudrücken; kopfschüttelnd fragte er, welchen Nutzen es für das Vaterland haben könne, wenn gebildete Menschen 24 Stunden auf der Pritsche lägen und eine Legion Flöhe mit nach Hause brächten? Allein ihm wurden, wie schon früher bei ähnlichen Einwendungen die Freiheitskriege entgegengehalten, wo noch viel feinere Leute als wir nicht nur auf der Pritsche, sondern unzählige Male auf der bloßen Erde unter freiem Himmel gelegen. Die Pionire hatten nur einen Posten vor der Kasementhür zu besetzen; hiezu genügten drei Mann, die sich alle überschüssige Ende des Riemens mußte nach innen zusammengerollt eine zierliche Spirale oder Schnecke bilden. Unwillkührlich sind mir diese Einzelheiten ins Gedächtniß zurückgekommen, weil ich mich erinnere, wie oft wir mit solchen Detailsachen die kostbare Zeit verloren. Einige Male ward die Pionirkompagnie zur Kirchenparade beordert, um nach der Aufstellung im Lustgarten ohne Gewehr und ohne Gepäck in der Garnisonkirche eine Predigt mitanzuhören. Hierbei wurde gegen die einjährigen Freiwilligen eine große Nachsicht geübt. Es war nicht schwer, einen Urlaub von dieser Parade zu erhalten, und wenn dies nicht anging, so marschirte man mit bis an die Kirchthür; das Gros der Kompagnie rückte hinein, und viele Freiwillige verloren sich in ein nahes Frühstückslokal, wo die Zeit der Predigt sehr rasch bei einem Glase Wein und vergnügten Gesprächen verfloß. Auch mit dem Wachtdienst wurden wir nicht sehr geplagt. Aus den Aeußerungen des Grosvaters Eichmann ließ sich abnehmen, daß er es für sehr arg halte, die Kinder anständiger Leute ganz und gar auf das Niveau des gemeinen Musketirs herabzudrücken; kopfschüttelnd fragte er, welchen Nutzen es für das Vaterland haben könne, wenn gebildete Menschen 24 Stunden auf der Pritsche lägen und eine Legion Flöhe mit nach Hause brächten? Allein ihm wurden, wie schon früher bei ähnlichen Einwendungen die Freiheitskriege entgegengehalten, wo noch viel feinere Leute als wir nicht nur auf der Pritsche, sondern unzählige Male auf der bloßen Erde unter freiem Himmel gelegen. 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Es war nicht schwer, einen Urlaub von dieser Parade zu erhalten, und wenn dies nicht anging, so marschirte man mit bis an die Kirchthür; das Gros der Kompagnie rückte hinein, und viele Freiwillige verloren sich in ein nahes Frühstückslokal, wo die Zeit der Predigt sehr rasch bei einem Glase Wein und vergnügten Gesprächen verfloß. </p><lb/> <p>Auch mit dem Wachtdienst wurden wir nicht sehr geplagt. Aus den Aeußerungen des Grosvaters Eichmann ließ sich abnehmen, daß er es für sehr arg halte, die Kinder anständiger Leute ganz und gar auf das Niveau des gemeinen Musketirs herabzudrücken; kopfschüttelnd fragte er, welchen Nutzen es für das Vaterland haben könne, wenn gebildete Menschen 24 Stunden auf der Pritsche lägen und eine Legion Flöhe mit nach Hause brächten? 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überschüssige Ende des Riemens mußte nach innen zusammengerollt eine zierliche Spirale oder Schnecke bilden.
Unwillkührlich sind mir diese Einzelheiten ins Gedächtniß zurückgekommen, weil ich mich erinnere, wie oft wir mit solchen Detailsachen die kostbare Zeit verloren.
Einige Male ward die Pionirkompagnie zur Kirchenparade beordert, um nach der Aufstellung im Lustgarten ohne Gewehr und ohne Gepäck in der Garnisonkirche eine Predigt mitanzuhören. Hierbei wurde gegen die einjährigen Freiwilligen eine große Nachsicht geübt. Es war nicht schwer, einen Urlaub von dieser Parade zu erhalten, und wenn dies nicht anging, so marschirte man mit bis an die Kirchthür; das Gros der Kompagnie rückte hinein, und viele Freiwillige verloren sich in ein nahes Frühstückslokal, wo die Zeit der Predigt sehr rasch bei einem Glase Wein und vergnügten Gesprächen verfloß.
Auch mit dem Wachtdienst wurden wir nicht sehr geplagt. Aus den Aeußerungen des Grosvaters Eichmann ließ sich abnehmen, daß er es für sehr arg halte, die Kinder anständiger Leute ganz und gar auf das Niveau des gemeinen Musketirs herabzudrücken; kopfschüttelnd fragte er, welchen Nutzen es für das Vaterland haben könne, wenn gebildete Menschen 24 Stunden auf der Pritsche lägen und eine Legion Flöhe mit nach Hause brächten? Allein ihm wurden, wie schon früher bei ähnlichen Einwendungen die Freiheitskriege entgegengehalten, wo noch viel feinere Leute als wir nicht nur auf der Pritsche, sondern unzählige Male auf der bloßen Erde unter freiem Himmel gelegen.
Die Pionire hatten nur einen Posten vor der Kasementhür zu besetzen; hiezu genügten drei Mann, die sich alle
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