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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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fehlte es nicht an harmlosen Späßen. Nach und nach tauchten bei besserer Bekanntschaft allerlei Spitznamen auf; da gab es einen Obeinigen, einen Xbeinigen, einen kleinen Korporal, eine Seidenraupe etc. Dabei herrschte unter den Freiwilligen ein durchaus fröhlich-anständiger Ton; ich erinnre mich nicht, daß irgend ein Zerwürfniß ernster Art vorgekommen sei.

Die eingetretenen 33 Freiwilligen wurden in 3 Rotten von je 11 Mann den 3 Unteroffizieren der Kompagnie zum Einexerciren zugetheilt. Paul war der Flügelmann der dritten Rotte, und hatte als solcher Gelegenheit, seiner guten Laune freien Lauf zu lassen. Die Anfänge des Gänsemarsches machten ihm den allergrösten Spaß; er bemühte sich, das in der That lächerliche Ausstrecken des Fußes noch lächerlicher zu machen; es gelang ihm, bei seinem Einzelmarsche die ganze Rotte in Heiterkeit zu versetzen, und selbst dem grämlichen Unteroffizier Mühlefeld ein halb unwilliges Lächeln abzulocken. Auch verwechselte er bisweilen Rechtsum und Linksum, was, wie man uns versicherte, bei öfterer schneller Wiederholung selbst alten gedienten Soldaten begegnen soll. Einst hatte Mühlefeld rasch hintereinander: Linksum, Marsch! kommandirt. Paul hatte sich Rechtsum gedreht, und marschirte nun allein, zum Ergötzen des ganzen Kasemenhofes, nach rechtshin weiter, während seine Rotte in diametral-entgegengesetzter Richtung nach linkshin sich fortbewegte. Ein anderes Mal hatte Mühlefeld ihm gesagt, er müsse als Flügelmann, um geradeaus zu marschiren, sich "einen bestimmten Punkt" ansehn, und auf diesen losgehn. Paul nahm dies im allerbuchstäblichsten Sinne; als einmal ein Kahn auf der nahen Spree vorbeifuhr, wählte Paul den

fehlte es nicht an harmlosen Späßen. Nach und nach tauchten bei besserer Bekanntschaft allerlei Spitznamen auf; da gab es einen Obeinigen, einen Xbeinigen, einen kleinen Korporal, eine Seidenraupe etc. Dabei herrschte unter den Freiwilligen ein durchaus fröhlich-anständiger Ton; ich erinnre mich nicht, daß irgend ein Zerwürfniß ernster Art vorgekommen sei.

Die eingetretenen 33 Freiwilligen wurden in 3 Rotten von je 11 Mann den 3 Unteroffizieren der Kompagnie zum Einexerciren zugetheilt. Paul war der Flügelmann der dritten Rotte, und hatte als solcher Gelegenheit, seiner guten Laune freien Lauf zu lassen. Die Anfänge des Gänsemarsches machten ihm den allergrösten Spaß; er bemühte sich, das in der That lächerliche Ausstrecken des Fußes noch lächerlicher zu machen; es gelang ihm, bei seinem Einzelmarsche die ganze Rotte in Heiterkeit zu versetzen, und selbst dem grämlichen Unteroffizier Mühlefeld ein halb unwilliges Lächeln abzulocken. Auch verwechselte er bisweilen Rechtsum und Linksum, was, wie man uns versicherte, bei öfterer schneller Wiederholung selbst alten gedienten Soldaten begegnen soll. Einst hatte Mühlefeld rasch hintereinander: Linksum, Marsch! kommandirt. Paul hatte sich Rechtsum gedreht, und marschirte nun allein, zum Ergötzen des ganzen Kasemenhofes, nach rechtshin weiter, während seine Rotte in diametral-entgegengesetzter Richtung nach linkshin sich fortbewegte. Ein anderes Mal hatte Mühlefeld ihm gesagt, er müsse als Flügelmann, um geradeaus zu marschiren, sich „einen bestimmten Punkt“ ansehn, und auf diesen losgehn. Paul nahm dies im allerbuchstäblichsten Sinne; als einmal ein Kahn auf der nahen Spree vorbeifuhr, wählte Paul den

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[243/0251] fehlte es nicht an harmlosen Späßen. Nach und nach tauchten bei besserer Bekanntschaft allerlei Spitznamen auf; da gab es einen Obeinigen, einen Xbeinigen, einen kleinen Korporal, eine Seidenraupe etc. Dabei herrschte unter den Freiwilligen ein durchaus fröhlich-anständiger Ton; ich erinnre mich nicht, daß irgend ein Zerwürfniß ernster Art vorgekommen sei. Die eingetretenen 33 Freiwilligen wurden in 3 Rotten von je 11 Mann den 3 Unteroffizieren der Kompagnie zum Einexerciren zugetheilt. Paul war der Flügelmann der dritten Rotte, und hatte als solcher Gelegenheit, seiner guten Laune freien Lauf zu lassen. Die Anfänge des Gänsemarsches machten ihm den allergrösten Spaß; er bemühte sich, das in der That lächerliche Ausstrecken des Fußes noch lächerlicher zu machen; es gelang ihm, bei seinem Einzelmarsche die ganze Rotte in Heiterkeit zu versetzen, und selbst dem grämlichen Unteroffizier Mühlefeld ein halb unwilliges Lächeln abzulocken. Auch verwechselte er bisweilen Rechtsum und Linksum, was, wie man uns versicherte, bei öfterer schneller Wiederholung selbst alten gedienten Soldaten begegnen soll. Einst hatte Mühlefeld rasch hintereinander: Linksum, Marsch! kommandirt. Paul hatte sich Rechtsum gedreht, und marschirte nun allein, zum Ergötzen des ganzen Kasemenhofes, nach rechtshin weiter, während seine Rotte in diametral-entgegengesetzter Richtung nach linkshin sich fortbewegte. Ein anderes Mal hatte Mühlefeld ihm gesagt, er müsse als Flügelmann, um geradeaus zu marschiren, sich „einen bestimmten Punkt“ ansehn, und auf diesen losgehn. Paul nahm dies im allerbuchstäblichsten Sinne; als einmal ein Kahn auf der nahen Spree vorbeifuhr, wählte Paul den

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/251>, abgerufen am 24.11.2024.