Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].bestand aus drei Abtheilungen, den Sappeuren, Mineuren und Pontonniren. An diesen französischen Benennungen nahm Lette, als ein gewaltiger Deutschthümler, großen Anstoß. Er machte halb im Scherz, halb im Ernst den Vorschlag, statt dessen Minengräber, Schanzengräber und Brückenschäger zu sagen, ward aber damit ausgelacht, da ja mehr als hundert andere französische Ausdrücke in unserem Soldatenwesen vorkommen, die man nicht so leicht übersetzen kann. Die ersten sechs Wochen gingen mit dem Einexerciren in der grauen Kommisjacke hin; sie waren wohl etwas mühsam, hatten aber den Reiz der Neuheit. Mußte ich sehr früh nach der Kaserne am Schlesischen Thore, so brachte mir die alte Luise schon um 6 Uhr den Kaffee, und hörte nicht auf, darüber zu jammern, daß der junge Herr unter die Soldaten gegangen sei. Paul besaß, wie ich schon bemerkte, gar keinen kriegerischen Geist, aber er erwarb sich das große Verdienst, alle militärischen Unbequemlichkeiten von der humoristischen Seite zu nehmen; er verscheuchte dadurch die leichten Wolken des Unmuthes, die zuweilen aufsteigen wollten. An die grausame Zeitverschwendung mußte man sich gewöhnen. Wenn wir auf Balken und Brettern im Kasernenhofe umhersitzend, das Erscheinen des Feldwebels erwarteten, so bewies uns Paul, daß von Zeitverschwendung gar nicht die Rede sein könne. Dem Fahneneid zufolge sollten wir dem Könige ein Jahr lang zu Wasser und zu Lande dienen; aus Gnaden erlaube man uns, nebenbei Kollegia zu hören; dies sei also eine Zeitersparniß, für die wir alle Tage dem Hauptmann und dem Feldwebel danken sollten. bestand aus drei Abtheilungen, den Sappeuren, Mineuren und Pontonniren. An diesen französischen Benennungen nahm Lette, als ein gewaltiger Deutschthümler, großen Anstoß. Er machte halb im Scherz, halb im Ernst den Vorschlag, statt dessen Minengräber, Schanzengräber und Brückenschäger zu sagen, ward aber damit ausgelacht, da ja mehr als hundert andere französische Ausdrücke in unserem Soldatenwesen vorkommen, die man nicht so leicht übersetzen kann. Die ersten sechs Wochen gingen mit dem Einexerciren in der grauen Kommisjacke hin; sie waren wohl etwas mühsam, hatten aber den Reiz der Neuheit. Mußte ich sehr früh nach der Kaserne am Schlesischen Thore, so brachte mir die alte Luise schon um 6 Uhr den Kaffee, und hörte nicht auf, darüber zu jammern, daß der junge Herr unter die Soldaten gegangen sei. Paul besaß, wie ich schon bemerkte, gar keinen kriegerischen Geist, aber er erwarb sich das große Verdienst, alle militärischen Unbequemlichkeiten von der humoristischen Seite zu nehmen; er verscheuchte dadurch die leichten Wolken des Unmuthes, die zuweilen aufsteigen wollten. An die grausame Zeitverschwendung mußte man sich gewöhnen. Wenn wir auf Balken und Brettern im Kasernenhofe umhersitzend, das Erscheinen des Feldwebels erwarteten, so bewies uns Paul, daß von Zeitverschwendung gar nicht die Rede sein könne. Dem Fahneneid zufolge sollten wir dem Könige ein Jahr lang zu Wasser und zu Lande dienen; aus Gnaden erlaube man uns, nebenbei Kollegia zu hören; dies sei also eine Zeitersparniß, für die wir alle Tage dem Hauptmann und dem Feldwebel danken sollten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0249" n="241"/> bestand aus drei Abtheilungen, den Sappeuren, Mineuren und Pontonniren. An diesen französischen Benennungen nahm Lette, als ein gewaltiger Deutschthümler, großen Anstoß. Er machte halb im Scherz, halb im Ernst den Vorschlag, statt dessen Minengräber, Schanzengräber und Brückenschäger zu sagen, ward aber damit ausgelacht, da ja mehr als hundert andere französische Ausdrücke in unserem Soldatenwesen vorkommen, die man nicht so leicht übersetzen kann. </p><lb/> <p>Die ersten sechs Wochen gingen mit dem Einexerciren in der grauen Kommisjacke hin; sie waren wohl etwas mühsam, hatten aber den Reiz der Neuheit. Mußte ich sehr früh nach der Kaserne am Schlesischen Thore, so brachte mir die alte Luise schon um 6 Uhr den Kaffee, und hörte nicht auf, darüber zu jammern, daß der junge Herr unter die Soldaten gegangen sei. </p><lb/> <p>Paul besaß, wie ich schon bemerkte, gar keinen kriegerischen Geist, aber er erwarb sich das große Verdienst, alle militärischen Unbequemlichkeiten von der humoristischen Seite zu nehmen; er verscheuchte dadurch die leichten Wolken des Unmuthes, die zuweilen aufsteigen wollten. </p><lb/> <p>An die grausame Zeitverschwendung mußte man sich gewöhnen. Wenn wir auf Balken und Brettern im Kasernenhofe umhersitzend, das Erscheinen des Feldwebels erwarteten, so bewies uns Paul, daß von Zeitverschwendung gar nicht die Rede sein könne. Dem Fahneneid zufolge sollten wir dem Könige ein Jahr lang zu Wasser und zu Lande dienen; aus Gnaden erlaube man uns, nebenbei Kollegia zu hören; dies sei also eine Zeitersparniß, für die wir alle Tage dem Hauptmann und dem Feldwebel danken sollten. </p> </div> </body> </text> </TEI> [241/0249]
bestand aus drei Abtheilungen, den Sappeuren, Mineuren und Pontonniren. An diesen französischen Benennungen nahm Lette, als ein gewaltiger Deutschthümler, großen Anstoß. Er machte halb im Scherz, halb im Ernst den Vorschlag, statt dessen Minengräber, Schanzengräber und Brückenschäger zu sagen, ward aber damit ausgelacht, da ja mehr als hundert andere französische Ausdrücke in unserem Soldatenwesen vorkommen, die man nicht so leicht übersetzen kann.
Die ersten sechs Wochen gingen mit dem Einexerciren in der grauen Kommisjacke hin; sie waren wohl etwas mühsam, hatten aber den Reiz der Neuheit. Mußte ich sehr früh nach der Kaserne am Schlesischen Thore, so brachte mir die alte Luise schon um 6 Uhr den Kaffee, und hörte nicht auf, darüber zu jammern, daß der junge Herr unter die Soldaten gegangen sei.
Paul besaß, wie ich schon bemerkte, gar keinen kriegerischen Geist, aber er erwarb sich das große Verdienst, alle militärischen Unbequemlichkeiten von der humoristischen Seite zu nehmen; er verscheuchte dadurch die leichten Wolken des Unmuthes, die zuweilen aufsteigen wollten.
An die grausame Zeitverschwendung mußte man sich gewöhnen. Wenn wir auf Balken und Brettern im Kasernenhofe umhersitzend, das Erscheinen des Feldwebels erwarteten, so bewies uns Paul, daß von Zeitverschwendung gar nicht die Rede sein könne. Dem Fahneneid zufolge sollten wir dem Könige ein Jahr lang zu Wasser und zu Lande dienen; aus Gnaden erlaube man uns, nebenbei Kollegia zu hören; dies sei also eine Zeitersparniß, für die wir alle Tage dem Hauptmann und dem Feldwebel danken sollten.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/249>, abgerufen am 26.07.2024. |