Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].schütterlicher Festigkeit darauf, nie ein Kollegium freizugeben, und wußte jede Bitte mit der peremptorischen Erklärung abzuweisen: das Honorar der Vorlesungen gehöre zum Nadelgelde seiner Frau, wodurch natürlich jedes weitere Ersuchen unmöglich wurde. Diese Mittheilung stammte von Röstell, der dann noch hinzufügte, ein naseweiser Student habe einmal gefragt: wozu die Frau Geheimeräthin die vielen Nadeln brauche? Hegel war im Jahre 1817 von Heidelberg nach Berlin berufen worden, und erregte gleich bei seinem Erscheinen das gröste Aufsehn. Hier war kein Philosophiren, sondern eine Philosophie, die mit bewundernswerther Dialektik und mit eiserner Konsequenz den Kreis alles Wissens umspannte, und weit mehr zur ruhigen Hinnahme des Gegebenen, als zum thätigen Selbstdenken aufforderte. Hegel versammelte sehr bald einen Kreis von Schülern um sich, die unbedingt auf seine Worte schwuren, und auf fanatische Weise für ihn Propaganda machten. Ich versäumte nicht, auch einmal in der Logik bei ihm zu hospitiren, wurde aber damals durch den höchst unvollkomnen Vortrag abgeschreckt. Nach der Vorlesung fragte ich den philosophischen Freund, der mich mitgenommen, und der zu Hegels begeisterten Anhängern gehörte, was der Satz bedeute: das Wesen ist die Negation der Negation. Zu meiner großen Verwunderung wußte er nicht Bescheid darüber zu geben, obgleich er die Logik bis hieher im Zusammenhange gehört. Später habe ich mehrere Kollegia bei Hegel mit großem Nutzen und Vergnügen besucht, auch seine Logik, nicht ohne Anstrengung, für mich durchgelesen. Da fand ich denn, daß der obige Satz im Systeme seine richtige Stelle einnimmt. Aus dem schütterlicher Festigkeit darauf, nie ein Kollegium freizugeben, und wußte jede Bitte mit der peremptorischen Erklärung abzuweisen: das Honorar der Vorlesungen gehöre zum Nadelgelde seiner Frau, wodurch natürlich jedes weitere Ersuchen unmöglich wurde. Diese Mittheilung stammte von Röstell, der dann noch hinzufügte, ein naseweiser Student habe einmal gefragt: wozu die Frau Geheimeräthin die vielen Nadeln brauche? Hegel war im Jahre 1817 von Heidelberg nach Berlin berufen worden, und erregte gleich bei seinem Erscheinen das gröste Aufsehn. Hier war kein Philosophiren, sondern eine Philosophie, die mit bewundernswerther Dialektik und mit eiserner Konsequenz den Kreis alles Wissens umspannte, und weit mehr zur ruhigen Hinnahme des Gegebenen, als zum thätigen Selbstdenken aufforderte. Hegel versammelte sehr bald einen Kreis von Schülern um sich, die unbedingt auf seine Worte schwuren, und auf fanatische Weise für ihn Propaganda machten. Ich versäumte nicht, auch einmal in der Logik bei ihm zu hospitiren, wurde aber damals durch den höchst unvollkomnen Vortrag abgeschreckt. Nach der Vorlesung fragte ich den philosophischen Freund, der mich mitgenommen, und der zu Hegels begeisterten Anhängern gehörte, was der Satz bedeute: das Wesen ist die Negation der Negation. Zu meiner großen Verwunderung wußte er nicht Bescheid darüber zu geben, obgleich er die Logik bis hieher im Zusammenhange gehört. Später habe ich mehrere Kollegia bei Hegel mit großem Nutzen und Vergnügen besucht, auch seine Logik, nicht ohne Anstrengung, für mich durchgelesen. Da fand ich denn, daß der obige Satz im Systeme seine richtige Stelle einnimmt. 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Hegel versammelte sehr bald einen Kreis von Schülern um sich, die unbedingt auf seine Worte schwuren, und auf fanatische Weise für ihn Propaganda machten. Ich versäumte nicht, auch einmal in der Logik bei ihm zu hospitiren, wurde aber damals durch den höchst unvollkomnen Vortrag abgeschreckt. Nach der Vorlesung fragte ich den philosophischen Freund, der mich mitgenommen, und der zu Hegels begeisterten Anhängern gehörte, was der Satz bedeute: das Wesen ist die Negation der Negation. Zu meiner großen Verwunderung wußte er nicht Bescheid darüber zu geben, obgleich er die Logik bis hieher im Zusammenhange gehört. Später habe ich mehrere Kollegia bei Hegel mit großem Nutzen und Vergnügen besucht, auch seine Logik, nicht ohne Anstrengung, für mich durchgelesen. Da fand ich denn, daß der obige Satz im Systeme seine richtige Stelle einnimmt. Aus dem </p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0246]
schütterlicher Festigkeit darauf, nie ein Kollegium freizugeben, und wußte jede Bitte mit der peremptorischen Erklärung abzuweisen: das Honorar der Vorlesungen gehöre zum Nadelgelde seiner Frau, wodurch natürlich jedes weitere Ersuchen unmöglich wurde. Diese Mittheilung stammte von Röstell, der dann noch hinzufügte, ein naseweiser Student habe einmal gefragt: wozu die Frau Geheimeräthin die vielen Nadeln brauche?
Hegel war im Jahre 1817 von Heidelberg nach Berlin berufen worden, und erregte gleich bei seinem Erscheinen das gröste Aufsehn. Hier war kein Philosophiren, sondern eine Philosophie, die mit bewundernswerther Dialektik und mit eiserner Konsequenz den Kreis alles Wissens umspannte, und weit mehr zur ruhigen Hinnahme des Gegebenen, als zum thätigen Selbstdenken aufforderte. Hegel versammelte sehr bald einen Kreis von Schülern um sich, die unbedingt auf seine Worte schwuren, und auf fanatische Weise für ihn Propaganda machten. Ich versäumte nicht, auch einmal in der Logik bei ihm zu hospitiren, wurde aber damals durch den höchst unvollkomnen Vortrag abgeschreckt. Nach der Vorlesung fragte ich den philosophischen Freund, der mich mitgenommen, und der zu Hegels begeisterten Anhängern gehörte, was der Satz bedeute: das Wesen ist die Negation der Negation. Zu meiner großen Verwunderung wußte er nicht Bescheid darüber zu geben, obgleich er die Logik bis hieher im Zusammenhange gehört. Später habe ich mehrere Kollegia bei Hegel mit großem Nutzen und Vergnügen besucht, auch seine Logik, nicht ohne Anstrengung, für mich durchgelesen. Da fand ich denn, daß der obige Satz im Systeme seine richtige Stelle einnimmt. Aus dem
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