Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].passenden lateinischen Inschrift, und fragte gesprächsweise über Tische den Obersten Quintus Icilius, wie man: Nourriture de l'esprit, im lateinischen ausdrücken könne? Dieser erwiederte ohne Bedenken und gewiß ohne Ueberlegung: Nutrimentum spiritus, hatte aber keine Ahnung davon, daß diese wörtliche, aber ganz unlateinische Uebersetzung sehr bald auf der gewundenen Facade der Bibliothek in goldnen Buchstaben prangen werde. Der Eingang in die Bibliothek führte damals in der Behrenstraße durch das von Wilken bewohnte Haus, und verursachte diesem viele Unbequemlichkeiten. Das Lesezimmer lag im zweiten Stock; die angeschafften und entliehenen Bücher mußten mit Mühe eine enge Treppe hinauf und herab passiren. Der kleine winklige Hof des Gebäudes litt an Feuchtigkeit und diente zur Aufbewahrung von allerhand Gerümpel. Buttmann sagte deshalb, die Bibliothek sehe von vorn aus wie eine große Kommode und von hinten wie eine große Kommodite. Aus dem Lesezimmer gelangte man in die ausgedehnten Bücherräume, und hier fand ich den gewaltigen Hauptsaal wieder, der in meiner Jugend den Luftballon beherbergt hatte. Es stand darin ein grüner runder Tisch, von Sesseln umgeben; ich erfuhr, daß unter Friedrich II. hier die feierlichen Sitzungen der Akademie der Wissenschaften gehalten wurden. Es können dies aber nur Sommersitzungen gewesen sein: denn der ungeheure Raum war nicht zu heizen. Der Kustos machte mich auf die vielen Gypsbüsten aufmerksam, die von meinem Grosvater Nicolai hingestiftet, jetzt einen würdigen Schmuck des Saales bildeten, aber wie freudig ward ich bewegt, als er aus einem Schranke, der die kostbarsten Bücher enthielt, passenden lateinischen Inschrift, und fragte gesprächsweise über Tische den Obersten Quintus Icilius, wie man: Nourriture de l’esprit, im lateinischen ausdrücken könne? Dieser erwiederte ohne Bedenken und gewiß ohne Ueberlegung: Nutrimentum spiritus, hatte aber keine Ahnung davon, daß diese wörtliche, aber ganz unlateinische Uebersetzung sehr bald auf der gewundenen Façade der Bibliothek in goldnen Buchstaben prangen werde. Der Eingang in die Bibliothek führte damals in der Behrenstraße durch das von Wilken bewohnte Haus, und verursachte diesem viele Unbequemlichkeiten. Das Lesezimmer lag im zweiten Stock; die angeschafften und entliehenen Bücher mußten mit Mühe eine enge Treppe hinauf und herab passiren. Der kleine winklige Hof des Gebäudes litt an Feuchtigkeit und diente zur Aufbewahrung von allerhand Gerümpel. Buttmann sagte deshalb, die Bibliothek sehe von vorn aus wie eine große Kommode und von hinten wie eine große Kommodité. Aus dem Lesezimmer gelangte man in die ausgedehnten Bücherräume, und hier fand ich den gewaltigen Hauptsaal wieder, der in meiner Jugend den Luftballon beherbergt hatte. Es stand darin ein grüner runder Tisch, von Sesseln umgeben; ich erfuhr, daß unter Friedrich II. hier die feierlichen Sitzungen der Akademie der Wissenschaften gehalten wurden. Es können dies aber nur Sommersitzungen gewesen sein: denn der ungeheure Raum war nicht zu heizen. Der Kustos machte mich auf die vielen Gypsbüsten aufmerksam, die von meinem Grosvater Nicolai hingestiftet, jetzt einen würdigen Schmuck des Saales bildeten, aber wie freudig ward ich bewegt, als er aus einem Schranke, der die kostbarsten Bücher enthielt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="235"/> passenden lateinischen Inschrift, und fragte gesprächsweise über Tische den Obersten Quintus Icilius, wie man: <hi rendition="#i">Nourriture de l’esprit</hi>, im lateinischen ausdrücken könne? 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Es stand darin ein grüner runder Tisch, von Sesseln umgeben; ich erfuhr, daß unter Friedrich II. hier die feierlichen Sitzungen der Akademie der Wissenschaften gehalten wurden. Es können dies aber nur Sommersitzungen gewesen sein: denn der ungeheure Raum war nicht zu heizen. Der Kustos machte mich auf die vielen Gypsbüsten aufmerksam, die von meinem Grosvater Nicolai hingestiftet, jetzt einen würdigen Schmuck des Saales bildeten, aber wie freudig ward ich bewegt, als er aus einem Schranke, der die kostbarsten Bücher enthielt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0243]
passenden lateinischen Inschrift, und fragte gesprächsweise über Tische den Obersten Quintus Icilius, wie man: Nourriture de l’esprit, im lateinischen ausdrücken könne? Dieser erwiederte ohne Bedenken und gewiß ohne Ueberlegung: Nutrimentum spiritus, hatte aber keine Ahnung davon, daß diese wörtliche, aber ganz unlateinische Uebersetzung sehr bald auf der gewundenen Façade der Bibliothek in goldnen Buchstaben prangen werde.
Der Eingang in die Bibliothek führte damals in der Behrenstraße durch das von Wilken bewohnte Haus, und verursachte diesem viele Unbequemlichkeiten. Das Lesezimmer lag im zweiten Stock; die angeschafften und entliehenen Bücher mußten mit Mühe eine enge Treppe hinauf und herab passiren. Der kleine winklige Hof des Gebäudes litt an Feuchtigkeit und diente zur Aufbewahrung von allerhand Gerümpel. Buttmann sagte deshalb, die Bibliothek sehe von vorn aus wie eine große Kommode und von hinten wie eine große Kommodité.
Aus dem Lesezimmer gelangte man in die ausgedehnten Bücherräume, und hier fand ich den gewaltigen Hauptsaal wieder, der in meiner Jugend den Luftballon beherbergt hatte. Es stand darin ein grüner runder Tisch, von Sesseln umgeben; ich erfuhr, daß unter Friedrich II. hier die feierlichen Sitzungen der Akademie der Wissenschaften gehalten wurden. Es können dies aber nur Sommersitzungen gewesen sein: denn der ungeheure Raum war nicht zu heizen. Der Kustos machte mich auf die vielen Gypsbüsten aufmerksam, die von meinem Grosvater Nicolai hingestiftet, jetzt einen würdigen Schmuck des Saales bildeten, aber wie freudig ward ich bewegt, als er aus einem Schranke, der die kostbarsten Bücher enthielt,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/243>, abgerufen am 28.07.2024. |