Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].auch diese Schwierigkeit mit dem Mädchen zu überwinden. Sie behandelte ihn auf das schnödeste, und glaubte seine Bewerbungen für immer abzuschneiden, indem sie ihm in großer Gesellschaft eine Ohrfeige gab. Allein auch dieses heroische Mittel wollte nicht verfangen, und endlich ward der Hochzeittag angesetzt. Am Abende vorher entfloh die unglückliche Braut zu entfernten Verwandten auf dem Lande. Umsonst; der beharrliche Bräutigam, der vor keiner Schwierigkeit zurückwich, holte sie heim, und machte sie zu der seinigen. Ob die Ehe doch noch eine glückliche geworden sei, wußte Röstell nicht zu sagen. Wir belegten nun die alte Litteraturgeschichte, und hatten dies nicht zu bereuen. Es waren nur ungefähr ein Dutzend Zuhörer, von denen ich, außer Röstell und Paul nur noch Koberstein, Neue und Kreuser nenne. Koberstein, später Professor in Schulpforta, erwarb durch seine deutsche Litteraturgeschichte einen bedeutenden Namen; Neue, später russischer Staatsrath in Dorpat, gab eine grundgelehrte Ausgabe des Sophokles; Kreuser, der Stubengenosse Kleins, später Professor am Gymnasium in Köln, machte sich durch einige Arbeiten über Homer bekannt. Böckhs Vortrag war in der That schläfrig, aber die Gediegenheit des Inhalts, die unermeßliche Menge von positiven Notizen, die Richtigkeit des Urtheils und die Tiefe der philologischen Gelehrsamkeit hielten uns wie mit unsichtbaren Banden gefesselt. Koberstein, schon damals auf eignen Füßen stehend, wollte zwar manchmal Opposition machen, indem er behauptete, Böckh sei in seinen philosophischen Ausführungen nicht Original, sondern halte sich ganz und gar an die beiden Schlegel. Hierin konnte ich ihm anfangs nicht widersprechen: denn ich kannte nur auch diese Schwierigkeit mit dem Mädchen zu überwinden. Sie behandelte ihn auf das schnödeste, und glaubte seine Bewerbungen für immer abzuschneiden, indem sie ihm in großer Gesellschaft eine Ohrfeige gab. Allein auch dieses heroische Mittel wollte nicht verfangen, und endlich ward der Hochzeittag angesetzt. Am Abende vorher entfloh die unglückliche Braut zu entfernten Verwandten auf dem Lande. Umsonst; der beharrliche Bräutigam, der vor keiner Schwierigkeit zurückwich, holte sie heim, und machte sie zu der seinigen. Ob die Ehe doch noch eine glückliche geworden sei, wußte Röstell nicht zu sagen. Wir belegten nun die alte Litteraturgeschichte, und hatten dies nicht zu bereuen. Es waren nur ungefähr ein Dutzend Zuhörer, von denen ich, außer Röstell und Paul nur noch Koberstein, Neue und Kreuser nenne. Koberstein, später Professor in Schulpforta, erwarb durch seine deutsche Litteraturgeschichte einen bedeutenden Namen; Neue, später russischer Staatsrath in Dorpat, gab eine grundgelehrte Ausgabe des Sophokles; Kreuser, der Stubengenosse Kleins, später Professor am Gymnasium in Köln, machte sich durch einige Arbeiten über Homer bekannt. Böckhs Vortrag war in der That schläfrig, aber die Gediegenheit des Inhalts, die unermeßliche Menge von positiven Notizen, die Richtigkeit des Urtheils und die Tiefe der philologischen Gelehrsamkeit hielten uns wie mit unsichtbaren Banden gefesselt. Koberstein, schon damals auf eignen Füßen stehend, wollte zwar manchmal Opposition machen, indem er behauptete, Böckh sei in seinen philosophischen Ausführungen nicht Original, sondern halte sich ganz und gar an die beiden Schlegel. Hierin konnte ich ihm anfangs nicht widersprechen: denn ich kannte nur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0230" n="222"/> auch diese Schwierigkeit mit dem Mädchen zu überwinden. Sie behandelte ihn auf das schnödeste, und glaubte seine Bewerbungen für immer abzuschneiden, indem sie ihm in großer Gesellschaft eine Ohrfeige gab. Allein auch dieses heroische Mittel wollte nicht verfangen, und endlich ward der Hochzeittag angesetzt. Am Abende vorher entfloh die unglückliche Braut zu entfernten Verwandten auf dem Lande. Umsonst; der beharrliche Bräutigam, der vor keiner Schwierigkeit zurückwich, holte sie heim, und machte sie zu der seinigen. Ob die Ehe doch noch eine glückliche geworden sei, wußte Röstell nicht zu sagen. </p><lb/> <p>Wir belegten nun die alte Litteraturgeschichte, und hatten dies nicht zu bereuen. Es waren nur ungefähr ein Dutzend Zuhörer, von denen ich, außer Röstell und Paul nur noch Koberstein, Neue und Kreuser nenne. Koberstein, später Professor in Schulpforta, erwarb durch seine deutsche Litteraturgeschichte einen bedeutenden Namen; Neue, später russischer Staatsrath in Dorpat, gab eine grundgelehrte Ausgabe des Sophokles; Kreuser, der Stubengenosse Kleins, später Professor am Gymnasium in Köln, machte sich durch einige Arbeiten über Homer bekannt. </p><lb/> <p>Böckhs Vortrag war in der That schläfrig, aber die Gediegenheit des Inhalts, die unermeßliche Menge von positiven Notizen, die Richtigkeit des Urtheils und die Tiefe der philologischen Gelehrsamkeit hielten uns wie mit unsichtbaren Banden gefesselt. Koberstein, schon damals auf eignen Füßen stehend, wollte zwar manchmal Opposition machen, indem er behauptete, Böckh sei in seinen philosophischen Ausführungen nicht Original, sondern halte sich ganz und gar an die beiden Schlegel. Hierin konnte ich ihm anfangs nicht widersprechen: denn ich kannte nur </p> </div> </body> </text> </TEI> [222/0230]
auch diese Schwierigkeit mit dem Mädchen zu überwinden. Sie behandelte ihn auf das schnödeste, und glaubte seine Bewerbungen für immer abzuschneiden, indem sie ihm in großer Gesellschaft eine Ohrfeige gab. Allein auch dieses heroische Mittel wollte nicht verfangen, und endlich ward der Hochzeittag angesetzt. Am Abende vorher entfloh die unglückliche Braut zu entfernten Verwandten auf dem Lande. Umsonst; der beharrliche Bräutigam, der vor keiner Schwierigkeit zurückwich, holte sie heim, und machte sie zu der seinigen. Ob die Ehe doch noch eine glückliche geworden sei, wußte Röstell nicht zu sagen.
Wir belegten nun die alte Litteraturgeschichte, und hatten dies nicht zu bereuen. Es waren nur ungefähr ein Dutzend Zuhörer, von denen ich, außer Röstell und Paul nur noch Koberstein, Neue und Kreuser nenne. Koberstein, später Professor in Schulpforta, erwarb durch seine deutsche Litteraturgeschichte einen bedeutenden Namen; Neue, später russischer Staatsrath in Dorpat, gab eine grundgelehrte Ausgabe des Sophokles; Kreuser, der Stubengenosse Kleins, später Professor am Gymnasium in Köln, machte sich durch einige Arbeiten über Homer bekannt.
Böckhs Vortrag war in der That schläfrig, aber die Gediegenheit des Inhalts, die unermeßliche Menge von positiven Notizen, die Richtigkeit des Urtheils und die Tiefe der philologischen Gelehrsamkeit hielten uns wie mit unsichtbaren Banden gefesselt. Koberstein, schon damals auf eignen Füßen stehend, wollte zwar manchmal Opposition machen, indem er behauptete, Böckh sei in seinen philosophischen Ausführungen nicht Original, sondern halte sich ganz und gar an die beiden Schlegel. Hierin konnte ich ihm anfangs nicht widersprechen: denn ich kannte nur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |