Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].reichlichen Stoff zum Lachen: denn er besaß eine große Virtuosität im possirlichen Ausmalen gesellschaftlicher Verlegenheiten, in die er nur zu leicht gerieth. Ich verglich ihn deshalb oft mit dem Walt in Jean Pauls Flegeljahren. Als bei dem ersten Besuche Frau von der Recke ihm die Hand zum Kusse hinreichte, so machte er es wie der Graf von Kaunitz mit dem Papste Pius VI. Er drückte die dargebotene Hand ganz freundschaftlich, anstatt sie zu küssen. Frau von der Recke beschäftigte sich in diesem Winter mit der Redaction ihrer italiänischen Reise, die bald darauf in der Nicolaischen Buchhandlung herauskam. Sie fällt in eine Zeit (1804), wo wenig in Italien gereist wurde, und hat das Verdienst, daß sie manches angiebt, was bei andern Reisenden als bekannt vorausgesetzt wird. Neue Ansichten über Kunst darf man nicht erwarten, dagegen spiegelt sich überall die reine Menschenliebe der edeln Verfasserin. Mit wahrem Heißhunger lauschte ich den mündlichen Mittheilungen über Italien, und konnte mir kein größeres Glück denken, als den sonnigen Himmel, die Pracht der Pflanzen, die merkwürdigen Ruinen mit eignen Augen zu sehn. Ueber Ischia, dessen Heilquellen Frau von der Recke mit gutem Erfolge gebraucht hatte, wußte Tiedge in schönen poetischen Bildern sich auszulassen, und mit gutem Humor beschrieb er einen Eselritt auf den Epomeo: wie er nach langem mühseligen Reiten in der ärgsten Hitze auf dem Gipfel angelangt, vor Durst der herrlichen Aussicht über Land und Meer nicht habe genießen können, und wie er dem Eseltreiber durch Zeichen verständlich gemacht, daß er irgend eine Erfrischung wünsche; der reichlichen Stoff zum Lachen: denn er besaß eine große Virtuosität im possirlichen Ausmalen gesellschaftlicher Verlegenheiten, in die er nur zu leicht gerieth. Ich verglich ihn deshalb oft mit dem Walt in Jean Pauls Flegeljahren. Als bei dem ersten Besuche Frau von der Recke ihm die Hand zum Kusse hinreichte, so machte er es wie der Graf von Kaunitz mit dem Papste Pius VI. Er drückte die dargebotene Hand ganz freundschaftlich, anstatt sie zu küssen. Frau von der Recke beschäftigte sich in diesem Winter mit der Redaction ihrer italiänischen Reise, die bald darauf in der Nicolaischen Buchhandlung herauskam. Sie fällt in eine Zeit (1804), wo wenig in Italien gereist wurde, und hat das Verdienst, daß sie manches angiebt, was bei andern Reisenden als bekannt vorausgesetzt wird. Neue Ansichten über Kunst darf man nicht erwarten, dagegen spiegelt sich überall die reine Menschenliebe der edeln Verfasserin. Mit wahrem Heißhunger lauschte ich den mündlichen Mittheilungen über Italien, und konnte mir kein größeres Glück denken, als den sonnigen Himmel, die Pracht der Pflanzen, die merkwürdigen Ruinen mit eignen Augen zu sehn. Ueber Ischia, dessen Heilquellen Frau von der Recke mit gutem Erfolge gebraucht hatte, wußte Tiedge in schönen poetischen Bildern sich auszulassen, und mit gutem Humor beschrieb er einen Eselritt auf den Epomeo: wie er nach langem mühseligen Reiten in der ärgsten Hitze auf dem Gipfel angelangt, vor Durst der herrlichen Aussicht über Land und Meer nicht habe genießen können, und wie er dem Eseltreiber durch Zeichen verständlich gemacht, daß er irgend eine Erfrischung wünsche; der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="14"/> reichlichen Stoff zum Lachen: denn er besaß eine große Virtuosität im possirlichen Ausmalen gesellschaftlicher Verlegenheiten, in die er nur zu leicht gerieth. Ich verglich ihn deshalb oft mit dem Walt in Jean Pauls Flegeljahren. Als bei dem ersten Besuche Frau von der Recke ihm die Hand zum Kusse hinreichte, so machte er es wie der Graf von Kaunitz mit dem Papste Pius VI. Er drückte die dargebotene Hand ganz freundschaftlich, anstatt sie zu küssen. </p><lb/> <p>Frau von der Recke beschäftigte sich in diesem Winter mit der Redaction ihrer italiänischen Reise, die bald darauf in der Nicolaischen Buchhandlung herauskam. Sie fällt in eine Zeit (1804), wo wenig in Italien gereist wurde, und hat das Verdienst, daß sie manches angiebt, was bei andern Reisenden als bekannt vorausgesetzt wird. Neue Ansichten über Kunst darf man nicht erwarten, dagegen spiegelt sich überall die reine Menschenliebe der edeln Verfasserin. Mit wahrem Heißhunger lauschte ich den mündlichen Mittheilungen über Italien, und konnte mir kein größeres Glück denken, als den sonnigen Himmel, die Pracht der Pflanzen, die merkwürdigen Ruinen mit eignen Augen zu sehn. </p><lb/> <p>Ueber Ischia, dessen Heilquellen Frau von der Recke mit gutem Erfolge gebraucht hatte, wußte Tiedge in schönen poetischen Bildern sich auszulassen, und mit gutem Humor beschrieb er einen Eselritt auf den Epomeo: wie er nach langem mühseligen Reiten in der ärgsten Hitze auf dem Gipfel angelangt, vor Durst der herrlichen Aussicht über Land und Meer nicht habe genießen können, und wie er dem Eseltreiber durch Zeichen verständlich gemacht, daß er irgend eine Erfrischung wünsche; der </p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0022]
reichlichen Stoff zum Lachen: denn er besaß eine große Virtuosität im possirlichen Ausmalen gesellschaftlicher Verlegenheiten, in die er nur zu leicht gerieth. Ich verglich ihn deshalb oft mit dem Walt in Jean Pauls Flegeljahren. Als bei dem ersten Besuche Frau von der Recke ihm die Hand zum Kusse hinreichte, so machte er es wie der Graf von Kaunitz mit dem Papste Pius VI. Er drückte die dargebotene Hand ganz freundschaftlich, anstatt sie zu küssen.
Frau von der Recke beschäftigte sich in diesem Winter mit der Redaction ihrer italiänischen Reise, die bald darauf in der Nicolaischen Buchhandlung herauskam. Sie fällt in eine Zeit (1804), wo wenig in Italien gereist wurde, und hat das Verdienst, daß sie manches angiebt, was bei andern Reisenden als bekannt vorausgesetzt wird. Neue Ansichten über Kunst darf man nicht erwarten, dagegen spiegelt sich überall die reine Menschenliebe der edeln Verfasserin. Mit wahrem Heißhunger lauschte ich den mündlichen Mittheilungen über Italien, und konnte mir kein größeres Glück denken, als den sonnigen Himmel, die Pracht der Pflanzen, die merkwürdigen Ruinen mit eignen Augen zu sehn.
Ueber Ischia, dessen Heilquellen Frau von der Recke mit gutem Erfolge gebraucht hatte, wußte Tiedge in schönen poetischen Bildern sich auszulassen, und mit gutem Humor beschrieb er einen Eselritt auf den Epomeo: wie er nach langem mühseligen Reiten in der ärgsten Hitze auf dem Gipfel angelangt, vor Durst der herrlichen Aussicht über Land und Meer nicht habe genießen können, und wie er dem Eseltreiber durch Zeichen verständlich gemacht, daß er irgend eine Erfrischung wünsche; der
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/22>, abgerufen am 05.07.2024. |