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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Hauptgrundsatz nicht gegenwärtig war, daß an die Stelle der Multiplication und Division die Addition und Subtraktion trete. Zum Glücke war Lehmann mein Nachbar; ich schob ihm unter dem Tische ein Zettelchen mit einer Anfrage zu, und seine kurze Antwort rief mir schnell das rechte Verständniß zurück.

Mehrere Wochen nachher erfolgte das mündliche Examen, vor dem die Furcht noch viel ärger war, als vor dem schriftlichen: denn was konnte nicht alles aus der unermeßlichen Menge des Wißbaren gefragt werden! Das ganze Lehrerpersonale von Prima, der Direktor Bellermann an der Spitze, versammelte sich feierlich im großen Hörsaale, und die 18 unglücklichen, zu befragenden Schlachtopfer nahmen auf zwei langen Bänken im Vordergrunde Platz. Als Primus omnium war ich, wie schon bemerkt, auf das schlimmste gefaßt, und glaubte, man werde mich am schärfsten ins Gebet nehmen, daher kann ich noch jetzt an jene Stunden der Qual nicht ohne Herzklopfen denken. Allein es kam ganz anders als ich gefürchtet. Die Examinatoren hatten so viel mit den am Ende der langen Reihe Sitzenden zu thun, daß die obersten nur wenig beachtet wurden. Ich erhielt kaum ein paar Fragen, und da diese zufällig etwas betrafen, was ich wußte, so konnte ich sie genügend beantworten. Endlich - endlich waren die bangen Stunden verflossen und die Lehrer zogen sich in das Berathungszimmer zurück. Nun wurde die kleine Pause, in der wir uns selbst überlassen blieben, mit verlegenem Lächeln und tief aus der Brust geholten Seufzern aufgefüllt; zu einem Scherze fühlte sich niemand aufgelegt: denn noch hing das Damokles-Schwert der möglichen Zurückweisung über unsern Häuptern. Nach nicht gar langer Zeit traten

Hauptgrundsatz nicht gegenwärtig war, daß an die Stelle der Multiplication und Division die Addition und Subtraktion trete. Zum Glücke war Lehmann mein Nachbar; ich schob ihm unter dem Tische ein Zettelchen mit einer Anfrage zu, und seine kurze Antwort rief mir schnell das rechte Verständniß zurück.

Mehrere Wochen nachher erfolgte das mündliche Examen, vor dem die Furcht noch viel ärger war, als vor dem schriftlichen: denn was konnte nicht alles aus der unermeßlichen Menge des Wißbaren gefragt werden! Das ganze Lehrerpersonale von Prima, der Direktor Bellermann an der Spitze, versammelte sich feierlich im großen Hörsaale, und die 18 unglücklichen, zu befragenden Schlachtopfer nahmen auf zwei langen Bänken im Vordergrunde Platz. Als Primus omnium war ich, wie schon bemerkt, auf das schlimmste gefaßt, und glaubte, man werde mich am schärfsten ins Gebet nehmen, daher kann ich noch jetzt an jene Stunden der Qual nicht ohne Herzklopfen denken. Allein es kam ganz anders als ich gefürchtet. Die Examinatoren hatten so viel mit den am Ende der langen Reihe Sitzenden zu thun, daß die obersten nur wenig beachtet wurden. Ich erhielt kaum ein paar Fragen, und da diese zufällig etwas betrafen, was ich wußte, so konnte ich sie genügend beantworten. Endlich – endlich waren die bangen Stunden verflossen und die Lehrer zogen sich in das Berathungszimmer zurück. Nun wurde die kleine Pause, in der wir uns selbst überlassen blieben, mit verlegenem Lächeln und tief aus der Brust geholten Seufzern aufgefüllt; zu einem Scherze fühlte sich niemand aufgelegt: denn noch hing das Damokles-Schwert der möglichen Zurückweisung über unsern Häuptern. Nach nicht gar langer Zeit traten

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[209/0217] Hauptgrundsatz nicht gegenwärtig war, daß an die Stelle der Multiplication und Division die Addition und Subtraktion trete. Zum Glücke war Lehmann mein Nachbar; ich schob ihm unter dem Tische ein Zettelchen mit einer Anfrage zu, und seine kurze Antwort rief mir schnell das rechte Verständniß zurück. Mehrere Wochen nachher erfolgte das mündliche Examen, vor dem die Furcht noch viel ärger war, als vor dem schriftlichen: denn was konnte nicht alles aus der unermeßlichen Menge des Wißbaren gefragt werden! Das ganze Lehrerpersonale von Prima, der Direktor Bellermann an der Spitze, versammelte sich feierlich im großen Hörsaale, und die 18 unglücklichen, zu befragenden Schlachtopfer nahmen auf zwei langen Bänken im Vordergrunde Platz. Als Primus omnium war ich, wie schon bemerkt, auf das schlimmste gefaßt, und glaubte, man werde mich am schärfsten ins Gebet nehmen, daher kann ich noch jetzt an jene Stunden der Qual nicht ohne Herzklopfen denken. Allein es kam ganz anders als ich gefürchtet. Die Examinatoren hatten so viel mit den am Ende der langen Reihe Sitzenden zu thun, daß die obersten nur wenig beachtet wurden. Ich erhielt kaum ein paar Fragen, und da diese zufällig etwas betrafen, was ich wußte, so konnte ich sie genügend beantworten. Endlich – endlich waren die bangen Stunden verflossen und die Lehrer zogen sich in das Berathungszimmer zurück. Nun wurde die kleine Pause, in der wir uns selbst überlassen blieben, mit verlegenem Lächeln und tief aus der Brust geholten Seufzern aufgefüllt; zu einem Scherze fühlte sich niemand aufgelegt: denn noch hing das Damokles-Schwert der möglichen Zurückweisung über unsern Häuptern. Nach nicht gar langer Zeit traten

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/217>, abgerufen am 24.11.2024.