Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].dafür soll er lange zappeln!" Eine solche Rache schien mir gar zu unedel, und ich ruhte nicht eher, als bis der furchtsame Gläubiger befriedigt war. Dies half im Grunde sehr wenig: denn Klein gehörte zu jener Klasse von Personen, die immerfort in Schulden stecken. Ich trieb die Gewissenhaftigkeit in dieser Hinsicht vielleicht zu weit, und war unschuldig genug, ihm einmal über seine zerfahrene Wirtschaft einige moralische Vorstellungen zu machen. Aber er lachte mich tüchtig aus wegen meiner Philisterei, und verglich das Schuldenmachen mit dem Jucken eines gelinden Ausschlages, der das angenehme Gefühl des Kratzens hervorruft. Bei Gelegenheit jener höflichen Adresse: an den Baron von Klein, erfuhren wir, daß einer von Kleins Vorfahren in der That adlig gewesen sei, aber in der französischen Revolution, wo alle Titel aufhörten, dieses Prädikat verloren habe. Sein Vater, ein wohlhabender Weinhändler in Köln, verarmte während der französischen Gewaltherrschaft, und verdiente zuletzt sein Brodt als Violinspieler an einem kleinen Theater. Unser Bernard war das einzige Kind aus erster Ehe; in einer zweiten Ehe folgten noch zwei Söhne und zwei Töchter. Kleins Jugenderinnerungen waren trübe, er sprach nicht gern davon. Als Knabe ward er von zwei frommen Tanten auf das strengste in allen Aeußerlichkeiten der katholischen Kirche auferzogen. Sie stellten ihm vor, daß es nichts höheres auf der Welt gebe, als Mönch oder Priester zu werden, und er fand eine große Befriedigung darin, alle Tage eine oder zwei Messen zu dienen. Allein bald ward er durch die Gespräche mit älteren Genossen und durch eignes Nachdenken auf die entgegengesetzte Seite hinübergeführt. Er verwarf alle dafür soll er lange zappeln!“ Eine solche Rache schien mir gar zu unedel, und ich ruhte nicht eher, als bis der furchtsame Gläubiger befriedigt war. Dies half im Grunde sehr wenig: denn Klein gehörte zu jener Klasse von Personen, die immerfort in Schulden stecken. Ich trieb die Gewissenhaftigkeit in dieser Hinsicht vielleicht zu weit, und war unschuldig genug, ihm einmal über seine zerfahrene Wirtschaft einige moralische Vorstellungen zu machen. Aber er lachte mich tüchtig aus wegen meiner Philisterei, und verglich das Schuldenmachen mit dem Jucken eines gelinden Ausschlages, der das angenehme Gefühl des Kratzens hervorruft. Bei Gelegenheit jener höflichen Adresse: an den Baron von Klein, erfuhren wir, daß einer von Kleins Vorfahren in der That adlig gewesen sei, aber in der französischen Revolution, wo alle Titel aufhörten, dieses Prädikat verloren habe. Sein Vater, ein wohlhabender Weinhändler in Köln, verarmte während der französischen Gewaltherrschaft, und verdiente zuletzt sein Brodt als Violinspieler an einem kleinen Theater. Unser Bernard war das einzige Kind aus erster Ehe; in einer zweiten Ehe folgten noch zwei Söhne und zwei Töchter. Kleins Jugenderinnerungen waren trübe, er sprach nicht gern davon. Als Knabe ward er von zwei frommen Tanten auf das strengste in allen Aeußerlichkeiten der katholischen Kirche auferzogen. Sie stellten ihm vor, daß es nichts höheres auf der Welt gebe, als Mönch oder Priester zu werden, und er fand eine große Befriedigung darin, alle Tage eine oder zwei Messen zu dienen. Allein bald ward er durch die Gespräche mit älteren Genossen und durch eignes Nachdenken auf die entgegengesetzte Seite hinübergeführt. Er verwarf alle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0206" n="198"/> dafür soll er lange zappeln!“ Eine solche Rache schien mir gar zu unedel, und ich ruhte nicht eher, als bis der furchtsame Gläubiger befriedigt war. Dies half im Grunde sehr wenig: denn Klein gehörte zu jener Klasse von Personen, die immerfort in Schulden stecken. Ich trieb die Gewissenhaftigkeit in dieser Hinsicht vielleicht zu weit, und war unschuldig genug, ihm einmal über seine zerfahrene Wirtschaft einige moralische Vorstellungen zu machen. Aber er lachte mich tüchtig aus wegen meiner Philisterei, und verglich das Schuldenmachen mit dem Jucken eines gelinden Ausschlages, der das angenehme Gefühl des Kratzens hervorruft. </p><lb/> <p>Bei Gelegenheit jener höflichen Adresse: an den Baron von Klein, erfuhren wir, daß einer von Kleins Vorfahren in der That adlig gewesen sei, aber in der französischen Revolution, wo alle Titel aufhörten, dieses Prädikat verloren habe. Sein Vater, ein wohlhabender Weinhändler in Köln, verarmte während der französischen Gewaltherrschaft, und verdiente zuletzt sein Brodt als Violinspieler an einem kleinen Theater. Unser Bernard war das einzige Kind aus erster Ehe; in einer zweiten Ehe folgten noch zwei Söhne und zwei Töchter. Kleins Jugenderinnerungen waren trübe, er sprach nicht gern davon. Als Knabe ward er von zwei frommen Tanten auf das strengste in allen Aeußerlichkeiten der katholischen Kirche auferzogen. Sie stellten ihm vor, daß es nichts höheres auf der Welt gebe, als Mönch oder Priester zu werden, und er fand eine große Befriedigung darin, alle Tage eine oder zwei Messen zu dienen. Allein bald ward er durch die Gespräche mit älteren Genossen und durch eignes Nachdenken auf die entgegengesetzte Seite hinübergeführt. Er verwarf alle </p> </div> </body> </text> </TEI> [198/0206]
dafür soll er lange zappeln!“ Eine solche Rache schien mir gar zu unedel, und ich ruhte nicht eher, als bis der furchtsame Gläubiger befriedigt war. Dies half im Grunde sehr wenig: denn Klein gehörte zu jener Klasse von Personen, die immerfort in Schulden stecken. Ich trieb die Gewissenhaftigkeit in dieser Hinsicht vielleicht zu weit, und war unschuldig genug, ihm einmal über seine zerfahrene Wirtschaft einige moralische Vorstellungen zu machen. Aber er lachte mich tüchtig aus wegen meiner Philisterei, und verglich das Schuldenmachen mit dem Jucken eines gelinden Ausschlages, der das angenehme Gefühl des Kratzens hervorruft.
Bei Gelegenheit jener höflichen Adresse: an den Baron von Klein, erfuhren wir, daß einer von Kleins Vorfahren in der That adlig gewesen sei, aber in der französischen Revolution, wo alle Titel aufhörten, dieses Prädikat verloren habe. Sein Vater, ein wohlhabender Weinhändler in Köln, verarmte während der französischen Gewaltherrschaft, und verdiente zuletzt sein Brodt als Violinspieler an einem kleinen Theater. Unser Bernard war das einzige Kind aus erster Ehe; in einer zweiten Ehe folgten noch zwei Söhne und zwei Töchter. Kleins Jugenderinnerungen waren trübe, er sprach nicht gern davon. Als Knabe ward er von zwei frommen Tanten auf das strengste in allen Aeußerlichkeiten der katholischen Kirche auferzogen. Sie stellten ihm vor, daß es nichts höheres auf der Welt gebe, als Mönch oder Priester zu werden, und er fand eine große Befriedigung darin, alle Tage eine oder zwei Messen zu dienen. Allein bald ward er durch die Gespräche mit älteren Genossen und durch eignes Nachdenken auf die entgegengesetzte Seite hinübergeführt. Er verwarf alle
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