Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].und wurde jetzt vom Staatskanzler Hardenberg beschäftigt, um die kaum begonnene Ablösung der bäuerlichen Verhältnisse zu betreiben. Von diesem hochwichtigen Thema war Scharnweber ganz erfüllt; er sprach darüber mit hinreißender Beredsamkeit, arbeitete die trefflichsten Denkschriften aus, und blieb unermüdlich im Kampfe gegen alle Hindernisse. Damals warb er eben um seine zweite Frau, eine überaus geistreiche Jugendfreundin von meiner Mutter und von Tante Jettchen. Dieser Roman war ein sehr complicirter, den ich niemals Lust hatte, nach den anschaulichen Erzählungen der Tante, der Vertrauten beider Theile, zu verfolgen. Annäherung und Abweisung, Verzweiflung und Versöhnung wechselten mit einander, bis zuletzt eine Verbindung glücklich zu Stande kam, der ein allerliebster Knabe George (der jetzige Landrath Scharnweber) entsproß. Obgleich sich nach und nach bei uns die Furcht verlor, daß meinem Vater durch irgend einen unheimlichen Besuch ein Leides geschehn werde, so hatten wir doch den Schmerz, ihn am Ende des Jahres 1816 auf einem langen Krankenlager zu sehn. Kurz vor Weihnachten ging er eines Vormittags über den Hof, wo gerade Holz gefahren wurde, stolperte über einen Kloben, fiel, und brach die rechte Kniescheibe. Onkel Kohlrausch kam wie gerufen gerade herbeigefahren, und besorgte sogleich einen Verband. Als ich von einem Spaziergange nach Hause kam, ward ich von der Unglückskunde heftig erschüttert, doch ich faßte mich bald, und ging mit klopfendem Herzen hinüber. Da fand ich den Kranken in seinem Bette ganz wohlgemuth sitzend, und mit der grösten Heiterkeit die näheren Umstände des Vorfalls erzählend. August erwies sich als und wurde jetzt vom Staatskanzler Hardenberg beschäftigt, um die kaum begonnene Ablösung der bäuerlichen Verhältnisse zu betreiben. Von diesem hochwichtigen Thema war Scharnweber ganz erfüllt; er sprach darüber mit hinreißender Beredsamkeit, arbeitete die trefflichsten Denkschriften aus, und blieb unermüdlich im Kampfe gegen alle Hindernisse. Damals warb er eben um seine zweite Frau, eine überaus geistreiche Jugendfreundin von meiner Mutter und von Tante Jettchen. Dieser Roman war ein sehr complicirter, den ich niemals Lust hatte, nach den anschaulichen Erzählungen der Tante, der Vertrauten beider Theile, zu verfolgen. Annäherung und Abweisung, Verzweiflung und Versöhnung wechselten mit einander, bis zuletzt eine Verbindung glücklich zu Stande kam, der ein allerliebster Knabe George (der jetzige Landrath Scharnweber) entsproß. Obgleich sich nach und nach bei uns die Furcht verlor, daß meinem Vater durch irgend einen unheimlichen Besuch ein Leides geschehn werde, so hatten wir doch den Schmerz, ihn am Ende des Jahres 1816 auf einem langen Krankenlager zu sehn. Kurz vor Weihnachten ging er eines Vormittags über den Hof, wo gerade Holz gefahren wurde, stolperte über einen Kloben, fiel, und brach die rechte Kniescheibe. Onkel Kohlrausch kam wie gerufen gerade herbeigefahren, und besorgte sogleich einen Verband. Als ich von einem Spaziergange nach Hause kam, ward ich von der Unglückskunde heftig erschüttert, doch ich faßte mich bald, und ging mit klopfendem Herzen hinüber. Da fand ich den Kranken in seinem Bette ganz wohlgemuth sitzend, und mit der grösten Heiterkeit die näheren Umstände des Vorfalls erzählend. August erwies sich als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0188" n="180"/> und wurde jetzt vom Staatskanzler Hardenberg beschäftigt, um die kaum begonnene Ablösung der bäuerlichen Verhältnisse zu betreiben. Von diesem hochwichtigen Thema war Scharnweber ganz erfüllt; er sprach darüber mit hinreißender Beredsamkeit, arbeitete die trefflichsten Denkschriften aus, und blieb unermüdlich im Kampfe gegen alle Hindernisse. Damals warb er eben um seine zweite Frau, eine überaus geistreiche Jugendfreundin von meiner Mutter und von Tante Jettchen. Dieser Roman war ein sehr complicirter, den ich niemals Lust hatte, nach den anschaulichen Erzählungen der Tante, der Vertrauten beider Theile, zu verfolgen. Annäherung und Abweisung, Verzweiflung und Versöhnung wechselten mit einander, bis zuletzt eine Verbindung glücklich zu Stande kam, der ein allerliebster Knabe George (der jetzige Landrath Scharnweber) entsproß. </p><lb/> <p>Obgleich sich nach und nach bei uns die Furcht verlor, daß meinem Vater durch irgend einen unheimlichen Besuch ein Leides geschehn werde, so hatten wir doch den Schmerz, ihn am Ende des Jahres 1816 auf einem langen Krankenlager zu sehn. Kurz vor Weihnachten ging er eines Vormittags über den Hof, wo gerade Holz gefahren wurde, stolperte über einen Kloben, fiel, und brach die rechte Kniescheibe. Onkel Kohlrausch kam wie gerufen gerade herbeigefahren, und besorgte sogleich einen Verband. Als ich von einem Spaziergange nach Hause kam, ward ich von der Unglückskunde heftig erschüttert, doch ich faßte mich bald, und ging mit klopfendem Herzen hinüber. Da fand ich den Kranken in seinem Bette ganz wohlgemuth sitzend, und mit der grösten Heiterkeit die näheren Umstände des Vorfalls erzählend. August erwies sich als </p> </div> </body> </text> </TEI> [180/0188]
und wurde jetzt vom Staatskanzler Hardenberg beschäftigt, um die kaum begonnene Ablösung der bäuerlichen Verhältnisse zu betreiben. Von diesem hochwichtigen Thema war Scharnweber ganz erfüllt; er sprach darüber mit hinreißender Beredsamkeit, arbeitete die trefflichsten Denkschriften aus, und blieb unermüdlich im Kampfe gegen alle Hindernisse. Damals warb er eben um seine zweite Frau, eine überaus geistreiche Jugendfreundin von meiner Mutter und von Tante Jettchen. Dieser Roman war ein sehr complicirter, den ich niemals Lust hatte, nach den anschaulichen Erzählungen der Tante, der Vertrauten beider Theile, zu verfolgen. Annäherung und Abweisung, Verzweiflung und Versöhnung wechselten mit einander, bis zuletzt eine Verbindung glücklich zu Stande kam, der ein allerliebster Knabe George (der jetzige Landrath Scharnweber) entsproß.
Obgleich sich nach und nach bei uns die Furcht verlor, daß meinem Vater durch irgend einen unheimlichen Besuch ein Leides geschehn werde, so hatten wir doch den Schmerz, ihn am Ende des Jahres 1816 auf einem langen Krankenlager zu sehn. Kurz vor Weihnachten ging er eines Vormittags über den Hof, wo gerade Holz gefahren wurde, stolperte über einen Kloben, fiel, und brach die rechte Kniescheibe. Onkel Kohlrausch kam wie gerufen gerade herbeigefahren, und besorgte sogleich einen Verband. Als ich von einem Spaziergange nach Hause kam, ward ich von der Unglückskunde heftig erschüttert, doch ich faßte mich bald, und ging mit klopfendem Herzen hinüber. Da fand ich den Kranken in seinem Bette ganz wohlgemuth sitzend, und mit der grösten Heiterkeit die näheren Umstände des Vorfalls erzählend. August erwies sich als
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/188>, abgerufen am 27.07.2024. |