Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].chen, Sie haben mich gerettet! Zur Erklärung dieser emphatischen Worte sagte mir mein Vater nachher, er habe ihm zu einer Reise nach Dresden Geld vorgeschossen. Der Baron von Oelsen, ein kurländischer Edelmann von feinen Sitten und gewinnendem Aeußeren, aber ein gewaltiger Enthusiast, empfand für meinen Vater eine wahrhaft abgöttische Verehrung, der er bei jeder Gelegenheit in den überschwänglichsten Worten Ausdruck gab. Seine junge Frau war von einer so auserlesenen Schönheit und von einem so wunderbaren Schmelz der Stimme, daß sie auf uns Kinder den Eindruck eines höheren Wesens machte. Mit dem Sohne Theodor hielt ich gute Kameradschaft, nachdem wir unsere Kräfte im Ringen tüchtig aneinander versucht. Der Vater Oelsen trat in die preußische diplomatische Laufbahn ein, und erhielt nach dem Frieden von 1815 den Gesandtschaftsposten in Dresden. Er blieb jedoch nicht lange in dieser Wirksamkeit, sondern mußte wegen Kränklichkeit seinen Abschied nehmen. Er starb auf seinem schönen Landgute Viethenitz. Theodor steht, soviel ich weis, noch jetzt im preußischen Staatsdienste. Ein anderes Mal fand ich den Staatsrath Scharnweber in Thränen gebadet neben meinem Vater auf dem Sopha sitzend. Verlegen wollte ich mich zurückziehn, aber Scharnweber rief mich selbst herbei, und begrüßte mich auf das freundlichste, indem er sich schluchzend die Augen trocknete. Als er fort war, sagte mein Vater mit bedauerndem Tone: das arme Thier ist verliebt! Dieser Staatsrath Scharnweber, eine hohe, ritterliche Gestalt, mit einer kräftigen, zum Herzen dringenden Stimme, mochte mich sehr gern, und gab mir dies oft zu erkennen. Er war, wie ich glaube, schwedischer Abkunft, hatte früher gedient, chen, Sie haben mich gerettet! Zur Erklärung dieser emphatischen Worte sagte mir mein Vater nachher, er habe ihm zu einer Reise nach Dresden Geld vorgeschossen. Der Baron von Oelsen, ein kurländischer Edelmann von feinen Sitten und gewinnendem Aeußeren, aber ein gewaltiger Enthusiast, empfand für meinen Vater eine wahrhaft abgöttische Verehrung, der er bei jeder Gelegenheit in den überschwänglichsten Worten Ausdruck gab. Seine junge Frau war von einer so auserlesenen Schönheit und von einem so wunderbaren Schmelz der Stimme, daß sie auf uns Kinder den Eindruck eines höheren Wesens machte. Mit dem Sohne Theodor hielt ich gute Kameradschaft, nachdem wir unsere Kräfte im Ringen tüchtig aneinander versucht. Der Vater Oelsen trat in die preußische diplomatische Laufbahn ein, und erhielt nach dem Frieden von 1815 den Gesandtschaftsposten in Dresden. Er blieb jedoch nicht lange in dieser Wirksamkeit, sondern mußte wegen Kränklichkeit seinen Abschied nehmen. Er starb auf seinem schönen Landgute Viethenitz. Theodor steht, soviel ich weis, noch jetzt im preußischen Staatsdienste. Ein anderes Mal fand ich den Staatsrath Scharnweber in Thränen gebadet neben meinem Vater auf dem Sopha sitzend. Verlegen wollte ich mich zurückziehn, aber Scharnweber rief mich selbst herbei, und begrüßte mich auf das freundlichste, indem er sich schluchzend die Augen trocknete. Als er fort war, sagte mein Vater mit bedauerndem Tone: das arme Thier ist verliebt! Dieser Staatsrath Scharnweber, eine hohe, ritterliche Gestalt, mit einer kräftigen, zum Herzen dringenden Stimme, mochte mich sehr gern, und gab mir dies oft zu erkennen. Er war, wie ich glaube, schwedischer Abkunft, hatte früher gedient, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0187" n="179"/> chen, Sie haben mich gerettet! Zur Erklärung dieser emphatischen Worte sagte mir mein Vater nachher, er habe ihm zu einer Reise nach Dresden Geld vorgeschossen. Der Baron von Oelsen, ein kurländischer Edelmann von feinen Sitten und gewinnendem Aeußeren, aber ein gewaltiger Enthusiast, empfand für meinen Vater eine wahrhaft abgöttische Verehrung, der er bei jeder Gelegenheit in den überschwänglichsten Worten Ausdruck gab. Seine junge Frau war von einer so auserlesenen Schönheit und von einem so wunderbaren Schmelz der Stimme, daß sie auf uns Kinder den Eindruck eines höheren Wesens machte. Mit dem Sohne Theodor hielt ich gute Kameradschaft, nachdem wir unsere Kräfte im Ringen tüchtig aneinander versucht. Der Vater Oelsen trat in die preußische diplomatische Laufbahn ein, und erhielt nach dem Frieden von 1815 den Gesandtschaftsposten in Dresden. Er blieb jedoch nicht lange in dieser Wirksamkeit, sondern mußte wegen Kränklichkeit seinen Abschied nehmen. Er starb auf seinem schönen Landgute Viethenitz. 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chen, Sie haben mich gerettet! Zur Erklärung dieser emphatischen Worte sagte mir mein Vater nachher, er habe ihm zu einer Reise nach Dresden Geld vorgeschossen. Der Baron von Oelsen, ein kurländischer Edelmann von feinen Sitten und gewinnendem Aeußeren, aber ein gewaltiger Enthusiast, empfand für meinen Vater eine wahrhaft abgöttische Verehrung, der er bei jeder Gelegenheit in den überschwänglichsten Worten Ausdruck gab. Seine junge Frau war von einer so auserlesenen Schönheit und von einem so wunderbaren Schmelz der Stimme, daß sie auf uns Kinder den Eindruck eines höheren Wesens machte. Mit dem Sohne Theodor hielt ich gute Kameradschaft, nachdem wir unsere Kräfte im Ringen tüchtig aneinander versucht. Der Vater Oelsen trat in die preußische diplomatische Laufbahn ein, und erhielt nach dem Frieden von 1815 den Gesandtschaftsposten in Dresden. Er blieb jedoch nicht lange in dieser Wirksamkeit, sondern mußte wegen Kränklichkeit seinen Abschied nehmen. Er starb auf seinem schönen Landgute Viethenitz. Theodor steht, soviel ich weis, noch jetzt im preußischen Staatsdienste.
Ein anderes Mal fand ich den Staatsrath Scharnweber in Thränen gebadet neben meinem Vater auf dem Sopha sitzend. Verlegen wollte ich mich zurückziehn, aber Scharnweber rief mich selbst herbei, und begrüßte mich auf das freundlichste, indem er sich schluchzend die Augen trocknete. Als er fort war, sagte mein Vater mit bedauerndem Tone: das arme Thier ist verliebt! Dieser Staatsrath Scharnweber, eine hohe, ritterliche Gestalt, mit einer kräftigen, zum Herzen dringenden Stimme, mochte mich sehr gern, und gab mir dies oft zu erkennen. Er war, wie ich glaube, schwedischer Abkunft, hatte früher gedient,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/187>, abgerufen am 26.07.2024. |