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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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bar, dem (mittlerweile zum Probste vorgerückten) Hanstein stattfand. Ein jüdischer Kaufmann, Namens Bloch aus Ostpreußen, gehörte zu den vielen, durch die napoleonische Kontinentalsperre geschädigten Personen. Man hatte ihm in Danzig seine englischen Waaren konfiszirt, er mußte liquidiren, und kam nach Berlin, um wo möglich, irgend eine Entschädigung zu erlangen. Dies führte ihn zum Grosvater Eichmann, der, obgleich pensionirt, im Finanzfache gut Bescheid wußte, und durch ihn kam Bloch in unser Haus. Unser weiter geselliger Kreis war bisher von Juden ganz rein geblieben, nicht etwa aus Religionshaß, der uns sehr fern lag, sondern weil die vorlaute Anmaaßung und die faden Witzeleien des jüdischen Gesellschaftstones, so wie die specifische nationale Atmosphäre uns anwiderten. Mit Bloch wurde eine Ausnahme gemacht, weil der Grosvater gern mit ihm sprach, und seine Unterhaltung etwas anregendes hatte. Er war in der deutschen Litteratur wohlbewandert und schwärmte für Göthe: er behauptete den Wilhelm Meister mehr als einmal gelesen zu haben. Eines Abends rief er eine lebhafte Controverse hervor, indem er den Satz aufstellte: der Mensch wirkt nur durch das was er ist, nicht durch das was er thut. Wir wollten diese Behauptung nicht gelten lassen, weil wir uns nicht des Schillerschen Ausspruches erinnerten:

Gemeine Naturen

Wirken durch das, was sie thun, edle durch das, was sie sind.

Später ist mir klar geworden, daß in letzter Instanz das Sein und das Thun sich decken müssen.

Bald führte Bloch ein Fräulein Leo als seine Braut

bar, dem (mittlerweile zum Probste vorgerückten) Hanstein stattfand. Ein jüdischer Kaufmann, Namens Bloch aus Ostpreußen, gehörte zu den vielen, durch die napoleonische Kontinentalsperre geschädigten Personen. Man hatte ihm in Danzig seine englischen Waaren konfiszirt, er mußte liquidiren, und kam nach Berlin, um wo möglich, irgend eine Entschädigung zu erlangen. Dies führte ihn zum Grosvater Eichmann, der, obgleich pensionirt, im Finanzfache gut Bescheid wußte, und durch ihn kam Bloch in unser Haus. Unser weiter geselliger Kreis war bisher von Juden ganz rein geblieben, nicht etwa aus Religionshaß, der uns sehr fern lag, sondern weil die vorlaute Anmaaßung und die faden Witzeleien des jüdischen Gesellschaftstones, so wie die specifische nationale Atmosphäre uns anwiderten. Mit Bloch wurde eine Ausnahme gemacht, weil der Grosvater gern mit ihm sprach, und seine Unterhaltung etwas anregendes hatte. Er war in der deutschen Litteratur wohlbewandert und schwärmte für Göthe: er behauptete den Wilhelm Meister mehr als einmal gelesen zu haben. Eines Abends rief er eine lebhafte Controverse hervor, indem er den Satz aufstellte: der Mensch wirkt nur durch das was er ist, nicht durch das was er thut. Wir wollten diese Behauptung nicht gelten lassen, weil wir uns nicht des Schillerschen Ausspruches erinnerten:

Gemeine Naturen

Wirken durch das, was sie thun, edle durch das, was sie sind.

Später ist mir klar geworden, daß in letzter Instanz das Sein und das Thun sich decken müssen.

Bald führte Bloch ein Fräulein Leo als seine Braut

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[172/0180] bar, dem (mittlerweile zum Probste vorgerückten) Hanstein stattfand. Ein jüdischer Kaufmann, Namens Bloch aus Ostpreußen, gehörte zu den vielen, durch die napoleonische Kontinentalsperre geschädigten Personen. Man hatte ihm in Danzig seine englischen Waaren konfiszirt, er mußte liquidiren, und kam nach Berlin, um wo möglich, irgend eine Entschädigung zu erlangen. Dies führte ihn zum Grosvater Eichmann, der, obgleich pensionirt, im Finanzfache gut Bescheid wußte, und durch ihn kam Bloch in unser Haus. Unser weiter geselliger Kreis war bisher von Juden ganz rein geblieben, nicht etwa aus Religionshaß, der uns sehr fern lag, sondern weil die vorlaute Anmaaßung und die faden Witzeleien des jüdischen Gesellschaftstones, so wie die specifische nationale Atmosphäre uns anwiderten. Mit Bloch wurde eine Ausnahme gemacht, weil der Grosvater gern mit ihm sprach, und seine Unterhaltung etwas anregendes hatte. Er war in der deutschen Litteratur wohlbewandert und schwärmte für Göthe: er behauptete den Wilhelm Meister mehr als einmal gelesen zu haben. Eines Abends rief er eine lebhafte Controverse hervor, indem er den Satz aufstellte: der Mensch wirkt nur durch das was er ist, nicht durch das was er thut. Wir wollten diese Behauptung nicht gelten lassen, weil wir uns nicht des Schillerschen Ausspruches erinnerten: Gemeine Naturen Wirken durch das, was sie thun, edle durch das, was sie sind. Später ist mir klar geworden, daß in letzter Instanz das Sein und das Thun sich decken müssen. Bald führte Bloch ein Fräulein Leo als seine Braut

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/180>, abgerufen am 24.11.2024.