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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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gekreuzigt? Ich half mir, so gut ich konnte, mit dem unendlich guten Willen, der aus jedem Worte Christi hervorleuchtet, konnte aber Pauls formellen Beweis nicht entkräften. Zuletzt dachte ich ihn durch die Gegenfrage zu schlagen: ob er glaube, daß die Athener den Sokrates mit Recht hingerichtet? Nach einigem Zögern erklärte er, der platonische Sokrates habe zwar nichts gegen die athenischen Landesgesetze gethan, aber da wir die Prozeßakten nicht mehr besäßen, so sei der Fall schwer zu entscheiden.

Wir beide hatten mit großem Interesse Buttmanns geistreiche Abhandlung: Herakles, gelesen, worin er eine bis ins Einzelne gehende Parallele zwischen dem Mythus des Herakles und dem Leben Christi zieht. Ich bewunderte daran die große Kunst, über ein so kitzliches Thema nicht ein Wort zu viel oder zu wenig auszusprechen, Paul meinte aber das ganze Leben Christi als Mythus über Bord werfen zu können, und anticipirte so die Ansicht von David Strauß. Dies focht mich weiter gar nicht an, sondern ich fragte Paul, ob in diesem Falle auch nur ein Titelchen von dem sittlichen Inhalte des Vaterunsers oder der Bergpredigt über Bord gehn würde?

Paul hatte mir oft von einem Werke erzählt, das er in der Nicolaischen Bibliothek gefunden und eifrig studirt hatte. Es führte den Titel: Salomonische Nächte 1. Theil. Der Autor war nicht genannt; erst viele Jahre später erfuhr ich, daß es der bekannte Novellenschreiber Zschokke sei. Dieses kleine Büchlein, sagte Paul, habe in seinen religiösen Ueberzeugungen einen gewaltigen Umschwung hervorgebracht; er wünsche nichts mehr, als den zweiten Theil zu erhalten, worin die Lösung so manches Wider-

gekreuzigt? Ich half mir, so gut ich konnte, mit dem unendlich guten Willen, der aus jedem Worte Christi hervorleuchtet, konnte aber Pauls formellen Beweis nicht entkräften. Zuletzt dachte ich ihn durch die Gegenfrage zu schlagen: ob er glaube, daß die Athener den Sokrates mit Recht hingerichtet? Nach einigem Zögern erklärte er, der platonische Sokrates habe zwar nichts gegen die athenischen Landesgesetze gethan, aber da wir die Prozeßakten nicht mehr besäßen, so sei der Fall schwer zu entscheiden.

Wir beide hatten mit großem Interesse Buttmanns geistreiche Abhandlung: Herakles, gelesen, worin er eine bis ins Einzelne gehende Parallele zwischen dem Mythus des Herakles und dem Leben Christi zieht. Ich bewunderte daran die große Kunst, über ein so kitzliches Thema nicht ein Wort zu viel oder zu wenig auszusprechen, Paul meinte aber das ganze Leben Christi als Mythus über Bord werfen zu können, und anticipirte so die Ansicht von David Strauß. Dies focht mich weiter gar nicht an, sondern ich fragte Paul, ob in diesem Falle auch nur ein Titelchen von dem sittlichen Inhalte des Vaterunsers oder der Bergpredigt über Bord gehn würde?

Paul hatte mir oft von einem Werke erzählt, das er in der Nicolaischen Bibliothek gefunden und eifrig studirt hatte. Es führte den Titel: Salomonische Nächte 1. Theil. Der Autor war nicht genannt; erst viele Jahre später erfuhr ich, daß es der bekannte Novellenschreiber Zschokke sei. Dieses kleine Büchlein, sagte Paul, habe in seinen religiösen Ueberzeugungen einen gewaltigen Umschwung hervorgebracht; er wünsche nichts mehr, als den zweiten Theil zu erhalten, worin die Lösung so manches Wider-

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[167/0175] gekreuzigt? Ich half mir, so gut ich konnte, mit dem unendlich guten Willen, der aus jedem Worte Christi hervorleuchtet, konnte aber Pauls formellen Beweis nicht entkräften. Zuletzt dachte ich ihn durch die Gegenfrage zu schlagen: ob er glaube, daß die Athener den Sokrates mit Recht hingerichtet? Nach einigem Zögern erklärte er, der platonische Sokrates habe zwar nichts gegen die athenischen Landesgesetze gethan, aber da wir die Prozeßakten nicht mehr besäßen, so sei der Fall schwer zu entscheiden. Wir beide hatten mit großem Interesse Buttmanns geistreiche Abhandlung: Herakles, gelesen, worin er eine bis ins Einzelne gehende Parallele zwischen dem Mythus des Herakles und dem Leben Christi zieht. Ich bewunderte daran die große Kunst, über ein so kitzliches Thema nicht ein Wort zu viel oder zu wenig auszusprechen, Paul meinte aber das ganze Leben Christi als Mythus über Bord werfen zu können, und anticipirte so die Ansicht von David Strauß. Dies focht mich weiter gar nicht an, sondern ich fragte Paul, ob in diesem Falle auch nur ein Titelchen von dem sittlichen Inhalte des Vaterunsers oder der Bergpredigt über Bord gehn würde? Paul hatte mir oft von einem Werke erzählt, das er in der Nicolaischen Bibliothek gefunden und eifrig studirt hatte. Es führte den Titel: Salomonische Nächte 1. Theil. Der Autor war nicht genannt; erst viele Jahre später erfuhr ich, daß es der bekannte Novellenschreiber Zschokke sei. Dieses kleine Büchlein, sagte Paul, habe in seinen religiösen Ueberzeugungen einen gewaltigen Umschwung hervorgebracht; er wünsche nichts mehr, als den zweiten Theil zu erhalten, worin die Lösung so manches Wider-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/175>, abgerufen am 22.11.2024.