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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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schloß mich mit voller Seele an den reinen sittlichen Karakter des um etwa sechs Jahre älteren Mannes. Doch ließ sich unschwer bemerken, daß alle jene Schätze des Wissens von keinem fruchtbaren Geiste beseelt waren. Was half es, die Bibel, den Platon, den Milton immer von neuem durchzulesen, um immer nur Citate daraus anzuführen? Paul hatte einen eben so großen Respekt als ich vor Abekens immenser Belesenheit, aber er rügte mit Recht seine Unthätigkeit. Er behauptete nicht ohne Grund, unser Freund habe sich durch übermäßige geistige Schwelgerei um alle produktive Kraft gebracht. In Jena habe er zwar als Doctorandus mit Erfolg disputirt, sei aber die Doctordissertation schuldig geblieben, und während die andern Gymnasiallehrer irgend ein Specialfach der Philologie zum Weiterstudium sich auswählten, so bleibe Abeken dabei stehn, die Meisterwerke aller Litteraturen zu verschlingen, um einzelne Stellen daraus, mit gewissen stereotypen Redensarten versehn, im Gespräche wieder anzuführen.

Für uns beide, für Paul und mich hatte die litterarische Thätigkeit von Jugend auf den grösten Reiz, und wir überlegten oft, was wir nicht alles, mit Abekens brachliegender Gelehrsamkeit ausgerüstet, unternehmen würden. Wir nahmen schon früh im Schriftstellern die ungeschicktesten Anläufe. In Secunda wurde eine metrische Uebersetzung von Virgils Eklogen angefangen, aber sie blieb liegen. In Prima erklärte Professor Köpke meine metrische Uebertragung des Tibull für die beste, und nun sollte der ganze Tibull herausgegeben werden, aber hier vereitelte der Anblick der metrisch vollendeten Vossischen Arbeit den löblichen Vorsatz.

schloß mich mit voller Seele an den reinen sittlichen Karakter des um etwa sechs Jahre älteren Mannes. Doch ließ sich unschwer bemerken, daß alle jene Schätze des Wissens von keinem fruchtbaren Geiste beseelt waren. Was half es, die Bibel, den Platon, den Milton immer von neuem durchzulesen, um immer nur Citate daraus anzuführen? Paul hatte einen eben so großen Respekt als ich vor Abekens immenser Belesenheit, aber er rügte mit Recht seine Unthätigkeit. Er behauptete nicht ohne Grund, unser Freund habe sich durch übermäßige geistige Schwelgerei um alle produktive Kraft gebracht. In Jena habe er zwar als Doctorandus mit Erfolg disputirt, sei aber die Doctordissertation schuldig geblieben, und während die andern Gymnasiallehrer irgend ein Specialfach der Philologie zum Weiterstudium sich auswählten, so bleibe Abeken dabei stehn, die Meisterwerke aller Litteraturen zu verschlingen, um einzelne Stellen daraus, mit gewissen stereotypen Redensarten versehn, im Gespräche wieder anzuführen.

Für uns beide, für Paul und mich hatte die litterarische Thätigkeit von Jugend auf den grösten Reiz, und wir überlegten oft, was wir nicht alles, mit Abekens brachliegender Gelehrsamkeit ausgerüstet, unternehmen würden. Wir nahmen schon früh im Schriftstellern die ungeschicktesten Anläufe. In Secunda wurde eine metrische Uebersetzung von Virgils Eklogen angefangen, aber sie blieb liegen. In Prima erklärte Professor Köpke meine metrische Uebertragung des Tibull für die beste, und nun sollte der ganze Tibull herausgegeben werden, aber hier vereitelte der Anblick der metrisch vollendeten Vossischen Arbeit den löblichen Vorsatz.

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schloß mich mit voller Seele an den reinen sittlichen Karakter des um etwa sechs Jahre älteren Mannes. Doch ließ sich unschwer bemerken, daß alle jene Schätze des Wissens von keinem fruchtbaren Geiste beseelt waren. Was half es, die Bibel, den Platon, den Milton immer von neuem durchzulesen, um immer nur Citate daraus anzuführen? Paul hatte einen eben so großen Respekt als ich vor Abekens immenser Belesenheit, aber er rügte mit Recht seine Unthätigkeit. Er behauptete nicht ohne Grund, unser Freund habe sich durch übermäßige geistige Schwelgerei um alle produktive Kraft gebracht. In Jena habe er zwar als Doctorandus mit Erfolg disputirt, sei aber die Doctordissertation schuldig geblieben, und während die andern Gymnasiallehrer irgend ein Specialfach der Philologie zum Weiterstudium sich auswählten, so bleibe Abeken dabei stehn, die Meisterwerke aller Litteraturen zu verschlingen, um einzelne Stellen daraus, mit gewissen stereotypen Redensarten versehn, im Gespräche wieder anzuführen. </p><lb/>
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[151/0159] schloß mich mit voller Seele an den reinen sittlichen Karakter des um etwa sechs Jahre älteren Mannes. Doch ließ sich unschwer bemerken, daß alle jene Schätze des Wissens von keinem fruchtbaren Geiste beseelt waren. Was half es, die Bibel, den Platon, den Milton immer von neuem durchzulesen, um immer nur Citate daraus anzuführen? Paul hatte einen eben so großen Respekt als ich vor Abekens immenser Belesenheit, aber er rügte mit Recht seine Unthätigkeit. Er behauptete nicht ohne Grund, unser Freund habe sich durch übermäßige geistige Schwelgerei um alle produktive Kraft gebracht. In Jena habe er zwar als Doctorandus mit Erfolg disputirt, sei aber die Doctordissertation schuldig geblieben, und während die andern Gymnasiallehrer irgend ein Specialfach der Philologie zum Weiterstudium sich auswählten, so bleibe Abeken dabei stehn, die Meisterwerke aller Litteraturen zu verschlingen, um einzelne Stellen daraus, mit gewissen stereotypen Redensarten versehn, im Gespräche wieder anzuführen. Für uns beide, für Paul und mich hatte die litterarische Thätigkeit von Jugend auf den grösten Reiz, und wir überlegten oft, was wir nicht alles, mit Abekens brachliegender Gelehrsamkeit ausgerüstet, unternehmen würden. Wir nahmen schon früh im Schriftstellern die ungeschicktesten Anläufe. In Secunda wurde eine metrische Uebersetzung von Virgils Eklogen angefangen, aber sie blieb liegen. In Prima erklärte Professor Köpke meine metrische Uebertragung des Tibull für die beste, und nun sollte der ganze Tibull herausgegeben werden, aber hier vereitelte der Anblick der metrisch vollendeten Vossischen Arbeit den löblichen Vorsatz.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/159>, abgerufen am 23.11.2024.