Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].gelische Union ganz in die Ideen des Königs ein, welcher auch bei dem Geschäftsträger Bunsen in Rom denselben religiösen Eifer gefunden. So trat der seltne Fall ein, daß ein Kriegsmann und ein Diplomat die Agende für die evangelische Kirche ausarbeiteten, ohne daß der Kultusminister von Altenstein darum gefragt ward. Eine sehr angenehme Bekanntschaft machten wir an dem Staatsrathe von Klüber, dem Geschichtschreiber des Deutschen Bundestages in Frankfurt a. M. Nach kurzer Zeit brachte er uns seinen Sohn, einen bildschönen jungen Mann von den edelsten Zügen, aber von so intensiv gelber Gesichtsfarbe, daß man ihn für einen Mulatten halten konnte. Das war er denn auch theilweise, da sein Vater eine Kreolin geheirathet hatte. Aus Klübers lebhaften politischen Gesprächen mit dem Grosvater Eichmann hätte ich manches lernen können, wenn die Entstehung und die Organisation des Deutschen Bundes irgend eine Anziehung für mich gehabt hätten. Indessen konnte ich doch soviel bemerken, daß die beiden alten Herren über die Nothwendigkeit des Bundes einverstanden waren, nur hielt der Grosvater ihn für ein sehr arges pis aller, Klüber dagegen für die zwar unvollkomne, aber einzig mögliche Art des deutschen Zusammenhaltens. Als mein Vater den Verlag von Savignys und Göschens juristischer Zeitschrift übernommen, sahen wir die beiden berühmten Herausgeber viel in unserm Hause. Die jungen Leute wurden mehr von Göschens gewinnender Freundlichkeit, als von Savignys vornehmer Herablassung angezogen. Mit seinen kurländischen Freunden blieb mein Vater im lebhaften Briefwechsel; deshalb wurden ihm viele Kur- gelische Union ganz in die Ideen des Königs ein, welcher auch bei dem Geschäftsträger Bunsen in Rom denselben religiösen Eifer gefunden. So trat der seltne Fall ein, daß ein Kriegsmann und ein Diplomat die Agende für die evangelische Kirche ausarbeiteten, ohne daß der Kultusminister von Altenstein darum gefragt ward. Eine sehr angenehme Bekanntschaft machten wir an dem Staatsrathe von Klüber, dem Geschichtschreiber des Deutschen Bundestages in Frankfurt a. M. Nach kurzer Zeit brachte er uns seinen Sohn, einen bildschönen jungen Mann von den edelsten Zügen, aber von so intensiv gelber Gesichtsfarbe, daß man ihn für einen Mulatten halten konnte. Das war er denn auch theilweise, da sein Vater eine Kreolin geheirathet hatte. Aus Klübers lebhaften politischen Gesprächen mit dem Grosvater Eichmann hätte ich manches lernen können, wenn die Entstehung und die Organisation des Deutschen Bundes irgend eine Anziehung für mich gehabt hätten. Indessen konnte ich doch soviel bemerken, daß die beiden alten Herren über die Nothwendigkeit des Bundes einverstanden waren, nur hielt der Grosvater ihn für ein sehr arges pis aller, Klüber dagegen für die zwar unvollkomne, aber einzig mögliche Art des deutschen Zusammenhaltens. Als mein Vater den Verlag von Savignys und Göschens juristischer Zeitschrift übernommen, sahen wir die beiden berühmten Herausgeber viel in unserm Hause. Die jungen Leute wurden mehr von Göschens gewinnender Freundlichkeit, als von Savignys vornehmer Herablassung angezogen. Mit seinen kurländischen Freunden blieb mein Vater im lebhaften Briefwechsel; deshalb wurden ihm viele Kur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0152" n="144"/> gelische Union ganz in die Ideen des Königs ein, welcher auch bei dem Geschäftsträger Bunsen in Rom denselben religiösen Eifer gefunden. So trat der seltne Fall ein, daß ein Kriegsmann und ein Diplomat die Agende für die evangelische Kirche ausarbeiteten, ohne daß der Kultusminister von Altenstein darum gefragt ward. </p><lb/> <p>Eine sehr angenehme Bekanntschaft machten wir an dem Staatsrathe von Klüber, dem Geschichtschreiber des Deutschen Bundestages in Frankfurt a. M. Nach kurzer Zeit brachte er uns seinen Sohn, einen bildschönen jungen Mann von den edelsten Zügen, aber von so intensiv gelber Gesichtsfarbe, daß man ihn für einen Mulatten halten konnte. Das war er denn auch theilweise, da sein Vater eine Kreolin geheirathet hatte. Aus Klübers lebhaften politischen Gesprächen mit dem Grosvater Eichmann hätte ich manches lernen können, wenn die Entstehung und die Organisation des Deutschen Bundes irgend eine Anziehung für mich gehabt hätten. Indessen konnte ich doch soviel bemerken, daß die beiden alten Herren über die Nothwendigkeit des Bundes einverstanden waren, nur hielt der Grosvater ihn für ein sehr arges pis aller, Klüber dagegen für die zwar unvollkomne, aber einzig mögliche Art des deutschen Zusammenhaltens. </p><lb/> <p>Als mein Vater den Verlag von Savignys und Göschens juristischer Zeitschrift übernommen, sahen wir die beiden berühmten Herausgeber viel in unserm Hause. Die jungen Leute wurden mehr von Göschens gewinnender Freundlichkeit, als von Savignys vornehmer Herablassung angezogen. </p><lb/> <p>Mit seinen kurländischen Freunden blieb mein Vater im lebhaften Briefwechsel; deshalb wurden ihm viele Kur- </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0152]
gelische Union ganz in die Ideen des Königs ein, welcher auch bei dem Geschäftsträger Bunsen in Rom denselben religiösen Eifer gefunden. So trat der seltne Fall ein, daß ein Kriegsmann und ein Diplomat die Agende für die evangelische Kirche ausarbeiteten, ohne daß der Kultusminister von Altenstein darum gefragt ward.
Eine sehr angenehme Bekanntschaft machten wir an dem Staatsrathe von Klüber, dem Geschichtschreiber des Deutschen Bundestages in Frankfurt a. M. Nach kurzer Zeit brachte er uns seinen Sohn, einen bildschönen jungen Mann von den edelsten Zügen, aber von so intensiv gelber Gesichtsfarbe, daß man ihn für einen Mulatten halten konnte. Das war er denn auch theilweise, da sein Vater eine Kreolin geheirathet hatte. Aus Klübers lebhaften politischen Gesprächen mit dem Grosvater Eichmann hätte ich manches lernen können, wenn die Entstehung und die Organisation des Deutschen Bundes irgend eine Anziehung für mich gehabt hätten. Indessen konnte ich doch soviel bemerken, daß die beiden alten Herren über die Nothwendigkeit des Bundes einverstanden waren, nur hielt der Grosvater ihn für ein sehr arges pis aller, Klüber dagegen für die zwar unvollkomne, aber einzig mögliche Art des deutschen Zusammenhaltens.
Als mein Vater den Verlag von Savignys und Göschens juristischer Zeitschrift übernommen, sahen wir die beiden berühmten Herausgeber viel in unserm Hause. Die jungen Leute wurden mehr von Göschens gewinnender Freundlichkeit, als von Savignys vornehmer Herablassung angezogen.
Mit seinen kurländischen Freunden blieb mein Vater im lebhaften Briefwechsel; deshalb wurden ihm viele Kur-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/152 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/152>, abgerufen am 16.02.2025. |