Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].er sich von Jugend auf geübt, und nachdem keiner seiner Kameraden mehr mit ihm wetteifern konnte, reiste er eigens nach Gotha, wo im Anfange unseres Jahrhunderts eine Läuferschule am herzoglichen Hofe bestand. Hier wandte sich Pfuel sogleich an den besten Läufer, bat um seinen Unterricht, und schlug zur Probe einen Wettlauf vor. Dazu war aber der vorsichtige Gothaner lange nicht zu bringen. Er erging sich in außerordentlich gelehrten Redensarten über das Laufen, er wußte genau, welche und wie lange Vorbereitungen man machen, wie man die Füße regelrecht auswerfen müsse, um einen Dauerlauf oder einen Schnelllauf auszuführen, er rühmte die von ihm verübten Fußthaten. Als er endlich den geforderten Wettlauf nicht mehr zurückweisen konnte, ward er auf die kläglichste Weise aus dem Felde geschlagen. Den alten freundlichen General-Major von Witzleben hatten wir mehrere Jahre in unserem Hause gesehn, als er eines Tages unvermuthet mit der Uniform des General-Lieutenants eintrat. Wir standen auf einem so freundschaftlichen Fuße, daß wir ihn laut jubelnd als "Excellenz" begrüßten, was er sich mit einer gewissen Befangenheit gefallen ließ. Später erfuhren wir die Ursache dieser unerwarteten Standeserhöhung. Sein Sohn, ein ausgezeichneter Offizier, hatte die Befreiungskriege mit durchgekämpft, und sich die besondere Freundschaft Friedrich Wilhelms III. erworben. Der König bestimmte ihn zum Kriegsminister, womit ja auch das Prädikat: Excellenz verbunden ist. Da schien es denn doch angemessen, dem alten ehrwürdigen Vater dieselbe Ehre zu erweisen, damit künftig der Sohn nicht über dem Vater rangire. Der jüngere Witzleben ging in Bezug auf die evan- er sich von Jugend auf geübt, und nachdem keiner seiner Kameraden mehr mit ihm wetteifern konnte, reiste er eigens nach Gotha, wo im Anfange unseres Jahrhunderts eine Läuferschule am herzoglichen Hofe bestand. Hier wandte sich Pfuel sogleich an den besten Läufer, bat um seinen Unterricht, und schlug zur Probe einen Wettlauf vor. Dazu war aber der vorsichtige Gothaner lange nicht zu bringen. Er erging sich in außerordentlich gelehrten Redensarten über das Laufen, er wußte genau, welche und wie lange Vorbereitungen man machen, wie man die Füße regelrecht auswerfen müsse, um einen Dauerlauf oder einen Schnelllauf auszuführen, er rühmte die von ihm verübten Fußthaten. Als er endlich den geforderten Wettlauf nicht mehr zurückweisen konnte, ward er auf die kläglichste Weise aus dem Felde geschlagen. Den alten freundlichen General-Major von Witzleben hatten wir mehrere Jahre in unserem Hause gesehn, als er eines Tages unvermuthet mit der Uniform des General-Lieutenants eintrat. Wir standen auf einem so freundschaftlichen Fuße, daß wir ihn laut jubelnd als „Excellenz“ begrüßten, was er sich mit einer gewissen Befangenheit gefallen ließ. Später erfuhren wir die Ursache dieser unerwarteten Standeserhöhung. Sein Sohn, ein ausgezeichneter Offizier, hatte die Befreiungskriege mit durchgekämpft, und sich die besondere Freundschaft Friedrich Wilhelms III. erworben. Der König bestimmte ihn zum Kriegsminister, womit ja auch das Prädikat: Excellenz verbunden ist. Da schien es denn doch angemessen, dem alten ehrwürdigen Vater dieselbe Ehre zu erweisen, damit künftig der Sohn nicht über dem Vater rangire. Der jüngere Witzleben ging in Bezug auf die evan- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="143"/> er sich von Jugend auf geübt, und nachdem keiner seiner Kameraden mehr mit ihm wetteifern konnte, reiste er eigens nach Gotha, wo im Anfange unseres Jahrhunderts eine Läuferschule am herzoglichen Hofe bestand. Hier wandte sich Pfuel sogleich an den besten Läufer, bat um seinen Unterricht, und schlug zur Probe einen Wettlauf vor. Dazu war aber der vorsichtige Gothaner lange nicht zu bringen. Er erging sich in außerordentlich gelehrten Redensarten über das Laufen, er wußte genau, welche und wie lange Vorbereitungen man machen, wie man die Füße regelrecht auswerfen müsse, um einen Dauerlauf oder einen Schnelllauf auszuführen, er rühmte die von ihm verübten Fußthaten. Als er endlich den geforderten Wettlauf nicht mehr zurückweisen konnte, ward er auf die kläglichste Weise aus dem Felde geschlagen. </p><lb/> <p>Den alten freundlichen General-Major von Witzleben hatten wir mehrere Jahre in unserem Hause gesehn, als er eines Tages unvermuthet mit der Uniform des General-Lieutenants eintrat. Wir standen auf einem so freundschaftlichen Fuße, daß wir ihn laut jubelnd als „Excellenz“ begrüßten, was er sich mit einer gewissen Befangenheit gefallen ließ. Später erfuhren wir die Ursache dieser unerwarteten Standeserhöhung. Sein Sohn, ein ausgezeichneter Offizier, hatte die Befreiungskriege mit durchgekämpft, und sich die besondere Freundschaft Friedrich Wilhelms III. erworben. Der König bestimmte ihn zum Kriegsminister, womit ja auch das Prädikat: Excellenz verbunden ist. Da schien es denn doch angemessen, dem alten ehrwürdigen Vater dieselbe Ehre zu erweisen, damit künftig der Sohn nicht über dem Vater rangire. </p><lb/> <p>Der jüngere Witzleben ging in Bezug auf die evan- </p> </div> </body> </text> </TEI> [143/0151]
er sich von Jugend auf geübt, und nachdem keiner seiner Kameraden mehr mit ihm wetteifern konnte, reiste er eigens nach Gotha, wo im Anfange unseres Jahrhunderts eine Läuferschule am herzoglichen Hofe bestand. Hier wandte sich Pfuel sogleich an den besten Läufer, bat um seinen Unterricht, und schlug zur Probe einen Wettlauf vor. Dazu war aber der vorsichtige Gothaner lange nicht zu bringen. Er erging sich in außerordentlich gelehrten Redensarten über das Laufen, er wußte genau, welche und wie lange Vorbereitungen man machen, wie man die Füße regelrecht auswerfen müsse, um einen Dauerlauf oder einen Schnelllauf auszuführen, er rühmte die von ihm verübten Fußthaten. Als er endlich den geforderten Wettlauf nicht mehr zurückweisen konnte, ward er auf die kläglichste Weise aus dem Felde geschlagen.
Den alten freundlichen General-Major von Witzleben hatten wir mehrere Jahre in unserem Hause gesehn, als er eines Tages unvermuthet mit der Uniform des General-Lieutenants eintrat. Wir standen auf einem so freundschaftlichen Fuße, daß wir ihn laut jubelnd als „Excellenz“ begrüßten, was er sich mit einer gewissen Befangenheit gefallen ließ. Später erfuhren wir die Ursache dieser unerwarteten Standeserhöhung. Sein Sohn, ein ausgezeichneter Offizier, hatte die Befreiungskriege mit durchgekämpft, und sich die besondere Freundschaft Friedrich Wilhelms III. erworben. Der König bestimmte ihn zum Kriegsminister, womit ja auch das Prädikat: Excellenz verbunden ist. Da schien es denn doch angemessen, dem alten ehrwürdigen Vater dieselbe Ehre zu erweisen, damit künftig der Sohn nicht über dem Vater rangire.
Der jüngere Witzleben ging in Bezug auf die evan-
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