Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Der Eindruck des Monumentes wird dadurch im höchsten Grade beeinträchtigt. An der langen liegenden Figur des Königs, obgleich sie auch von Rauchs Meisterhand herrührt, ist es unmöglich, ein künstlerisches Interesse zu nehmen; die Soldatenstiefel mit den Sprungriemen sehen gar zu prosaisch unter dem ausgebreiteten Militärmantel hervor. Die eben so dürftigen als sentimentalen Fresken in der Aspis sollen von Friedrich Wilhelm IV. angegeben sein. Einen ganzen Winter verkehrte in unserem Hause Herr von Rodde, ein Enkel des berühmten Historikers Schlözer in Göttingen. Sein Vater hatte als immens reicher Kaufmann in Lübeck gelebt. Als er um Schlözers Tochter anhielt, die ihrem Vater zu Gefallen an der Göttinger Universität promovirt, und den philosophischen Doctorgrad erlangt hatte, bedang sich der umsichtige Schwiegervater, daß ihr ein unveräußerliches Leibgedinge von 4000 Mark Banco jährlich ausgesetzt werde. Der Schwiegersohn fühlte sich durch die Geringfügigkeit dieser Summe verletzt, und erhöhte sie aus freien Stücken auf 8000 Mark. Nicht lange darauf raubte die französische Revolution und die damit verbundene Handelstockung dem Herrn von Rodde sein ganzes Vermögen, und das unveräußerliche Leibgedinge seiner Frau diente ihm zur Sicherung seiner Existenz. Als der junge Herr von Rodde bei uns erschien, so gestanden die jungen und alten Damen sich unter einander, daß sie selten einen schöneren Mann gesehn, beklagten aber seine allzu große ernste Schweigsamkeit. Man kam ihm im Gespräch nicht näher, und doch hatte sein Umgang keineswegs etwas abstoßendes. Obgleich er bei uns so viel Musik hörte, so wußten wir doch nicht, ob er selbst musikalisch sei; er hatte sich nur immer in allge- Der Eindruck des Monumentes wird dadurch im höchsten Grade beeinträchtigt. An der langen liegenden Figur des Königs, obgleich sie auch von Rauchs Meisterhand herrührt, ist es unmöglich, ein künstlerisches Interesse zu nehmen; die Soldatenstiefel mit den Sprungriemen sehen gar zu prosaisch unter dem ausgebreiteten Militärmantel hervor. Die eben so dürftigen als sentimentalen Fresken in der Aspis sollen von Friedrich Wilhelm IV. angegeben sein. Einen ganzen Winter verkehrte in unserem Hause Herr von Rodde, ein Enkel des berühmten Historikers Schlözer in Göttingen. Sein Vater hatte als immens reicher Kaufmann in Lübeck gelebt. Als er um Schlözers Tochter anhielt, die ihrem Vater zu Gefallen an der Göttinger Universität promovirt, und den philosophischen Doctorgrad erlangt hatte, bedang sich der umsichtige Schwiegervater, daß ihr ein unveräußerliches Leibgedinge von 4000 Mark Banco jährlich ausgesetzt werde. Der Schwiegersohn fühlte sich durch die Geringfügigkeit dieser Summe verletzt, und erhöhte sie aus freien Stücken auf 8000 Mark. Nicht lange darauf raubte die französische Revolution und die damit verbundene Handelstockung dem Herrn von Rodde sein ganzes Vermögen, und das unveräußerliche Leibgedinge seiner Frau diente ihm zur Sicherung seiner Existenz. Als der junge Herr von Rodde bei uns erschien, so gestanden die jungen und alten Damen sich unter einander, daß sie selten einen schöneren Mann gesehn, beklagten aber seine allzu große ernste Schweigsamkeit. Man kam ihm im Gespräch nicht näher, und doch hatte sein Umgang keineswegs etwas abstoßendes. Obgleich er bei uns so viel Musik hörte, so wußten wir doch nicht, ob er selbst musikalisch sei; er hatte sich nur immer in allge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0148" n="140"/> Der Eindruck des Monumentes wird dadurch im höchsten Grade beeinträchtigt. An der langen liegenden Figur des Königs, obgleich sie auch von Rauchs Meisterhand herrührt, ist es unmöglich, ein künstlerisches Interesse zu nehmen; die Soldatenstiefel mit den Sprungriemen sehen gar zu prosaisch unter dem ausgebreiteten Militärmantel hervor. Die eben so dürftigen als sentimentalen Fresken in der Aspis sollen von Friedrich Wilhelm IV. angegeben sein. </p><lb/> <p>Einen ganzen Winter verkehrte in unserem Hause Herr von Rodde, ein Enkel des berühmten Historikers Schlözer in Göttingen. Sein Vater hatte als immens reicher Kaufmann in Lübeck gelebt. Als er um Schlözers Tochter anhielt, die ihrem Vater zu Gefallen an der Göttinger Universität promovirt, und den philosophischen Doctorgrad erlangt hatte, bedang sich der umsichtige Schwiegervater, daß ihr ein unveräußerliches Leibgedinge von 4000 Mark Banco jährlich ausgesetzt werde. Der Schwiegersohn fühlte sich durch die Geringfügigkeit dieser Summe verletzt, und erhöhte sie aus freien Stücken auf 8000 Mark. Nicht lange darauf raubte die französische Revolution und die damit verbundene Handelstockung dem Herrn von Rodde sein ganzes Vermögen, und das unveräußerliche Leibgedinge seiner Frau diente ihm zur Sicherung seiner Existenz. </p><lb/> <p>Als der junge Herr von Rodde bei uns erschien, so gestanden die jungen und alten Damen sich unter einander, daß sie selten einen schöneren Mann gesehn, beklagten aber seine allzu große ernste Schweigsamkeit. Man kam ihm im Gespräch nicht näher, und doch hatte sein Umgang keineswegs etwas abstoßendes. Obgleich er bei uns so viel Musik hörte, so wußten wir doch nicht, ob er selbst musikalisch sei; er hatte sich nur immer in allge- </p> </div> </body> </text> </TEI> [140/0148]
Der Eindruck des Monumentes wird dadurch im höchsten Grade beeinträchtigt. An der langen liegenden Figur des Königs, obgleich sie auch von Rauchs Meisterhand herrührt, ist es unmöglich, ein künstlerisches Interesse zu nehmen; die Soldatenstiefel mit den Sprungriemen sehen gar zu prosaisch unter dem ausgebreiteten Militärmantel hervor. Die eben so dürftigen als sentimentalen Fresken in der Aspis sollen von Friedrich Wilhelm IV. angegeben sein.
Einen ganzen Winter verkehrte in unserem Hause Herr von Rodde, ein Enkel des berühmten Historikers Schlözer in Göttingen. Sein Vater hatte als immens reicher Kaufmann in Lübeck gelebt. Als er um Schlözers Tochter anhielt, die ihrem Vater zu Gefallen an der Göttinger Universität promovirt, und den philosophischen Doctorgrad erlangt hatte, bedang sich der umsichtige Schwiegervater, daß ihr ein unveräußerliches Leibgedinge von 4000 Mark Banco jährlich ausgesetzt werde. Der Schwiegersohn fühlte sich durch die Geringfügigkeit dieser Summe verletzt, und erhöhte sie aus freien Stücken auf 8000 Mark. Nicht lange darauf raubte die französische Revolution und die damit verbundene Handelstockung dem Herrn von Rodde sein ganzes Vermögen, und das unveräußerliche Leibgedinge seiner Frau diente ihm zur Sicherung seiner Existenz.
Als der junge Herr von Rodde bei uns erschien, so gestanden die jungen und alten Damen sich unter einander, daß sie selten einen schöneren Mann gesehn, beklagten aber seine allzu große ernste Schweigsamkeit. Man kam ihm im Gespräch nicht näher, und doch hatte sein Umgang keineswegs etwas abstoßendes. Obgleich er bei uns so viel Musik hörte, so wußten wir doch nicht, ob er selbst musikalisch sei; er hatte sich nur immer in allge-
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