Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Herzen aufkeimte und wieder verschwand, wie ein versagter Tanz den tiefsten Schmerz hervorrief, und ein einziger stummer Blick unverhofft Freude erweckte, das entzieht sich der Erzählung; es kann nur durchgefühlt und durchgelebt, nicht beschrieben werden. Bei den meisten Besuchern unseres Hauses verstand es sich von selbst, daß sie, gegen Abend anlangend, unser einfaches Abendbrodt theilten. Meine Mutter hatte unter vielen andern auch die gute Eigenschaft, daß sie nie in Verlegenheit gerieth, wenn die Zahl der unvorhergesehenen Gäste manchmal eine besorgliche Höhe erreichte. Viele Freunde wurden auch zu Mittage eingeladen, wobei wir Kinder für unsere Lieblinge unsere Stimmen abgeben durften. Mein Vater verstand die Kunst des Gesellschaftgebens, indem er mit richtigem Takte nur solche Personen einlud, die zu einander paßten. Wohl hatte er manchmal den Grundsatz ausgesprochen, daß eine Tischgenossenschaft, um angenehm zu sein, nicht unter die Zahl der Grazien, und nicht über die Zahl der Musen gehn dürfe; aber diese Regel kam, je weiter der Kreis unserer Bekannten sich ausdehnte, immer seltner in Anwendung. Mit dem Grosvater Eichmann und dessen Familie, die recht oft kamen, waren wir schon 8 Personen, da wuchsen denn die Gesellschaften weit über die Zahl der Musen und der olympischen Götter, ja an den Musik- und Theaterabenden überstiegen sie die Zahl der athenischen Tyrannen, oder gar die der Danaiden. Ein günstiger Umstand war es, daß unsre großen Räume es erlaubten, bei der Zahl der Gäste nicht allzu ängstlich zu sein. Betagte Haus- Herzen aufkeimte und wieder verschwand, wie ein versagter Tanz den tiefsten Schmerz hervorrief, und ein einziger stummer Blick unverhofft Freude erweckte, das entzieht sich der Erzählung; es kann nur durchgefühlt und durchgelebt, nicht beschrieben werden. Bei den meisten Besuchern unseres Hauses verstand es sich von selbst, daß sie, gegen Abend anlangend, unser einfaches Abendbrodt theilten. Meine Mutter hatte unter vielen andern auch die gute Eigenschaft, daß sie nie in Verlegenheit gerieth, wenn die Zahl der unvorhergesehenen Gäste manchmal eine besorgliche Höhe erreichte. Viele Freunde wurden auch zu Mittage eingeladen, wobei wir Kinder für unsere Lieblinge unsere Stimmen abgeben durften. Mein Vater verstand die Kunst des Gesellschaftgebens, indem er mit richtigem Takte nur solche Personen einlud, die zu einander paßten. Wohl hatte er manchmal den Grundsatz ausgesprochen, daß eine Tischgenossenschaft, um angenehm zu sein, nicht unter die Zahl der Grazien, und nicht über die Zahl der Musen gehn dürfe; aber diese Regel kam, je weiter der Kreis unserer Bekannten sich ausdehnte, immer seltner in Anwendung. Mit dem Grosvater Eichmann und dessen Familie, die recht oft kamen, waren wir schon 8 Personen, da wuchsen denn die Gesellschaften weit über die Zahl der Musen und der olympischen Götter, ja an den Musik- und Theaterabenden überstiegen sie die Zahl der athenischen Tyrannen, oder gar die der Danaiden. Ein günstiger Umstand war es, daß unsre großen Räume es erlaubten, bei der Zahl der Gäste nicht allzu ängstlich zu sein. Betagte Haus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0142" n="134"/> Herzen aufkeimte und wieder verschwand, wie ein versagter Tanz den tiefsten Schmerz hervorrief, und ein einziger stummer Blick unverhofft Freude erweckte, das entzieht sich der Erzählung; es kann nur durchgefühlt und durchgelebt, nicht beschrieben werden. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Bei den meisten Besuchern unseres Hauses verstand es sich von selbst, daß sie, gegen Abend anlangend, unser einfaches Abendbrodt theilten. Meine Mutter hatte unter vielen andern auch die gute Eigenschaft, daß sie nie in Verlegenheit gerieth, wenn die Zahl der unvorhergesehenen Gäste manchmal eine besorgliche Höhe erreichte. Viele Freunde wurden auch zu Mittage eingeladen, wobei wir Kinder für unsere Lieblinge unsere Stimmen abgeben durften. Mein Vater verstand die Kunst des Gesellschaftgebens, indem er mit richtigem Takte nur solche Personen einlud, die zu einander paßten. Wohl hatte er manchmal den Grundsatz ausgesprochen, daß eine Tischgenossenschaft, um angenehm zu sein, nicht unter die Zahl der Grazien, und nicht über die Zahl der Musen gehn dürfe; aber diese Regel kam, je weiter der Kreis unserer Bekannten sich ausdehnte, immer seltner in Anwendung. Mit dem Grosvater Eichmann und dessen Familie, die recht oft kamen, waren wir schon 8 Personen, da wuchsen denn die Gesellschaften weit über die Zahl der Musen und der olympischen Götter, ja an den Musik- und Theaterabenden überstiegen sie die Zahl der athenischen Tyrannen, oder gar die der Danaiden. Ein günstiger Umstand war es, daß unsre großen Räume es erlaubten, bei der Zahl der Gäste nicht allzu ängstlich zu sein. Betagte Haus- </p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0142]
Herzen aufkeimte und wieder verschwand, wie ein versagter Tanz den tiefsten Schmerz hervorrief, und ein einziger stummer Blick unverhofft Freude erweckte, das entzieht sich der Erzählung; es kann nur durchgefühlt und durchgelebt, nicht beschrieben werden.
Bei den meisten Besuchern unseres Hauses verstand es sich von selbst, daß sie, gegen Abend anlangend, unser einfaches Abendbrodt theilten. Meine Mutter hatte unter vielen andern auch die gute Eigenschaft, daß sie nie in Verlegenheit gerieth, wenn die Zahl der unvorhergesehenen Gäste manchmal eine besorgliche Höhe erreichte. Viele Freunde wurden auch zu Mittage eingeladen, wobei wir Kinder für unsere Lieblinge unsere Stimmen abgeben durften. Mein Vater verstand die Kunst des Gesellschaftgebens, indem er mit richtigem Takte nur solche Personen einlud, die zu einander paßten. Wohl hatte er manchmal den Grundsatz ausgesprochen, daß eine Tischgenossenschaft, um angenehm zu sein, nicht unter die Zahl der Grazien, und nicht über die Zahl der Musen gehn dürfe; aber diese Regel kam, je weiter der Kreis unserer Bekannten sich ausdehnte, immer seltner in Anwendung. Mit dem Grosvater Eichmann und dessen Familie, die recht oft kamen, waren wir schon 8 Personen, da wuchsen denn die Gesellschaften weit über die Zahl der Musen und der olympischen Götter, ja an den Musik- und Theaterabenden überstiegen sie die Zahl der athenischen Tyrannen, oder gar die der Danaiden. Ein günstiger Umstand war es, daß unsre großen Räume es erlaubten, bei der Zahl der Gäste nicht allzu ängstlich zu sein. Betagte Haus-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/142>, abgerufen am 26.07.2024. |