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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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auch spendete, so hielt er doch strenge darauf, daß wir mit der einmal bestimmten Summe auskämen. Auch hätte ich es nimmermehr über das Herz gebracht, eine außerordentliche Beisteuer zu verlangen, obgleich ich darauf rechnen durfte, sie zu erhalten. Den Mangel an Kulissen klagten wir zufällig unserem Zeichenlehrer, Herrn Krämer, und er war gleich erbötig, wenn ein paar Pappendeckel vorhanden seien, uns selbst einige Hinter- und Seitenwände in Deckfarben malen zu lassen. Dies gab Veranlassung zu vielen, vielen vergnügten Stunden. In meinem großen Nußbaumschranke wurden mehrere Schubfächer zu einer förmlichen Malerwerkstatt eingerichtet. Angeriebene Farben waren damals noch nicht zu haben; es wurde ein gläserner Reibestein mit einem Läufer angeschafft, um die rohen Pigmente mit gehörigem Zusatz von aufgelöstem Gummi anwendbar zu machen. Wir lernten die Natur des braunen und gelben Ockers, des Berliner Blaus, des Karmins etc. kennen. Gebrannter Ruß gab das beste Schwarz, aber er verursachte manche Noth; die kleinen Fäßchen, in denen man ihn verkaufte, hatten selten einen festen Verschluß, und der leichte, flüchtige Schmutz gab die bösesten Flecken. Zur Aufbewahrung der geriebenen Farben gehörten eine Menge kleiner Töpfe, die wir unmöglich alle der Köchin entführen durften. Da war wieder guter Rath theuer, aber Fritz half uns aus der Noth. Er entdeckte in einem dunkeln Winkel der Speisekammer, in die er meiner Mutter gar zu gern nachfolgte, einen Haufen großer Kammmuscheln, die bei solennen Diners zum Anrichten der feinen Ragouts dienten. Von diesen wußte er eine Menge defekter Exemplare meiner guten Mutter abzuschmeicheln, und nun hatten wir Vorrath an Farben-

auch spendete, so hielt er doch strenge darauf, daß wir mit der einmal bestimmten Summe auskämen. Auch hätte ich es nimmermehr über das Herz gebracht, eine außerordentliche Beisteuer zu verlangen, obgleich ich darauf rechnen durfte, sie zu erhalten. Den Mangel an Kulissen klagten wir zufällig unserem Zeichenlehrer, Herrn Krämer, und er war gleich erbötig, wenn ein paar Pappendeckel vorhanden seien, uns selbst einige Hinter- und Seitenwände in Deckfarben malen zu lassen. Dies gab Veranlassung zu vielen, vielen vergnügten Stunden. In meinem großen Nußbaumschranke wurden mehrere Schubfächer zu einer förmlichen Malerwerkstatt eingerichtet. Angeriebene Farben waren damals noch nicht zu haben; es wurde ein gläserner Reibestein mit einem Läufer angeschafft, um die rohen Pigmente mit gehörigem Zusatz von aufgelöstem Gummi anwendbar zu machen. Wir lernten die Natur des braunen und gelben Ockers, des Berliner Blaus, des Karmins etc. kennen. Gebrannter Ruß gab das beste Schwarz, aber er verursachte manche Noth; die kleinen Fäßchen, in denen man ihn verkaufte, hatten selten einen festen Verschluß, und der leichte, flüchtige Schmutz gab die bösesten Flecken. Zur Aufbewahrung der geriebenen Farben gehörten eine Menge kleiner Töpfe, die wir unmöglich alle der Köchin entführen durften. Da war wieder guter Rath theuer, aber Fritz half uns aus der Noth. Er entdeckte in einem dunkeln Winkel der Speisekammer, in die er meiner Mutter gar zu gern nachfolgte, einen Haufen großer Kammmuscheln, die bei solennen Diners zum Anrichten der feinen Ragouts dienten. Von diesen wußte er eine Menge defekter Exemplare meiner guten Mutter abzuschmeicheln, und nun hatten wir Vorrath an Farben-

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[126/0134] auch spendete, so hielt er doch strenge darauf, daß wir mit der einmal bestimmten Summe auskämen. Auch hätte ich es nimmermehr über das Herz gebracht, eine außerordentliche Beisteuer zu verlangen, obgleich ich darauf rechnen durfte, sie zu erhalten. Den Mangel an Kulissen klagten wir zufällig unserem Zeichenlehrer, Herrn Krämer, und er war gleich erbötig, wenn ein paar Pappendeckel vorhanden seien, uns selbst einige Hinter- und Seitenwände in Deckfarben malen zu lassen. Dies gab Veranlassung zu vielen, vielen vergnügten Stunden. In meinem großen Nußbaumschranke wurden mehrere Schubfächer zu einer förmlichen Malerwerkstatt eingerichtet. Angeriebene Farben waren damals noch nicht zu haben; es wurde ein gläserner Reibestein mit einem Läufer angeschafft, um die rohen Pigmente mit gehörigem Zusatz von aufgelöstem Gummi anwendbar zu machen. Wir lernten die Natur des braunen und gelben Ockers, des Berliner Blaus, des Karmins etc. kennen. Gebrannter Ruß gab das beste Schwarz, aber er verursachte manche Noth; die kleinen Fäßchen, in denen man ihn verkaufte, hatten selten einen festen Verschluß, und der leichte, flüchtige Schmutz gab die bösesten Flecken. Zur Aufbewahrung der geriebenen Farben gehörten eine Menge kleiner Töpfe, die wir unmöglich alle der Köchin entführen durften. Da war wieder guter Rath theuer, aber Fritz half uns aus der Noth. Er entdeckte in einem dunkeln Winkel der Speisekammer, in die er meiner Mutter gar zu gern nachfolgte, einen Haufen großer Kammmuscheln, die bei solennen Diners zum Anrichten der feinen Ragouts dienten. Von diesen wußte er eine Menge defekter Exemplare meiner guten Mutter abzuschmeicheln, und nun hatten wir Vorrath an Farben-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/134>, abgerufen am 24.11.2024.