Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Großen experimentiren könne: denn weder Privatleute noch Regierungen seien im Stande, das Geld dazu herzugeben; einen fertig gebauten Saal umzubauen, sei um so mislicher, da man für den Erfolg der Aenderung nicht einstehn könne. Er notirte sich die Maaße des Saales an Länge, Breite und Höhe in sein Taschenbuch, fügte auch eine Zeichnung der schwachgewölbten Decke hinzu. Die musikalische Natur der Spinnen konnten wir im großen Garten recht oft beobachten. Ehe wir hinauszogen, wurde, wie sich das von selbst verstand, die ganze Wohnung gereinigt, und besonders der Gartensaal durch einen sogenannten Rauhkopf gesäubert. Dennoch ließen nicht alle Wintergäste sich daraus vertreiben. Sobald mein Vater die ersten vollen Akkorde auf dem Flügel anschlug, so konnte man beinahe gewiß sein, daß aus irgend einer Ecke eine Spinne in schnurgerader Linie auf das Instrument zulief. Andere ließen sich von der Decke herab und setzten sich auf den Flügel, andere kleinere, deren Spinnkraft nicht so weit reichte, genossen frei in der Luft schwebend, mit ausgestreckten acht Beinen, des süßen Klanges. Es dauerte im Frühjahre immer einige Zeit, bis diese ungebetenen Zuhörerinnen ganz vertilgt waren, und im Herbste fanden sie sich doch wieder ein, weil die auf der Terrasse stehenden beiden großen Linden ihre Zweige bis an die Saalthüren ausstreckten. Von den Quartetten erhoben wir uns endlich zur Aufführung ganzer Opern am Klavier. Es entspricht dies ungefähr dem Vorlesen eines Stückes mit vertheilten Rollen; man genießt der Dichtung und der Musik ohne alle theatralischen Zuthaten. Die bei uns thätigen Kräfte konnten auf alle Weise als ausgezeichnet betrachtet werden. Obenan Großen experimentiren könne: denn weder Privatleute noch Regierungen seien im Stande, das Geld dazu herzugeben; einen fertig gebauten Saal umzubauen, sei um so mislicher, da man für den Erfolg der Aenderung nicht einstehn könne. Er notirte sich die Maaße des Saales an Länge, Breite und Höhe in sein Taschenbuch, fügte auch eine Zeichnung der schwachgewölbten Decke hinzu. Die musikalische Natur der Spinnen konnten wir im großen Garten recht oft beobachten. Ehe wir hinauszogen, wurde, wie sich das von selbst verstand, die ganze Wohnung gereinigt, und besonders der Gartensaal durch einen sogenannten Rauhkopf gesäubert. Dennoch ließen nicht alle Wintergäste sich daraus vertreiben. Sobald mein Vater die ersten vollen Akkorde auf dem Flügel anschlug, so konnte man beinahe gewiß sein, daß aus irgend einer Ecke eine Spinne in schnurgerader Linie auf das Instrument zulief. Andere ließen sich von der Decke herab und setzten sich auf den Flügel, andere kleinere, deren Spinnkraft nicht so weit reichte, genossen frei in der Luft schwebend, mit ausgestreckten acht Beinen, des süßen Klanges. Es dauerte im Frühjahre immer einige Zeit, bis diese ungebetenen Zuhörerinnen ganz vertilgt waren, und im Herbste fanden sie sich doch wieder ein, weil die auf der Terrasse stehenden beiden großen Linden ihre Zweige bis an die Saalthüren ausstreckten. Von den Quartetten erhoben wir uns endlich zur Aufführung ganzer Opern am Klavier. Es entspricht dies ungefähr dem Vorlesen eines Stückes mit vertheilten Rollen; man genießt der Dichtung und der Musik ohne alle theatralischen Zuthaten. Die bei uns thätigen Kräfte konnten auf alle Weise als ausgezeichnet betrachtet werden. Obenan <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="118"/> Großen experimentiren könne: denn weder Privatleute noch Regierungen seien im Stande, das Geld dazu herzugeben; einen fertig gebauten Saal umzubauen, sei um so mislicher, da man für den Erfolg der Aenderung nicht einstehn könne. Er notirte sich die Maaße des Saales an Länge, Breite und Höhe in sein Taschenbuch, fügte auch eine Zeichnung der schwachgewölbten Decke hinzu. </p><lb/> <p>Die musikalische Natur der Spinnen konnten wir im großen Garten recht oft beobachten. Ehe wir hinauszogen, wurde, wie sich das von selbst verstand, die ganze Wohnung gereinigt, und besonders der Gartensaal durch einen sogenannten Rauhkopf gesäubert. Dennoch ließen nicht alle Wintergäste sich daraus vertreiben. Sobald mein Vater die ersten vollen Akkorde auf dem Flügel anschlug, so konnte man beinahe gewiß sein, daß aus irgend einer Ecke eine Spinne in schnurgerader Linie auf das Instrument zulief. Andere ließen sich von der Decke herab und setzten sich auf den Flügel, andere kleinere, deren Spinnkraft nicht so weit reichte, genossen frei in der Luft schwebend, mit ausgestreckten acht Beinen, des süßen Klanges. Es dauerte im Frühjahre immer einige Zeit, bis diese ungebetenen Zuhörerinnen ganz vertilgt waren, und im Herbste fanden sie sich doch wieder ein, weil die auf der Terrasse stehenden beiden großen Linden ihre Zweige bis an die Saalthüren ausstreckten. </p><lb/> <p>Von den Quartetten erhoben wir uns endlich zur Aufführung ganzer Opern am Klavier. Es entspricht dies ungefähr dem Vorlesen eines Stückes mit vertheilten Rollen; man genießt der Dichtung und der Musik ohne alle theatralischen Zuthaten. Die bei uns thätigen Kräfte konnten auf alle Weise als ausgezeichnet betrachtet werden. Obenan </p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0126]
Großen experimentiren könne: denn weder Privatleute noch Regierungen seien im Stande, das Geld dazu herzugeben; einen fertig gebauten Saal umzubauen, sei um so mislicher, da man für den Erfolg der Aenderung nicht einstehn könne. Er notirte sich die Maaße des Saales an Länge, Breite und Höhe in sein Taschenbuch, fügte auch eine Zeichnung der schwachgewölbten Decke hinzu.
Die musikalische Natur der Spinnen konnten wir im großen Garten recht oft beobachten. Ehe wir hinauszogen, wurde, wie sich das von selbst verstand, die ganze Wohnung gereinigt, und besonders der Gartensaal durch einen sogenannten Rauhkopf gesäubert. Dennoch ließen nicht alle Wintergäste sich daraus vertreiben. Sobald mein Vater die ersten vollen Akkorde auf dem Flügel anschlug, so konnte man beinahe gewiß sein, daß aus irgend einer Ecke eine Spinne in schnurgerader Linie auf das Instrument zulief. Andere ließen sich von der Decke herab und setzten sich auf den Flügel, andere kleinere, deren Spinnkraft nicht so weit reichte, genossen frei in der Luft schwebend, mit ausgestreckten acht Beinen, des süßen Klanges. Es dauerte im Frühjahre immer einige Zeit, bis diese ungebetenen Zuhörerinnen ganz vertilgt waren, und im Herbste fanden sie sich doch wieder ein, weil die auf der Terrasse stehenden beiden großen Linden ihre Zweige bis an die Saalthüren ausstreckten.
Von den Quartetten erhoben wir uns endlich zur Aufführung ganzer Opern am Klavier. Es entspricht dies ungefähr dem Vorlesen eines Stückes mit vertheilten Rollen; man genießt der Dichtung und der Musik ohne alle theatralischen Zuthaten. Die bei uns thätigen Kräfte konnten auf alle Weise als ausgezeichnet betrachtet werden. Obenan
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/126>, abgerufen am 26.07.2024. |