Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].verheirathet gewesen, und daß ihre beiden Männer die Flöte nicht hätten leiden können. Diese Uebereinstimmung mit dem Schicksale meines Vaters gab zu manchem Scherze Veranlassung. Nach der Abreise der Frau von Ehrenberg wanderte meines Vaters Flöte sehr bald in ihr braunledernes Futteral zurück, und kam seitdem fast gar nicht mehr zum Vorschein. Besonderes Vergnügen gewährten uns Kindern die Streichquartette, von denen mein Vater jeden Winter mehrere veranstaltete. Wir brauchten dabei nicht so still zu sitzen, wie in den Oratorien, und hatten uns mit keinem Textbuche zu quälen. Mein Vater lud zu den Quartetten die Virtuosen der königlichen Kapelle und einige geschickte Dilettanten. Unter den letzten gedenke ich gern des Herrn Kielmann, Disponenten des Schicklerschen Bankhauses. Sein schöner Ton auf dem Violoncello hatte ihn in allen musikalischen Kreisen berühmt gemacht. Sein Aeußres hatte etwas auffallendes: eine lange hagere Gestalt mit gebogener Nase und vorstehendem Kinne, von überraschender Gewandtheit in allen seinen Bewegungen. Geistreich und schlagfertig im Urtheil wußte er jede Unterhaltung zu beleben. Er war unverheirathet und verkehrte gern bei uns. Wenn mein Vater ihn mündlich zum "nächsten Sonntag Abend" einlud, was sehr oft geschah, so fragte Kielmann ganz ernsthaft: Soll ich meine Frau mitbringen? So nannte er sein Violoncello. Zwei Gebrüder Hansmann gehörten zu den immer gern gesehenen Gästen. Der älteste, von riesenhafter Größe, stand als erster Cellist bei der königlichen Kapelle. Sein Lehrer Duport wurde zur Zeit Friedrichs des Großen als eine der ersten Celebritäten auf dem Cello genannt verheirathet gewesen, und daß ihre beiden Männer die Flöte nicht hätten leiden können. Diese Uebereinstimmung mit dem Schicksale meines Vaters gab zu manchem Scherze Veranlassung. Nach der Abreise der Frau von Ehrenberg wanderte meines Vaters Flöte sehr bald in ihr braunledernes Futteral zurück, und kam seitdem fast gar nicht mehr zum Vorschein. Besonderes Vergnügen gewährten uns Kindern die Streichquartette, von denen mein Vater jeden Winter mehrere veranstaltete. Wir brauchten dabei nicht so still zu sitzen, wie in den Oratorien, und hatten uns mit keinem Textbuche zu quälen. Mein Vater lud zu den Quartetten die Virtuosen der königlichen Kapelle und einige geschickte Dilettanten. Unter den letzten gedenke ich gern des Herrn Kielmann, Disponenten des Schicklerschen Bankhauses. Sein schöner Ton auf dem Violoncello hatte ihn in allen musikalischen Kreisen berühmt gemacht. Sein Aeußres hatte etwas auffallendes: eine lange hagere Gestalt mit gebogener Nase und vorstehendem Kinne, von überraschender Gewandtheit in allen seinen Bewegungen. Geistreich und schlagfertig im Urtheil wußte er jede Unterhaltung zu beleben. Er war unverheirathet und verkehrte gern bei uns. Wenn mein Vater ihn mündlich zum „nächsten Sonntag Abend“ einlud, was sehr oft geschah, so fragte Kielmann ganz ernsthaft: Soll ich meine Frau mitbringen? So nannte er sein Violoncello. Zwei Gebrüder Hansmann gehörten zu den immer gern gesehenen Gästen. Der älteste, von riesenhafter Größe, stand als erster Cellist bei der königlichen Kapelle. Sein Lehrer Duport wurde zur Zeit Friedrichs des Großen als eine der ersten Celebritäten auf dem Cello genannt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="116"/> verheirathet gewesen, und daß ihre beiden Männer die Flöte nicht hätten leiden können. Diese Uebereinstimmung mit dem Schicksale meines Vaters gab zu manchem Scherze Veranlassung. 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Er war unverheirathet und verkehrte gern bei uns. Wenn mein Vater ihn mündlich zum „nächsten Sonntag Abend“ einlud, was sehr oft geschah, so fragte Kielmann ganz ernsthaft: Soll ich meine Frau mitbringen? So nannte er sein Violoncello. </p><lb/> <p>Zwei Gebrüder Hansmann gehörten zu den immer gern gesehenen Gästen. Der älteste, von riesenhafter Größe, stand als erster Cellist bei der königlichen Kapelle. Sein Lehrer Duport wurde zur Zeit Friedrichs des Großen als eine der ersten Celebritäten auf dem Cello genannt </p> </div> </body> </text> </TEI> [116/0124]
verheirathet gewesen, und daß ihre beiden Männer die Flöte nicht hätten leiden können. Diese Uebereinstimmung mit dem Schicksale meines Vaters gab zu manchem Scherze Veranlassung. Nach der Abreise der Frau von Ehrenberg wanderte meines Vaters Flöte sehr bald in ihr braunledernes Futteral zurück, und kam seitdem fast gar nicht mehr zum Vorschein.
Besonderes Vergnügen gewährten uns Kindern die Streichquartette, von denen mein Vater jeden Winter mehrere veranstaltete. Wir brauchten dabei nicht so still zu sitzen, wie in den Oratorien, und hatten uns mit keinem Textbuche zu quälen. Mein Vater lud zu den Quartetten die Virtuosen der königlichen Kapelle und einige geschickte Dilettanten. Unter den letzten gedenke ich gern des Herrn Kielmann, Disponenten des Schicklerschen Bankhauses. Sein schöner Ton auf dem Violoncello hatte ihn in allen musikalischen Kreisen berühmt gemacht. Sein Aeußres hatte etwas auffallendes: eine lange hagere Gestalt mit gebogener Nase und vorstehendem Kinne, von überraschender Gewandtheit in allen seinen Bewegungen. Geistreich und schlagfertig im Urtheil wußte er jede Unterhaltung zu beleben. Er war unverheirathet und verkehrte gern bei uns. Wenn mein Vater ihn mündlich zum „nächsten Sonntag Abend“ einlud, was sehr oft geschah, so fragte Kielmann ganz ernsthaft: Soll ich meine Frau mitbringen? So nannte er sein Violoncello.
Zwei Gebrüder Hansmann gehörten zu den immer gern gesehenen Gästen. Der älteste, von riesenhafter Größe, stand als erster Cellist bei der königlichen Kapelle. Sein Lehrer Duport wurde zur Zeit Friedrichs des Großen als eine der ersten Celebritäten auf dem Cello genannt
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