Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Kräften der Oper besetzt war, so erhielt es doch nur einen succes d'estime. Der Hoffmannschen Musik fehlte es nicht an Originalität, wohl aber an einer höheren künstlerischen Weihe. Die Kenner lobten daran die gelehrte Arbeit, tadelten aber die allzu häufigen chromatischen Gänge. Die Oper ging noch einige Male über die Bühne, um dann auf immer zu verschwinden. Im Jahre 1817 verbrannten mit dem Schauspielhause die Partitur und die Stimmen, so daß von dem Werke der beiden Freunde nichts als das Textbuch übrig blieb. Mein Vater erzählte dem Grafen Brühl so oft von den Hillerschen komischen Opern, die er in seiner Jugend unter des Komponisten Leitung in Leipzig gehört, daß der liebenswürdige Intendant beschloß, eine davon aufs neue vorzuführen. Er wählte dazu die Jagd, die ihrer Zeit des besten Rufes genoß. Die wohlausgestattete Aufführung machte uns das gröste Vergnügen, weil wir die meisten Stücke schon vom Klaviere des Vaters her kannten, auch war die Aufnahme beim größeren Publikum keine ungünstige, aber auf die Länge konnten die spielenden, kindlichen oft unbedeutenden Melodien und Rhythmen Hillers neben den rauschenden Spontinischen Kolossalmassen keinen Platz gewinnen. Höchst eigenthümlich war die Wirkung auf meinen Vater. Er lobte mit Einsicht was zu loben war, und hatte eine herzliche Freude an der Darstellung, aber nach und nach gewannen die Jugendeindrücke vom Jahre 1771 die Oberhand. Der Töffel, meinte er, sei doch in Leipzig viel komischer gewesen, das Röschen viel zärtlicher, der alte Dorfschulze viel gravitätischer, und so mäßig auch in Berlin die Instrumentirung eingerichtet war, so schien ihm die Beglei- Kräften der Oper besetzt war, so erhielt es doch nur einen succès d’estime. Der Hoffmannschen Musik fehlte es nicht an Originalität, wohl aber an einer höheren künstlerischen Weihe. Die Kenner lobten daran die gelehrte Arbeit, tadelten aber die allzu häufigen chromatischen Gänge. Die Oper ging noch einige Male über die Bühne, um dann auf immer zu verschwinden. Im Jahre 1817 verbrannten mit dem Schauspielhause die Partitur und die Stimmen, so daß von dem Werke der beiden Freunde nichts als das Textbuch übrig blieb. Mein Vater erzählte dem Grafen Brühl so oft von den Hillerschen komischen Opern, die er in seiner Jugend unter des Komponisten Leitung in Leipzig gehört, daß der liebenswürdige Intendant beschloß, eine davon aufs neue vorzuführen. Er wählte dazu die Jagd, die ihrer Zeit des besten Rufes genoß. Die wohlausgestattete Aufführung machte uns das gröste Vergnügen, weil wir die meisten Stücke schon vom Klaviere des Vaters her kannten, auch war die Aufnahme beim größeren Publikum keine ungünstige, aber auf die Länge konnten die spielenden, kindlichen oft unbedeutenden Melodien und Rhythmen Hillers neben den rauschenden Spontinischen Kolossalmassen keinen Platz gewinnen. Höchst eigenthümlich war die Wirkung auf meinen Vater. Er lobte mit Einsicht was zu loben war, und hatte eine herzliche Freude an der Darstellung, aber nach und nach gewannen die Jugendeindrücke vom Jahre 1771 die Oberhand. Der Töffel, meinte er, sei doch in Leipzig viel komischer gewesen, das Röschen viel zärtlicher, der alte Dorfschulze viel gravitätischer, und so mäßig auch in Berlin die Instrumentirung eingerichtet war, so schien ihm die Beglei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="110"/> Kräften der Oper besetzt war, so erhielt es doch nur einen succès d’estime. Der Hoffmannschen Musik fehlte es nicht an Originalität, wohl aber an einer höheren künstlerischen Weihe. Die Kenner lobten daran die gelehrte Arbeit, tadelten aber die allzu häufigen chromatischen Gänge. Die Oper ging noch einige Male über die Bühne, um dann auf immer zu verschwinden. Im Jahre 1817 verbrannten mit dem Schauspielhause die Partitur und die Stimmen, so daß von dem Werke der beiden Freunde nichts als das Textbuch übrig blieb. </p><lb/> <p>Mein Vater erzählte dem Grafen Brühl so oft von den Hillerschen komischen Opern, die er in seiner Jugend unter des Komponisten Leitung in Leipzig gehört, daß der liebenswürdige Intendant beschloß, eine davon aufs neue vorzuführen. Er wählte dazu die Jagd, die ihrer Zeit des besten Rufes genoß. Die wohlausgestattete Aufführung machte uns das gröste Vergnügen, weil wir die meisten Stücke schon vom Klaviere des Vaters her kannten, auch war die Aufnahme beim größeren Publikum keine ungünstige, aber auf die Länge konnten die spielenden, kindlichen oft unbedeutenden Melodien und Rhythmen Hillers neben den rauschenden Spontinischen Kolossalmassen keinen Platz gewinnen. Höchst eigenthümlich war die Wirkung auf meinen Vater. Er lobte mit Einsicht was zu loben war, und hatte eine herzliche Freude an der Darstellung, aber nach und nach gewannen die Jugendeindrücke vom Jahre 1771 die Oberhand. Der Töffel, meinte er, sei doch in Leipzig viel komischer gewesen, das Röschen viel zärtlicher, der alte Dorfschulze viel gravitätischer, und so mäßig auch in Berlin die Instrumentirung eingerichtet war, so schien ihm die Beglei- </p> </div> </body> </text> </TEI> [110/0118]
Kräften der Oper besetzt war, so erhielt es doch nur einen succès d’estime. Der Hoffmannschen Musik fehlte es nicht an Originalität, wohl aber an einer höheren künstlerischen Weihe. Die Kenner lobten daran die gelehrte Arbeit, tadelten aber die allzu häufigen chromatischen Gänge. Die Oper ging noch einige Male über die Bühne, um dann auf immer zu verschwinden. Im Jahre 1817 verbrannten mit dem Schauspielhause die Partitur und die Stimmen, so daß von dem Werke der beiden Freunde nichts als das Textbuch übrig blieb.
Mein Vater erzählte dem Grafen Brühl so oft von den Hillerschen komischen Opern, die er in seiner Jugend unter des Komponisten Leitung in Leipzig gehört, daß der liebenswürdige Intendant beschloß, eine davon aufs neue vorzuführen. Er wählte dazu die Jagd, die ihrer Zeit des besten Rufes genoß. Die wohlausgestattete Aufführung machte uns das gröste Vergnügen, weil wir die meisten Stücke schon vom Klaviere des Vaters her kannten, auch war die Aufnahme beim größeren Publikum keine ungünstige, aber auf die Länge konnten die spielenden, kindlichen oft unbedeutenden Melodien und Rhythmen Hillers neben den rauschenden Spontinischen Kolossalmassen keinen Platz gewinnen. Höchst eigenthümlich war die Wirkung auf meinen Vater. Er lobte mit Einsicht was zu loben war, und hatte eine herzliche Freude an der Darstellung, aber nach und nach gewannen die Jugendeindrücke vom Jahre 1771 die Oberhand. Der Töffel, meinte er, sei doch in Leipzig viel komischer gewesen, das Röschen viel zärtlicher, der alte Dorfschulze viel gravitätischer, und so mäßig auch in Berlin die Instrumentirung eingerichtet war, so schien ihm die Beglei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/118 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/118>, abgerufen am 26.07.2024. |