Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].unbärtigem Gesicht, in einen goldnen Schuppenpanzer gekleidet hervortrat, mit knickenden Knien die Bühne durchschritt, und im höchsten Diskant seine Arie anhob. Die Zumuthung an ein unbefangenes Gefühl war zu stark, diesen krähenden Kapaun für den Heldenjüngling Rinald gelten zu lassen. Wenig fehlte, so hätte die lebhafte Jugend ihrer Enttäuschung durch einige Unruhe Luft gemacht; doch Tombolinis treflicher Gesang ward nach Würden anerkannt; wenn man die Augen zudrückte, so glaubte man die beste Primadonna zu hören. Das Stück ging glücklich zu Ende, doch sprach sich die allgemeine Stimme so entschieden gegen diese musikalische Unnatur aus, daß kein zweiter Versuch gemacht wurde, Tombolini wieder für die Oper zu benutzen. Bei dieser Gelegenheit wurde in den Zeitungen, wie ich glaube von Rellstab, die Bemerkung gemacht, daß die barbarische Sitte des Eunuchenthums nur noch an zwei europäischen Höfen im Gange sei, an dem des heiligen Vaters der Christenheit in Rom, und an dem des türkischen Sultans in Konstantinopel. Unter den Berliner Schriftstellern genossen E.T.A. Hoffmann als Novellist und Friedrich Baron de la Motte Fouque als Romanschreiber eines wohlbegründeten Rufes. Aus den Schriften des ersten konnte man wohl abnehmen, daß er eine sehr gründliche musikalische Bildung besitze. Es erregte daher eine freudige Sensation im Publikum, als man erfuhr, die beiden Freunde hätten sich zu einer Oper vereinigt. Fouque nahm den Text aus seinem vielgelesenen Feenmährchen Undine, und Hoffmann machte die Musik. Es verstand sich von selbst, daß wir bei der ersten Aufführung nicht fehlten. Obgleich nun das Stück den beiden beliebten Schriftstellern zu Ehren, mit den besten unbärtigem Gesicht, in einen goldnen Schuppenpanzer gekleidet hervortrat, mit knickenden Knien die Bühne durchschritt, und im höchsten Diskant seine Arie anhob. Die Zumuthung an ein unbefangenes Gefühl war zu stark, diesen krähenden Kapaun für den Heldenjüngling Rinald gelten zu lassen. Wenig fehlte, so hätte die lebhafte Jugend ihrer Enttäuschung durch einige Unruhe Luft gemacht; doch Tombolinis treflicher Gesang ward nach Würden anerkannt; wenn man die Augen zudrückte, so glaubte man die beste Primadonna zu hören. Das Stück ging glücklich zu Ende, doch sprach sich die allgemeine Stimme so entschieden gegen diese musikalische Unnatur aus, daß kein zweiter Versuch gemacht wurde, Tombolini wieder für die Oper zu benutzen. Bei dieser Gelegenheit wurde in den Zeitungen, wie ich glaube von Rellstab, die Bemerkung gemacht, daß die barbarische Sitte des Eunuchenthums nur noch an zwei europäischen Höfen im Gange sei, an dem des heiligen Vaters der Christenheit in Rom, und an dem des türkischen Sultans in Konstantinopel. Unter den Berliner Schriftstellern genossen E.T.A. Hoffmann als Novellist und Friedrich Baron de la Motte Fouqué als Romanschreiber eines wohlbegründeten Rufes. Aus den Schriften des ersten konnte man wohl abnehmen, daß er eine sehr gründliche musikalische Bildung besitze. Es erregte daher eine freudige Sensation im Publikum, als man erfuhr, die beiden Freunde hätten sich zu einer Oper vereinigt. Fouqué nahm den Text aus seinem vielgelesenen Feenmährchen Undine, und Hoffmann machte die Musik. Es verstand sich von selbst, daß wir bei der ersten Aufführung nicht fehlten. 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Bei dieser Gelegenheit wurde in den Zeitungen, wie ich glaube von Rellstab, die Bemerkung gemacht, daß die barbarische Sitte des Eunuchenthums nur noch an zwei europäischen Höfen im Gange sei, an dem des heiligen Vaters der Christenheit in Rom, und an dem des türkischen Sultans in Konstantinopel. </p><lb/> <p>Unter den Berliner Schriftstellern genossen E.T.A. Hoffmann als Novellist und Friedrich Baron de la Motte Fouqué als Romanschreiber eines wohlbegründeten Rufes. Aus den Schriften des ersten konnte man wohl abnehmen, daß er eine sehr gründliche musikalische Bildung besitze. Es erregte daher eine freudige Sensation im Publikum, als man erfuhr, die beiden Freunde hätten sich zu einer Oper vereinigt. Fouqué nahm den Text aus seinem vielgelesenen Feenmährchen Undine, und Hoffmann machte die Musik. Es verstand sich von selbst, daß wir bei der ersten Aufführung nicht fehlten. Obgleich nun das Stück den beiden beliebten Schriftstellern zu Ehren, mit den besten </p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0117]
unbärtigem Gesicht, in einen goldnen Schuppenpanzer gekleidet hervortrat, mit knickenden Knien die Bühne durchschritt, und im höchsten Diskant seine Arie anhob. Die Zumuthung an ein unbefangenes Gefühl war zu stark, diesen krähenden Kapaun für den Heldenjüngling Rinald gelten zu lassen. Wenig fehlte, so hätte die lebhafte Jugend ihrer Enttäuschung durch einige Unruhe Luft gemacht; doch Tombolinis treflicher Gesang ward nach Würden anerkannt; wenn man die Augen zudrückte, so glaubte man die beste Primadonna zu hören. Das Stück ging glücklich zu Ende, doch sprach sich die allgemeine Stimme so entschieden gegen diese musikalische Unnatur aus, daß kein zweiter Versuch gemacht wurde, Tombolini wieder für die Oper zu benutzen. Bei dieser Gelegenheit wurde in den Zeitungen, wie ich glaube von Rellstab, die Bemerkung gemacht, daß die barbarische Sitte des Eunuchenthums nur noch an zwei europäischen Höfen im Gange sei, an dem des heiligen Vaters der Christenheit in Rom, und an dem des türkischen Sultans in Konstantinopel.
Unter den Berliner Schriftstellern genossen E.T.A. Hoffmann als Novellist und Friedrich Baron de la Motte Fouqué als Romanschreiber eines wohlbegründeten Rufes. Aus den Schriften des ersten konnte man wohl abnehmen, daß er eine sehr gründliche musikalische Bildung besitze. Es erregte daher eine freudige Sensation im Publikum, als man erfuhr, die beiden Freunde hätten sich zu einer Oper vereinigt. Fouqué nahm den Text aus seinem vielgelesenen Feenmährchen Undine, und Hoffmann machte die Musik. Es verstand sich von selbst, daß wir bei der ersten Aufführung nicht fehlten. Obgleich nun das Stück den beiden beliebten Schriftstellern zu Ehren, mit den besten
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/117>, abgerufen am 26.07.2024. |