Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].er alle möglichen Potentaten darstellte. Tiecks Ideal war die einfache Schaubühne zu Shakspeares Zeit, die er in seinem Jungen Tischlermeister wiederherzustellen versuchte. Es ist aber wohl die Frage, ob ihm eine jener shakspearischen Aufführungen genügt haben würde, wo statt aller Dekoration an der ersten Kulisse ein Brett hing, mit der Aufschrift: Straße, Garten, Zimmer etc. Einen vorübergehenden Erfolg erlangten auf der Berliner Bühne die ernsthaften Körnerschen Dramen: Zriny, Rosamunde, Toni, wogegen die Lustspiele: der Nachtwächter, die Braut, der grüne Domino lange Zeit ihre Stelle behaupteten. Als Rossinis Opern in Italien einen so ungemessenen Beifall fanden, versuchte es Graf Brühl dieselben, trotz Spontinis offenem und verstecktem Widerstande, der deutschen Bühne anzueignen, aber von den ernsten Opern konnte nur der Tancred, und in diesem nur die bekannte Cavatine: Di tanti palpiti, festen Fuß fassen, von den komischen Opern erwarb der Barbier von Sevilla, ein Musterstück glänzender Genialität, eine bleibende Stätte. Die ächte italiänische Oper gehörte sonst zu den Haupterfordernissen eines eleganten Hofstaates; man weiß, welche bedeutenden Summen der sparsame Friedrich II. dafür auf sein Budget setzte. Die italiänische Oper war in Berlin längst abgeschafft, doch will ich als eines Curiosums erwähnen, daß im Jahre 1815 die Selva incantata von Righini ganz italiänisch aufgeführt wurde, und daß darin der aus früherer Zeit übrig gebliebene alte Kastrat Tombolini den Rinald sang. Von den jungen Zuhörern hatten die wenigsten jemals einen Kastraten gehört, wir waren daher sehr verwundert, als eine lange fette Gestalt mit grauem, er alle möglichen Potentaten darstellte. Tiecks Ideal war die einfache Schaubühne zu Shakspeares Zeit, die er in seinem Jungen Tischlermeister wiederherzustellen versuchte. Es ist aber wohl die Frage, ob ihm eine jener shakspearischen Aufführungen genügt haben würde, wo statt aller Dekoration an der ersten Kulisse ein Brett hing, mit der Aufschrift: Straße, Garten, Zimmer etc. Einen vorübergehenden Erfolg erlangten auf der Berliner Bühne die ernsthaften Körnerschen Dramen: Zriny, Rosamunde, Toni, wogegen die Lustspiele: der Nachtwächter, die Braut, der grüne Domino lange Zeit ihre Stelle behaupteten. Als Rossinis Opern in Italien einen so ungemessenen Beifall fanden, versuchte es Graf Brühl dieselben, trotz Spontinis offenem und verstecktem Widerstande, der deutschen Bühne anzueignen, aber von den ernsten Opern konnte nur der Tancred, und in diesem nur die bekannte Cavatine: Di tanti palpiti, festen Fuß fassen, von den komischen Opern erwarb der Barbier von Sevilla, ein Musterstück glänzender Genialität, eine bleibende Stätte. Die ächte italiänische Oper gehörte sonst zu den Haupterfordernissen eines eleganten Hofstaates; man weiß, welche bedeutenden Summen der sparsame Friedrich II. dafür auf sein Budget setzte. Die italiänische Oper war in Berlin längst abgeschafft, doch will ich als eines Curiosums erwähnen, daß im Jahre 1815 die Selva incantata von Righini ganz italiänisch aufgeführt wurde, und daß darin der aus früherer Zeit übrig gebliebene alte Kastrat Tombolini den Rinald sang. 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Die italiänische Oper war in Berlin längst abgeschafft, doch will ich als eines Curiosums erwähnen, daß im Jahre 1815 die Selva incantata von Righini ganz italiänisch aufgeführt wurde, und daß darin der aus früherer Zeit übrig gebliebene alte Kastrat Tombolini den Rinald sang. Von den jungen Zuhörern hatten die wenigsten jemals einen Kastraten gehört, wir waren daher sehr verwundert, als eine lange fette Gestalt mit grauem, </p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0116]
er alle möglichen Potentaten darstellte. Tiecks Ideal war die einfache Schaubühne zu Shakspeares Zeit, die er in seinem Jungen Tischlermeister wiederherzustellen versuchte. Es ist aber wohl die Frage, ob ihm eine jener shakspearischen Aufführungen genügt haben würde, wo statt aller Dekoration an der ersten Kulisse ein Brett hing, mit der Aufschrift: Straße, Garten, Zimmer etc.
Einen vorübergehenden Erfolg erlangten auf der Berliner Bühne die ernsthaften Körnerschen Dramen: Zriny, Rosamunde, Toni, wogegen die Lustspiele: der Nachtwächter, die Braut, der grüne Domino lange Zeit ihre Stelle behaupteten.
Als Rossinis Opern in Italien einen so ungemessenen Beifall fanden, versuchte es Graf Brühl dieselben, trotz Spontinis offenem und verstecktem Widerstande, der deutschen Bühne anzueignen, aber von den ernsten Opern konnte nur der Tancred, und in diesem nur die bekannte Cavatine: Di tanti palpiti, festen Fuß fassen, von den komischen Opern erwarb der Barbier von Sevilla, ein Musterstück glänzender Genialität, eine bleibende Stätte.
Die ächte italiänische Oper gehörte sonst zu den Haupterfordernissen eines eleganten Hofstaates; man weiß, welche bedeutenden Summen der sparsame Friedrich II. dafür auf sein Budget setzte. Die italiänische Oper war in Berlin längst abgeschafft, doch will ich als eines Curiosums erwähnen, daß im Jahre 1815 die Selva incantata von Righini ganz italiänisch aufgeführt wurde, und daß darin der aus früherer Zeit übrig gebliebene alte Kastrat Tombolini den Rinald sang. Von den jungen Zuhörern hatten die wenigsten jemals einen Kastraten gehört, wir waren daher sehr verwundert, als eine lange fette Gestalt mit grauem,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/116>, abgerufen am 26.07.2024. |