Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Das Schauspiel in Berlin genoß zu Iffands Zeit einer gewissen Berühmtheit, allein man tadelte daran den Mangel an Zusammenspiel und die Enge des Repertoirs. Nach Ifflands Tode ernannte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen Grafen von Brühl zum Theaterintendanten. Man konnte diese Wahl in jeder Hinsicht eine glückliche nennen. Unter dem neuen Vorsteher erhob sich die Berliner Bühne durch ein günstiges Zusammentreffen von Umständen zu einer vorher nicht gekannten Höhe. Es wurden nicht nur neue Talente herangezogen, sondern auch das Repertoir nach allen Richtungen hin erweitert. Unter die bedeutendsten Erwerbungen gehörte unstreitig Ludwig Devrient, dessen ich schon als eines älteren Mitschülers in der Hartungschen Lehranstalt gedachte. Er besaß mehr als Talent, er hatte Genie. Nach allem, was ich über Garricks universelle Fähigkeiten gelesen, möchte Devrient diesem Künstler an die Seite zu stellen sein. Er war wie dieser gleich groß im tragischen wie im komischen Fache. Seine eigentliche Person und Gestalt zu beschreiben, würde schwer halten: denn er verwandelte sich bei jeder Rolle in einen andern Menschen. Auch über sein Spiel ist es kaum möglich, etwas anderes zu sagen, als daß es immer das rechte gewesen sei. Er gab mit gleicher Vollendung den König Lear und den Schneider Fips, Richard III. und Ferdinand von Meißen, Fallstaff und Shylok, Hubert im König Johann und den Galeerensklaven, den Vater der Jungfrau von Orleans und den Nachtwächter. Aus dieser Fülle von Darstellungen kann ich nur einzelnes hervorheben, was mich damals, in der glücklichen Zeit aufstrebender Jugend besonders ergriffen. Das Schauspiel in Berlin genoß zu Iffands Zeit einer gewissen Berühmtheit, allein man tadelte daran den Mangel an Zusammenspiel und die Enge des Repertoirs. Nach Ifflands Tode ernannte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen Grafen von Brühl zum Theaterintendanten. Man konnte diese Wahl in jeder Hinsicht eine glückliche nennen. Unter dem neuen Vorsteher erhob sich die Berliner Bühne durch ein günstiges Zusammentreffen von Umständen zu einer vorher nicht gekannten Höhe. Es wurden nicht nur neue Talente herangezogen, sondern auch das Repertoir nach allen Richtungen hin erweitert. Unter die bedeutendsten Erwerbungen gehörte unstreitig Ludwig Devrient, dessen ich schon als eines älteren Mitschülers in der Hartungschen Lehranstalt gedachte. Er besaß mehr als Talent, er hatte Genie. Nach allem, was ich über Garricks universelle Fähigkeiten gelesen, möchte Devrient diesem Künstler an die Seite zu stellen sein. Er war wie dieser gleich groß im tragischen wie im komischen Fache. Seine eigentliche Person und Gestalt zu beschreiben, würde schwer halten: denn er verwandelte sich bei jeder Rolle in einen andern Menschen. Auch über sein Spiel ist es kaum möglich, etwas anderes zu sagen, als daß es immer das rechte gewesen sei. Er gab mit gleicher Vollendung den König Lear und den Schneider Fips, Richard III. und Ferdinand von Meißen, Fallstaff und Shylok, Hubert im König Johann und den Galeerensklaven, den Vater der Jungfrau von Orleans und den Nachtwächter. Aus dieser Fülle von Darstellungen kann ich nur einzelnes hervorheben, was mich damals, in der glücklichen Zeit aufstrebender Jugend besonders ergriffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0101" n="93"/> </p><lb/> <p>Das Schauspiel in Berlin genoß zu Iffands Zeit einer gewissen Berühmtheit, allein man tadelte daran den Mangel an Zusammenspiel und die Enge des Repertoirs. Nach Ifflands Tode ernannte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen Grafen von Brühl zum Theaterintendanten. Man konnte diese Wahl in jeder Hinsicht eine glückliche nennen. Unter dem neuen Vorsteher erhob sich die Berliner Bühne durch ein günstiges Zusammentreffen von Umständen zu einer vorher nicht gekannten Höhe. Es wurden nicht nur neue Talente herangezogen, sondern auch das Repertoir nach allen Richtungen hin erweitert. </p><lb/> <p>Unter die bedeutendsten Erwerbungen gehörte unstreitig Ludwig Devrient, dessen ich schon als eines älteren Mitschülers in der Hartungschen Lehranstalt gedachte. Er besaß mehr als Talent, er hatte Genie. Nach allem, was ich über Garricks universelle Fähigkeiten gelesen, möchte Devrient diesem Künstler an die Seite zu stellen sein. Er war wie dieser gleich groß im tragischen wie im komischen Fache. Seine eigentliche Person und Gestalt zu beschreiben, würde schwer halten: denn er verwandelte sich bei jeder Rolle in einen andern Menschen. Auch über sein Spiel ist es kaum möglich, etwas anderes zu sagen, als daß es immer das rechte gewesen sei. 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Das Schauspiel in Berlin genoß zu Iffands Zeit einer gewissen Berühmtheit, allein man tadelte daran den Mangel an Zusammenspiel und die Enge des Repertoirs. Nach Ifflands Tode ernannte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen Grafen von Brühl zum Theaterintendanten. Man konnte diese Wahl in jeder Hinsicht eine glückliche nennen. Unter dem neuen Vorsteher erhob sich die Berliner Bühne durch ein günstiges Zusammentreffen von Umständen zu einer vorher nicht gekannten Höhe. Es wurden nicht nur neue Talente herangezogen, sondern auch das Repertoir nach allen Richtungen hin erweitert.
Unter die bedeutendsten Erwerbungen gehörte unstreitig Ludwig Devrient, dessen ich schon als eines älteren Mitschülers in der Hartungschen Lehranstalt gedachte. Er besaß mehr als Talent, er hatte Genie. Nach allem, was ich über Garricks universelle Fähigkeiten gelesen, möchte Devrient diesem Künstler an die Seite zu stellen sein. Er war wie dieser gleich groß im tragischen wie im komischen Fache. Seine eigentliche Person und Gestalt zu beschreiben, würde schwer halten: denn er verwandelte sich bei jeder Rolle in einen andern Menschen. Auch über sein Spiel ist es kaum möglich, etwas anderes zu sagen, als daß es immer das rechte gewesen sei. Er gab mit gleicher Vollendung den König Lear und den Schneider Fips, Richard III. und Ferdinand von Meißen, Fallstaff und Shylok, Hubert im König Johann und den Galeerensklaven, den Vater der Jungfrau von Orleans und den Nachtwächter.
Aus dieser Fülle von Darstellungen kann ich nur einzelnes hervorheben, was mich damals, in der glücklichen Zeit aufstrebender Jugend besonders ergriffen.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/101>, abgerufen am 27.07.2024. |