Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Thor eingefahren sei, aber später habe man doch auch hierin seine Seelengröße erkannt und gewürdigt. Die öffentlichen Friedensfeierlichkeiten hätten mehrere Tage gedauert; zuletzt sei ein großes Feuerwerk auf und neben dem Tempelhofer Berge abgebrannt worden. Er habe sich mit mehreren jungen Kaufleuten zusammengethan, um zu Pferde dem seltenen Schauspiele beizuwohnen. Weil der Andrang von vorn gar zu groß gewesen, so seien sie in der Dunkelheit über Stock und Stein um den Berg herumgeritten, um von hinten etwas zu erhaschen. Als sie nun nach manchen Hindernissen dort ankamen, stand ihnen eine hohe Bretterwand vor der Nase, von den Veranstaltern des Feuerwerkes vorsorglich errichtet; die Stöcke der abgebrannten Raketen fielen ihnen auf die Köpfe und sie kehrten endlich in tiefer Nacht misvergnügt nach Hause zurück, ohne etwas anderes als ein paar Leuchtkugeln gesehn zu haben. Ob ich das nachfolgende Geschichtchen von Lessing aus des Grosvaters Munde selbst, oder durch Tradition von meinen Aeltern empfangen, will ich dahin gestellt sein lassen, jedenfalls gewährte es uns Kindern, die wir den Namen Lessing dabei zum erstenmale hörten, ein großes Vergnügen. Auf seinen vielen Reisen kam Lessing beim frühsten Tagesgrauen einmal nach Schöppenstädt. Als er sich dem Städtchen näherte, fragte er den Postillon: Nun, Schwager, wie ist es, werde ich denn einen Schöppenstädter Streich zu sehn bekommen? - Sorgen der Herr nicht! war die Antwort. Sie fahren durch das Thor der Vorstadt, und finden noch keinen Menschen auf der Straße, alle Thüren und Fensterladen sind geschlossen. Sie kommen durch Thor eingefahren sei, aber später habe man doch auch hierin seine Seelengröße erkannt und gewürdigt. Die öffentlichen Friedensfeierlichkeiten hätten mehrere Tage gedauert; zuletzt sei ein großes Feuerwerk auf und neben dem Tempelhofer Berge abgebrannt worden. Er habe sich mit mehreren jungen Kaufleuten zusammengethan, um zu Pferde dem seltenen Schauspiele beizuwohnen. Weil der Andrang von vorn gar zu groß gewesen, so seien sie in der Dunkelheit über Stock und Stein um den Berg herumgeritten, um von hinten etwas zu erhaschen. Als sie nun nach manchen Hindernissen dort ankamen, stand ihnen eine hohe Bretterwand vor der Nase, von den Veranstaltern des Feuerwerkes vorsorglich errichtet; die Stöcke der abgebrannten Raketen fielen ihnen auf die Köpfe und sie kehrten endlich in tiefer Nacht misvergnügt nach Hause zurück, ohne etwas anderes als ein paar Leuchtkugeln gesehn zu haben. Ob ich das nachfolgende Geschichtchen von Lessing aus des Grosvaters Munde selbst, oder durch Tradition von meinen Aeltern empfangen, will ich dahin gestellt sein lassen, jedenfalls gewährte es uns Kindern, die wir den Namen Lessing dabei zum erstenmale hörten, ein großes Vergnügen. Auf seinen vielen Reisen kam Lessing beim frühsten Tagesgrauen einmal nach Schöppenstädt. Als er sich dem Städtchen näherte, fragte er den Postillon: Nun, Schwager, wie ist es, werde ich denn einen Schöppenstädter Streich zu sehn bekommen? – Sorgen der Herr nicht! war die Antwort. Sie fahren durch das Thor der Vorstadt, und finden noch keinen Menschen auf der Straße, alle Thüren und Fensterladen sind geschlossen. Sie kommen durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="58"/> Thor eingefahren sei, aber später habe man doch auch hierin seine Seelengröße erkannt und gewürdigt. Die öffentlichen Friedensfeierlichkeiten hätten mehrere Tage gedauert; zuletzt sei ein großes Feuerwerk auf und neben dem Tempelhofer Berge abgebrannt worden. Er habe sich mit mehreren jungen Kaufleuten zusammengethan, um zu Pferde dem seltenen Schauspiele beizuwohnen. Weil der Andrang von vorn gar zu groß gewesen, so seien sie in der Dunkelheit über Stock und Stein um den Berg herumgeritten, um von hinten etwas zu erhaschen. Als sie nun nach manchen Hindernissen dort ankamen, stand ihnen eine hohe Bretterwand vor der Nase, von den Veranstaltern des Feuerwerkes vorsorglich errichtet; die Stöcke der abgebrannten Raketen fielen ihnen auf die Köpfe und sie kehrten endlich in tiefer Nacht misvergnügt nach Hause zurück, ohne etwas anderes als ein paar Leuchtkugeln gesehn zu haben. </p><lb/> <p>Ob ich das nachfolgende Geschichtchen von Lessing aus des Grosvaters Munde selbst, oder durch Tradition von meinen Aeltern empfangen, will ich dahin gestellt sein lassen, jedenfalls gewährte es uns Kindern, die wir den Namen Lessing dabei zum erstenmale hörten, ein großes Vergnügen. </p><lb/> <p>Auf seinen vielen Reisen kam Lessing beim frühsten Tagesgrauen einmal nach Schöppenstädt. Als er sich dem Städtchen näherte, fragte er den Postillon: Nun, Schwager, wie ist es, werde ich denn einen Schöppenstädter Streich zu sehn bekommen? – Sorgen der Herr nicht! war die Antwort. Sie fahren durch das Thor der Vorstadt, und finden noch keinen Menschen auf der Straße, alle Thüren und Fensterladen sind geschlossen. Sie kommen durch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0070]
Thor eingefahren sei, aber später habe man doch auch hierin seine Seelengröße erkannt und gewürdigt. Die öffentlichen Friedensfeierlichkeiten hätten mehrere Tage gedauert; zuletzt sei ein großes Feuerwerk auf und neben dem Tempelhofer Berge abgebrannt worden. Er habe sich mit mehreren jungen Kaufleuten zusammengethan, um zu Pferde dem seltenen Schauspiele beizuwohnen. Weil der Andrang von vorn gar zu groß gewesen, so seien sie in der Dunkelheit über Stock und Stein um den Berg herumgeritten, um von hinten etwas zu erhaschen. Als sie nun nach manchen Hindernissen dort ankamen, stand ihnen eine hohe Bretterwand vor der Nase, von den Veranstaltern des Feuerwerkes vorsorglich errichtet; die Stöcke der abgebrannten Raketen fielen ihnen auf die Köpfe und sie kehrten endlich in tiefer Nacht misvergnügt nach Hause zurück, ohne etwas anderes als ein paar Leuchtkugeln gesehn zu haben.
Ob ich das nachfolgende Geschichtchen von Lessing aus des Grosvaters Munde selbst, oder durch Tradition von meinen Aeltern empfangen, will ich dahin gestellt sein lassen, jedenfalls gewährte es uns Kindern, die wir den Namen Lessing dabei zum erstenmale hörten, ein großes Vergnügen.
Auf seinen vielen Reisen kam Lessing beim frühsten Tagesgrauen einmal nach Schöppenstädt. Als er sich dem Städtchen näherte, fragte er den Postillon: Nun, Schwager, wie ist es, werde ich denn einen Schöppenstädter Streich zu sehn bekommen? – Sorgen der Herr nicht! war die Antwort. Sie fahren durch das Thor der Vorstadt, und finden noch keinen Menschen auf der Straße, alle Thüren und Fensterladen sind geschlossen. Sie kommen durch
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/70>, abgerufen am 16.02.2025. |