Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

mit vielen Klingen vorzeigte, deren stärkste, fast so lang wie ein Hirschfänger, dazu bestimmt war, dem gefallenen Hirsche die Sehnen der Hinterläufe durchzuhauen. Als wir ihn eines Abends im großen Garten herumführten, und uns recht viel von der Schlacht bei Leipzig erzählen ließen, sagte er zuletzt ganz trocken: Ja, den 18. Oktober ging es wohl scharf her, doch ist mir den Tag über die Pfeife nicht ausgegangen! Durch diese Bemerkung, die ich lange Zeit nicht verwinden konnte, ward mir das große welthistorische Ereigniß in die Sphäre der nüchternsten Prosa herabgesetzt.

Der jüngere Bruder Franz (jetzt Oberpräsident von Preußen), dessen ich schon gedachte, war zart gebaut und blaß; man fürchtete, als er ins Feld zog, er werde die Strapazen nicht ertragen können, aber die gute westphälische Natur, die von seinem Vater auf ihn übergegangen, bewährte sich; er kam kräftiger wieder, als er ausgezogen, und setzte seine juristischen Studien fort. Er wurde, sobald wir ihn von der Mauer aus erblickten, im Triumphe eingeholt. Ihm hörten wir fast am liebsten zu: denn seine Erzählungen von großer Lebendigkeit trugen den Stempel der ungeschminkten Wahrheit. Unter andern sagte er, in keiner Schlacht sei ihm der Kugelregen so dicht vorgekommen, als in der bei Gros-Görschen; er habe geglaubt, das möge wohl daran gelegen haben, daß dies das erste Mal gewesen, wo er im Feuer gestanden. Man habe aber nachher vernommen, daß Napoleon alles daran gesetzt, um die verhaßten Preußen gleich beim ersten Schlage gänzlich zu vernichten. So ließ er noch spät am Abend eine Batterie von 24 Pfündern auffahren, die von der Seite her das Schlachtfeld in seiner ganzen Breite bestrich.

mit vielen Klingen vorzeigte, deren stärkste, fast so lang wie ein Hirschfänger, dazu bestimmt war, dem gefallenen Hirsche die Sehnen der Hinterläufe durchzuhauen. Als wir ihn eines Abends im großen Garten herumführten, und uns recht viel von der Schlacht bei Leipzig erzählen ließen, sagte er zuletzt ganz trocken: Ja, den 18. Oktober ging es wohl scharf her, doch ist mir den Tag über die Pfeife nicht ausgegangen! Durch diese Bemerkung, die ich lange Zeit nicht verwinden konnte, ward mir das große welthistorische Ereigniß in die Sphäre der nüchternsten Prosa herabgesetzt.

Der jüngere Bruder Franz (jetzt Oberpräsident von Preußen), dessen ich schon gedachte, war zart gebaut und blaß; man fürchtete, als er ins Feld zog, er werde die Strapazen nicht ertragen können, aber die gute westphälische Natur, die von seinem Vater auf ihn übergegangen, bewährte sich; er kam kräftiger wieder, als er ausgezogen, und setzte seine juristischen Studien fort. Er wurde, sobald wir ihn von der Mauer aus erblickten, im Triumphe eingeholt. Ihm hörten wir fast am liebsten zu: denn seine Erzählungen von großer Lebendigkeit trugen den Stempel der ungeschminkten Wahrheit. Unter andern sagte er, in keiner Schlacht sei ihm der Kugelregen so dicht vorgekommen, als in der bei Gros-Görschen; er habe geglaubt, das möge wohl daran gelegen haben, daß dies das erste Mal gewesen, wo er im Feuer gestanden. Man habe aber nachher vernommen, daß Napoléon alles daran gesetzt, um die verhaßten Preußen gleich beim ersten Schlage gänzlich zu vernichten. So ließ er noch spät am Abend eine Batterie von 24 Pfündern auffahren, die von der Seite her das Schlachtfeld in seiner ganzen Breite bestrich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0453" n="441"/>
mit vielen Klingen vorzeigte, deren stärkste, fast so lang wie ein Hirschfänger, dazu bestimmt war, dem gefallenen Hirsche die Sehnen der Hinterläufe durchzuhauen. Als wir ihn eines Abends im großen Garten herumführten, und uns recht viel von der Schlacht bei Leipzig erzählen ließen, sagte er zuletzt ganz trocken: Ja, den 18. Oktober ging es wohl scharf her, doch ist mir den Tag über die Pfeife nicht ausgegangen! Durch diese Bemerkung, die ich lange Zeit nicht verwinden konnte, ward mir das große welthistorische Ereigniß in die Sphäre der nüchternsten Prosa herabgesetzt. </p><lb/>
          <p>Der jüngere Bruder Franz (jetzt Oberpräsident von Preußen), dessen ich schon gedachte, war zart gebaut und blaß; man fürchtete, als er ins Feld zog, er werde die Strapazen nicht ertragen können, aber die gute westphälische Natur, die von seinem Vater auf ihn übergegangen, bewährte sich; er kam kräftiger wieder, als er ausgezogen, und setzte seine juristischen Studien fort. Er wurde, sobald wir ihn von der Mauer aus erblickten, im Triumphe eingeholt. Ihm hörten wir fast am liebsten zu: denn seine Erzählungen von großer Lebendigkeit trugen den Stempel der ungeschminkten Wahrheit. Unter andern sagte er, in keiner Schlacht sei ihm der Kugelregen so dicht vorgekommen, als in der bei Gros-Görschen; er habe geglaubt, das möge wohl daran gelegen haben, daß dies das erste Mal gewesen, wo er im Feuer gestanden. Man habe aber nachher vernommen, daß Napoléon alles daran gesetzt, um die verhaßten Preußen gleich beim ersten Schlage gänzlich zu vernichten. So ließ er noch spät am Abend eine Batterie von 24 Pfündern auffahren, die von der Seite her das Schlachtfeld in seiner ganzen Breite bestrich.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[441/0453] mit vielen Klingen vorzeigte, deren stärkste, fast so lang wie ein Hirschfänger, dazu bestimmt war, dem gefallenen Hirsche die Sehnen der Hinterläufe durchzuhauen. Als wir ihn eines Abends im großen Garten herumführten, und uns recht viel von der Schlacht bei Leipzig erzählen ließen, sagte er zuletzt ganz trocken: Ja, den 18. Oktober ging es wohl scharf her, doch ist mir den Tag über die Pfeife nicht ausgegangen! Durch diese Bemerkung, die ich lange Zeit nicht verwinden konnte, ward mir das große welthistorische Ereigniß in die Sphäre der nüchternsten Prosa herabgesetzt. Der jüngere Bruder Franz (jetzt Oberpräsident von Preußen), dessen ich schon gedachte, war zart gebaut und blaß; man fürchtete, als er ins Feld zog, er werde die Strapazen nicht ertragen können, aber die gute westphälische Natur, die von seinem Vater auf ihn übergegangen, bewährte sich; er kam kräftiger wieder, als er ausgezogen, und setzte seine juristischen Studien fort. Er wurde, sobald wir ihn von der Mauer aus erblickten, im Triumphe eingeholt. Ihm hörten wir fast am liebsten zu: denn seine Erzählungen von großer Lebendigkeit trugen den Stempel der ungeschminkten Wahrheit. Unter andern sagte er, in keiner Schlacht sei ihm der Kugelregen so dicht vorgekommen, als in der bei Gros-Görschen; er habe geglaubt, das möge wohl daran gelegen haben, daß dies das erste Mal gewesen, wo er im Feuer gestanden. Man habe aber nachher vernommen, daß Napoléon alles daran gesetzt, um die verhaßten Preußen gleich beim ersten Schlage gänzlich zu vernichten. So ließ er noch spät am Abend eine Batterie von 24 Pfündern auffahren, die von der Seite her das Schlachtfeld in seiner ganzen Breite bestrich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/453
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/453>, abgerufen am 23.11.2024.