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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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im Erdgeschosse 50 Betten zur Aufstellung bereit halten. Aber die Kriegsgefahr ging vorüber, und Nachod sah keinen Feind in seinen Mauern. Die Gäste, welche damals das Schloß bewohnten, und jetzt längst nicht mehr sind, ahneten wohl kaum, daß 53 Jahre später, im Sommer 1866, die Preußen als siegreiche Feinde in Nachod einrücken würden.

Frau von der Recke war gewohnt, auf ihrem Tische einen leichten französischen Rothwein zu sehn, den man in dem elenden Neste Nachod vergebens würde gesucht haben, dessen Einführung überdies das östreichische Prohibitivsystem gar nicht erlaubte. An die herben böhmischen und an die feurigen ungrischen Weine kann ein Fremder sich nicht leicht gewöhnen. Da erschien anfangs guter Rath theuer, aber die herzoglichen Gäste erfuhren bald durch den dienstfertigen Kastellan, daß an der preußischen Gränze, unter den Augen der östreichischen Mautbehörde ein wohlorganisirtes Schmuggelsystem bestehe, um aus Schlesien nicht bloß alle Arten von fremden Weinen, sondern auch Kaffee, Zucker, Wachslichte, Seiden- und Wollenwaaren besser und wohlfeiler zu beziehn, als man sie in Böhmen haben konnte. War also im Schlosse der Vorrath von Wein und Kolonialwaaren ausgegangen, so machte Tante Jettchen im Wagen der Frau von der Recke eine Spazierfahrt über die Gränze, und kam mit gefülltem Sitzkasten zurück. Am Fuße der steilen, zum Schlosse führenden Treppe wurde alles den harrenden Bedienten übergeben, um es hinaufzutragen. Dann fuhr die Tante vor die Maut, wo ein Zollbeamter sich mit auf den Bock setzte, um die Visitation oben im Schlosse vorzunehmen. Während der Wagen langsam den Fahrweg hinaufkroch, waren längst die Einkäufe in Sicherheit gebracht; der

im Erdgeschosse 50 Betten zur Aufstellung bereit halten. Aber die Kriegsgefahr ging vorüber, und Nachod sah keinen Feind in seinen Mauern. Die Gäste, welche damals das Schloß bewohnten, und jetzt längst nicht mehr sind, ahneten wohl kaum, daß 53 Jahre später, im Sommer 1866, die Preußen als siegreiche Feinde in Nachod einrücken würden.

Frau von der Recke war gewohnt, auf ihrem Tische einen leichten französischen Rothwein zu sehn, den man in dem elenden Neste Nachod vergebens würde gesucht haben, dessen Einführung überdies das östreichische Prohibitivsystem gar nicht erlaubte. An die herben böhmischen und an die feurigen ungrischen Weine kann ein Fremder sich nicht leicht gewöhnen. Da erschien anfangs guter Rath theuer, aber die herzoglichen Gäste erfuhren bald durch den dienstfertigen Kastellan, daß an der preußischen Gränze, unter den Augen der östreichischen Mautbehörde ein wohlorganisirtes Schmuggelsystem bestehe, um aus Schlesien nicht bloß alle Arten von fremden Weinen, sondern auch Kaffee, Zucker, Wachslichte, Seiden- und Wollenwaaren besser und wohlfeiler zu beziehn, als man sie in Böhmen haben konnte. War also im Schlosse der Vorrath von Wein und Kolonialwaaren ausgegangen, so machte Tante Jettchen im Wagen der Frau von der Recke eine Spazierfahrt über die Gränze, und kam mit gefülltem Sitzkasten zurück. Am Fuße der steilen, zum Schlosse führenden Treppe wurde alles den harrenden Bedienten übergeben, um es hinaufzutragen. Dann fuhr die Tante vor die Maut, wo ein Zollbeamter sich mit auf den Bock setzte, um die Visitation oben im Schlosse vorzunehmen. Während der Wagen langsam den Fahrweg hinaufkroch, waren längst die Einkäufe in Sicherheit gebracht; der

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[427/0439] im Erdgeschosse 50 Betten zur Aufstellung bereit halten. Aber die Kriegsgefahr ging vorüber, und Nachod sah keinen Feind in seinen Mauern. Die Gäste, welche damals das Schloß bewohnten, und jetzt längst nicht mehr sind, ahneten wohl kaum, daß 53 Jahre später, im Sommer 1866, die Preußen als siegreiche Feinde in Nachod einrücken würden. Frau von der Recke war gewohnt, auf ihrem Tische einen leichten französischen Rothwein zu sehn, den man in dem elenden Neste Nachod vergebens würde gesucht haben, dessen Einführung überdies das östreichische Prohibitivsystem gar nicht erlaubte. An die herben böhmischen und an die feurigen ungrischen Weine kann ein Fremder sich nicht leicht gewöhnen. Da erschien anfangs guter Rath theuer, aber die herzoglichen Gäste erfuhren bald durch den dienstfertigen Kastellan, daß an der preußischen Gränze, unter den Augen der östreichischen Mautbehörde ein wohlorganisirtes Schmuggelsystem bestehe, um aus Schlesien nicht bloß alle Arten von fremden Weinen, sondern auch Kaffee, Zucker, Wachslichte, Seiden- und Wollenwaaren besser und wohlfeiler zu beziehn, als man sie in Böhmen haben konnte. War also im Schlosse der Vorrath von Wein und Kolonialwaaren ausgegangen, so machte Tante Jettchen im Wagen der Frau von der Recke eine Spazierfahrt über die Gränze, und kam mit gefülltem Sitzkasten zurück. Am Fuße der steilen, zum Schlosse führenden Treppe wurde alles den harrenden Bedienten übergeben, um es hinaufzutragen. Dann fuhr die Tante vor die Maut, wo ein Zollbeamter sich mit auf den Bock setzte, um die Visitation oben im Schlosse vorzunehmen. Während der Wagen langsam den Fahrweg hinaufkroch, waren längst die Einkäufe in Sicherheit gebracht; der

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/439>, abgerufen am 25.11.2024.