Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].und er habe mehr als einmal Disciplinarstrafen für seine zerdrückten Locken erhalten, nach und nach habe er sich daran gewöhnt, und getraue sich auch jetzt noch, wo Puder und Pomade längst aus der Toilette der Soldaten verschwunden seien, das Kunststück auszuführen, und sitzend zu schlafen. Sehr jung trat er in das Heer, und ward aus einer kleinen Garnison in die andre versetzt, wo das ermüdende Exerciren der Rekruten mit dem wenig befriedigenden Wirtshaus- und Gesellschaftsleben wechselte. In irgend einer kleinen pommerschen Stadt hatte er, um die Langeweile zu tödten, ein Liebhabertheater in Gang gebracht. Die Kraft- und Heldenrollen waren sein Fach, als Karl Moor ärndtete er den lebhaftesten Beifall. Die Erinnerung daran hatte ihn noch nicht verlassen. Zuweilen ging er, den linken Arm in der Binde, im Zimmer auf und ab, gestikulirte mit der rechten Hand, und begann mit einer mehr kräftigen, als angenehmen Stimme: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut! Ihre Augen sind Wasser, ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen, Schwerter im Busen! daß ich ein Bär wäre, die Bären des Nordlandes anzuhetzen gegen dieses Otterngezücht! Dies gefiel uns ganz ungemein, und wir suchten ihn oft durch allerlei Künste auf seine Theaterzeiten zurückzubringen. Das Stück hatte uns schon früher zur Stiftung einer Räuberbande auf dem Oberboden Veranlassung gegeben, nun wurde es wieder hervorgeholt, und Fritz tragirte die bedeutendsten Stellen mit Rodeschem Pathos. Gern hätte Rode als junger Offizier sich verheirathet. Er sprach nicht ohne Bewegung von einigen ernsthaften Neigungen, die sich seiner bemächtigt, weil er aber ganz und er habe mehr als einmal Disciplinarstrafen für seine zerdrückten Locken erhalten, nach und nach habe er sich daran gewöhnt, und getraue sich auch jetzt noch, wo Puder und Pomade längst aus der Toilette der Soldaten verschwunden seien, das Kunststück auszuführen, und sitzend zu schlafen. Sehr jung trat er in das Heer, und ward aus einer kleinen Garnison in die andre versetzt, wo das ermüdende Exerciren der Rekruten mit dem wenig befriedigenden Wirtshaus- und Gesellschaftsleben wechselte. In irgend einer kleinen pommerschen Stadt hatte er, um die Langeweile zu tödten, ein Liebhabertheater in Gang gebracht. Die Kraft- und Heldenrollen waren sein Fach, als Karl Moor ärndtete er den lebhaftesten Beifall. Die Erinnerung daran hatte ihn noch nicht verlassen. Zuweilen ging er, den linken Arm in der Binde, im Zimmer auf und ab, gestikulirte mit der rechten Hand, und begann mit einer mehr kräftigen, als angenehmen Stimme: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut! Ihre Augen sind Wasser, ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen, Schwerter im Busen! daß ich ein Bär wäre, die Bären des Nordlandes anzuhetzen gegen dieses Otterngezücht! Dies gefiel uns ganz ungemein, und wir suchten ihn oft durch allerlei Künste auf seine Theaterzeiten zurückzubringen. Das Stück hatte uns schon früher zur Stiftung einer Räuberbande auf dem Oberboden Veranlassung gegeben, nun wurde es wieder hervorgeholt, und Fritz tragirte die bedeutendsten Stellen mit Rodeschem Pathos. Gern hätte Rode als junger Offizier sich verheirathet. 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Zuweilen ging er, den linken Arm in der Binde, im Zimmer auf und ab, gestikulirte mit der rechten Hand, und begann mit einer mehr kräftigen, als angenehmen Stimme: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut! Ihre Augen sind Wasser, ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen, Schwerter im Busen! daß ich ein Bär wäre, die Bären des Nordlandes anzuhetzen gegen dieses Otterngezücht! Dies gefiel uns ganz ungemein, und wir suchten ihn oft durch allerlei Künste auf seine Theaterzeiten zurückzubringen. Das Stück hatte uns schon früher zur Stiftung einer Räuberbande auf dem Oberboden Veranlassung gegeben, nun wurde es wieder hervorgeholt, und Fritz tragirte die bedeutendsten Stellen mit Rodeschem Pathos. </p><lb/> <p>Gern hätte Rode als junger Offizier sich verheirathet. Er sprach nicht ohne Bewegung von einigen ernsthaften Neigungen, die sich seiner bemächtigt, weil er aber ganz </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [399/0411]
und er habe mehr als einmal Disciplinarstrafen für seine zerdrückten Locken erhalten, nach und nach habe er sich daran gewöhnt, und getraue sich auch jetzt noch, wo Puder und Pomade längst aus der Toilette der Soldaten verschwunden seien, das Kunststück auszuführen, und sitzend zu schlafen.
Sehr jung trat er in das Heer, und ward aus einer kleinen Garnison in die andre versetzt, wo das ermüdende Exerciren der Rekruten mit dem wenig befriedigenden Wirtshaus- und Gesellschaftsleben wechselte. In irgend einer kleinen pommerschen Stadt hatte er, um die Langeweile zu tödten, ein Liebhabertheater in Gang gebracht. Die Kraft- und Heldenrollen waren sein Fach, als Karl Moor ärndtete er den lebhaftesten Beifall. Die Erinnerung daran hatte ihn noch nicht verlassen. Zuweilen ging er, den linken Arm in der Binde, im Zimmer auf und ab, gestikulirte mit der rechten Hand, und begann mit einer mehr kräftigen, als angenehmen Stimme: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut! Ihre Augen sind Wasser, ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen, Schwerter im Busen! daß ich ein Bär wäre, die Bären des Nordlandes anzuhetzen gegen dieses Otterngezücht! Dies gefiel uns ganz ungemein, und wir suchten ihn oft durch allerlei Künste auf seine Theaterzeiten zurückzubringen. Das Stück hatte uns schon früher zur Stiftung einer Räuberbande auf dem Oberboden Veranlassung gegeben, nun wurde es wieder hervorgeholt, und Fritz tragirte die bedeutendsten Stellen mit Rodeschem Pathos.
Gern hätte Rode als junger Offizier sich verheirathet. Er sprach nicht ohne Bewegung von einigen ernsthaften Neigungen, die sich seiner bemächtigt, weil er aber ganz
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/411>, abgerufen am 16.07.2024. |