Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].nachsehn, wo von Napoleon geweissagt sei. Ich war sehr begierig, diese Stelle kennen zu lernen, und bat sie, mir dieselbe zu zeigen. Während des Suchens erzählte sie mir, durch meine Theilnahme zutraulich gemacht: sie sei in einem kleinen Dorfe in der Ukermark bei armen Aeltern in aller Gottesfurcht aufgewachsen; da seien die bösen Franzosen des Kaisers Napoleon eingerückt, und da sei es ihren Aeltern übel ergangen. Noch schlimmer als die Franzosen seien aber die deutschen Verbündeten derselben gewesen; wenn es bei den unaufhörlichen Durchmärschen geheißen habe: morgen bekommen wir Baiern, so habe alles vor ihrer Rohheit gezittert und gebebt; am schlimmsten seien die Würtenberger und Badenser gewesen; da habe sie einmal ihre Mutter weinen gesehn, und sonst nie wieder. In der Zeit der tiefsten Bedrängniß habe sie den Prediger des Dorfes gefragt, wie es denn möglich sei, daß der liebe Gott dergleichen Schandthaten zulasse, und wie sie sich darüber trösten solle? Er habe ihr erwiedert: die Rathschlüsse Gottes seien unerforschlich, und zum Troste in ihrer Trübsal möge sie nur fleißig in der Bibel lesen. Das habe sie denn gethan, und die Prophezeiung auf Napoleon, stehe Kapitel neun, am eilften "Und hatten über sich einen König, einen Engel aus dem Abgrund, deß Name heißt auf hebräisch Abaddon, auf griechisch hat er den Namen Apollyon". Das sei doch offenbar Napoleon, meinte sie; auch die Zeit treffe ungefähr zu: so wie jener die Menschen fünf Monate lang beleidigt habe, so quäle dieser uns nun schon an die sieben Jahre! Sehr verwundert über diese Schriftauslegung konnte ich es nicht über mich gewinnen, ihr meine philologischen Bedenken dagegen auseinander zu setzen, und verließ sie mit der nachsehn, wo von Napoléon geweissagt sei. Ich war sehr begierig, diese Stelle kennen zu lernen, und bat sie, mir dieselbe zu zeigen. Während des Suchens erzählte sie mir, durch meine Theilnahme zutraulich gemacht: sie sei in einem kleinen Dorfe in der Ukermark bei armen Aeltern in aller Gottesfurcht aufgewachsen; da seien die bösen Franzosen des Kaisers Napoléon eingerückt, und da sei es ihren Aeltern übel ergangen. Noch schlimmer als die Franzosen seien aber die deutschen Verbündeten derselben gewesen; wenn es bei den unaufhörlichen Durchmärschen geheißen habe: morgen bekommen wir Baiern, so habe alles vor ihrer Rohheit gezittert und gebebt; am schlimmsten seien die Würtenberger und Badenser gewesen; da habe sie einmal ihre Mutter weinen gesehn, und sonst nie wieder. In der Zeit der tiefsten Bedrängniß habe sie den Prediger des Dorfes gefragt, wie es denn möglich sei, daß der liebe Gott dergleichen Schandthaten zulasse, und wie sie sich darüber trösten solle? Er habe ihr erwiedert: die Rathschlüsse Gottes seien unerforschlich, und zum Troste in ihrer Trübsal möge sie nur fleißig in der Bibel lesen. Das habe sie denn gethan, und die Prophezeiung auf Napoléon, stehe Kapitel neun, am eilften „Und hatten über sich einen König, einen Engel aus dem Abgrund, deß Name heißt auf hebräisch Abaddon, auf griechisch hat er den Namen Apollyon“. Das sei doch offenbar Napoléon, meinte sie; auch die Zeit treffe ungefähr zu: so wie jener die Menschen fünf Monate lang beleidigt habe, so quäle dieser uns nun schon an die sieben Jahre! Sehr verwundert über diese Schriftauslegung konnte ich es nicht über mich gewinnen, ihr meine philologischen Bedenken dagegen auseinander zu setzen, und verließ sie mit der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0403" n="391"/> nachsehn, wo von Napoléon geweissagt sei. Ich war sehr begierig, diese Stelle kennen zu lernen, und bat sie, mir dieselbe zu zeigen. Während des Suchens erzählte sie mir, durch meine Theilnahme zutraulich gemacht: sie sei in einem kleinen Dorfe in der Ukermark bei armen Aeltern in aller Gottesfurcht aufgewachsen; da seien die bösen Franzosen des Kaisers Napoléon eingerückt, und da sei es ihren Aeltern übel ergangen. Noch schlimmer als die Franzosen seien aber die deutschen Verbündeten derselben gewesen; wenn es bei den unaufhörlichen Durchmärschen geheißen habe: morgen bekommen wir Baiern, so habe alles vor ihrer Rohheit gezittert und gebebt; am schlimmsten seien die Würtenberger und Badenser gewesen; da habe sie einmal ihre Mutter weinen gesehn, und sonst nie wieder. In der Zeit der tiefsten Bedrängniß habe sie den Prediger des Dorfes gefragt, wie es denn möglich sei, daß der liebe Gott dergleichen Schandthaten zulasse, und wie sie sich darüber trösten solle? Er habe ihr erwiedert: die Rathschlüsse Gottes seien unerforschlich, und zum Troste in ihrer Trübsal möge sie nur fleißig in der Bibel lesen. Das habe sie denn gethan, und die Prophezeiung auf Napoléon, stehe Kapitel neun, am eilften „Und hatten über sich einen König, einen Engel aus dem Abgrund, deß Name heißt auf hebräisch Abaddon, auf griechisch hat er den Namen Apollyon“. Das sei doch offenbar Napoléon, meinte sie; auch die Zeit treffe ungefähr zu: so wie jener die Menschen fünf Monate lang beleidigt habe, so quäle dieser uns nun schon an die sieben Jahre! Sehr verwundert über diese Schriftauslegung konnte ich es nicht über mich gewinnen, ihr meine philologischen Bedenken dagegen auseinander zu setzen, und verließ sie mit der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [391/0403]
nachsehn, wo von Napoléon geweissagt sei. Ich war sehr begierig, diese Stelle kennen zu lernen, und bat sie, mir dieselbe zu zeigen. Während des Suchens erzählte sie mir, durch meine Theilnahme zutraulich gemacht: sie sei in einem kleinen Dorfe in der Ukermark bei armen Aeltern in aller Gottesfurcht aufgewachsen; da seien die bösen Franzosen des Kaisers Napoléon eingerückt, und da sei es ihren Aeltern übel ergangen. Noch schlimmer als die Franzosen seien aber die deutschen Verbündeten derselben gewesen; wenn es bei den unaufhörlichen Durchmärschen geheißen habe: morgen bekommen wir Baiern, so habe alles vor ihrer Rohheit gezittert und gebebt; am schlimmsten seien die Würtenberger und Badenser gewesen; da habe sie einmal ihre Mutter weinen gesehn, und sonst nie wieder. In der Zeit der tiefsten Bedrängniß habe sie den Prediger des Dorfes gefragt, wie es denn möglich sei, daß der liebe Gott dergleichen Schandthaten zulasse, und wie sie sich darüber trösten solle? Er habe ihr erwiedert: die Rathschlüsse Gottes seien unerforschlich, und zum Troste in ihrer Trübsal möge sie nur fleißig in der Bibel lesen. Das habe sie denn gethan, und die Prophezeiung auf Napoléon, stehe Kapitel neun, am eilften „Und hatten über sich einen König, einen Engel aus dem Abgrund, deß Name heißt auf hebräisch Abaddon, auf griechisch hat er den Namen Apollyon“. Das sei doch offenbar Napoléon, meinte sie; auch die Zeit treffe ungefähr zu: so wie jener die Menschen fünf Monate lang beleidigt habe, so quäle dieser uns nun schon an die sieben Jahre! Sehr verwundert über diese Schriftauslegung konnte ich es nicht über mich gewinnen, ihr meine philologischen Bedenken dagegen auseinander zu setzen, und verließ sie mit der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |