Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Am 15. August 1813 war der Waffenstillstand nach vergeblichen Friedensunterhandlungen abgelaufen, und nun entbrannte der Krieg auf allen Seiten. Bis zur Mitte des September verging fast kein Tag, an dem nicht Siegesnachrichten und Berichte über mehr oder minder bedeutende Schlachten in Berlin einliefen. Wer vermöchte die Erinnerung an jene große Zeit jemals aus dem Gedächtnisse zu verlieren, und wie erhebend war der Gedanke, daß die Preußen die böse Scharte von 1806 in vollem Maaße auswetzten! Damals rief Friedrich Rückert mit Recht den Franzosen zu: Aber der Geist, Der die Preußen hat angerührt, Der hat's vollführt, Der ist's, der euch geschlagen zumeist! Napoleon war wie immer der Angreifer, und richtete, wie gewöhnlich, seine Schläge auf die feindlichen Hauptstädte. Er sandte den Marschall Oudinot mit einem Heere gegen Berlin, den Marschall Macdonald gegen Breslau, den Marschall Vandamme gegen Prag. Wir sahen bald, daß der Grosvater Eichmann Recht gehabt, den Waffenstillstand für einen Fehler Napoleons zu erklären. Das ganze preußische Volk stand in Waffen bereit, die Oestreicher hatten sich für die deutsche Sache erklärt, die Russen begnügten sich nicht damit, den Feind aus ihren öden Gränzen vertrieben zu haben, sie wollten auch Theil nehmen an der Vernichtung des Unruhestifters, die reichlichen Aerndten waren eingebracht, die Engländer zahlten Subsidien. Die Oestreicher wurden indessen bei ihrem ersten Auf- Am 15. August 1813 war der Waffenstillstand nach vergeblichen Friedensunterhandlungen abgelaufen, und nun entbrannte der Krieg auf allen Seiten. Bis zur Mitte des September verging fast kein Tag, an dem nicht Siegesnachrichten und Berichte über mehr oder minder bedeutende Schlachten in Berlin einliefen. Wer vermöchte die Erinnerung an jene große Zeit jemals aus dem Gedächtnisse zu verlieren, und wie erhebend war der Gedanke, daß die Preußen die böse Scharte von 1806 in vollem Maaße auswetzten! Damals rief Friedrich Rückert mit Recht den Franzosen zu: Aber der Geist, Der die Preußen hat angerührt, Der hat’s vollführt, Der ist’s, der euch geschlagen zumeist! Napoléon war wie immer der Angreifer, und richtete, wie gewöhnlich, seine Schläge auf die feindlichen Hauptstädte. Er sandte den Marschall Oudinot mit einem Heere gegen Berlin, den Marschall Macdonald gegen Breslau, den Marschall Vandamme gegen Prag. Wir sahen bald, daß der Grosvater Eichmann Recht gehabt, den Waffenstillstand für einen Fehler Napoléons zu erklären. Das ganze preußische Volk stand in Waffen bereit, die Oestreicher hatten sich für die deutsche Sache erklärt, die Russen begnügten sich nicht damit, den Feind aus ihren öden Gränzen vertrieben zu haben, sie wollten auch Theil nehmen an der Vernichtung des Unruhestifters, die reichlichen Aerndten waren eingebracht, die Engländer zahlten Subsidien. Die Oestreicher wurden indessen bei ihrem ersten Auf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0393" n="381"/> </p><lb/> <p>Am 15. August 1813 war der Waffenstillstand nach vergeblichen Friedensunterhandlungen abgelaufen, und nun entbrannte der Krieg auf allen Seiten. Bis zur Mitte des September verging fast kein Tag, an dem nicht Siegesnachrichten und Berichte über mehr oder minder bedeutende Schlachten in Berlin einliefen. Wer vermöchte die Erinnerung an jene große Zeit jemals aus dem Gedächtnisse zu verlieren, und wie erhebend war der Gedanke, daß die Preußen die böse Scharte von 1806 in vollem Maaße auswetzten! Damals rief Friedrich Rückert mit Recht den Franzosen zu: </p><lb/> <p>Aber der Geist, </p><lb/> <p>Der die Preußen hat angerührt, </p><lb/> <p>Der hat’s vollführt, </p><lb/> <p>Der ist’s, der euch geschlagen zumeist! </p><lb/> <p>Napoléon war wie immer der Angreifer, und richtete, wie gewöhnlich, seine Schläge auf die feindlichen Hauptstädte. Er sandte den Marschall Oudinot mit einem Heere gegen Berlin, den Marschall Macdonald gegen Breslau, den Marschall Vandamme gegen Prag. Wir sahen bald, daß der Grosvater Eichmann Recht gehabt, den Waffenstillstand für einen Fehler Napoléons zu erklären. Das ganze preußische Volk stand in Waffen bereit, die Oestreicher hatten sich für die deutsche Sache erklärt, die Russen begnügten sich nicht damit, den Feind aus ihren öden Gränzen vertrieben zu haben, sie wollten auch Theil nehmen an der Vernichtung des Unruhestifters, die reichlichen Aerndten waren eingebracht, die Engländer zahlten Subsidien. </p><lb/> <p>Die Oestreicher wurden indessen bei ihrem ersten Auf- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [381/0393]
Am 15. August 1813 war der Waffenstillstand nach vergeblichen Friedensunterhandlungen abgelaufen, und nun entbrannte der Krieg auf allen Seiten. Bis zur Mitte des September verging fast kein Tag, an dem nicht Siegesnachrichten und Berichte über mehr oder minder bedeutende Schlachten in Berlin einliefen. Wer vermöchte die Erinnerung an jene große Zeit jemals aus dem Gedächtnisse zu verlieren, und wie erhebend war der Gedanke, daß die Preußen die böse Scharte von 1806 in vollem Maaße auswetzten! Damals rief Friedrich Rückert mit Recht den Franzosen zu:
Aber der Geist,
Der die Preußen hat angerührt,
Der hat’s vollführt,
Der ist’s, der euch geschlagen zumeist!
Napoléon war wie immer der Angreifer, und richtete, wie gewöhnlich, seine Schläge auf die feindlichen Hauptstädte. Er sandte den Marschall Oudinot mit einem Heere gegen Berlin, den Marschall Macdonald gegen Breslau, den Marschall Vandamme gegen Prag. Wir sahen bald, daß der Grosvater Eichmann Recht gehabt, den Waffenstillstand für einen Fehler Napoléons zu erklären. Das ganze preußische Volk stand in Waffen bereit, die Oestreicher hatten sich für die deutsche Sache erklärt, die Russen begnügten sich nicht damit, den Feind aus ihren öden Gränzen vertrieben zu haben, sie wollten auch Theil nehmen an der Vernichtung des Unruhestifters, die reichlichen Aerndten waren eingebracht, die Engländer zahlten Subsidien.
Die Oestreicher wurden indessen bei ihrem ersten Auf-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/393>, abgerufen am 16.02.2025. |