Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].-------- Der Turnplatz in der Hasenheide wurde nach Jahns Abgange zum Lützowschen Freicorps von seinem Schüler Eiselen geleitet. Die Reihen der älteren Turner waren sehr gelichtet, und von den zurückgebliebenen warteten viele nur auf ihren Geburtstag, um nach vollendetem 17. Jahre sogleich zum Heere zu eilen. Manche waren vor Ungeduld nicht zu halten und entfernten sich schon früher. Unter den Vorturnern war ein Herr von Arnim, durch Kraft und Gewandtheit ausgezeichnet, der Liebling des Turnplatzes. Als er an einem Nachmittage fehlte, hörten wir, er sei, eben erst 16 Jahre alt, aus dem väterlichen Hause heimlich in den Krieg gegangen. Wir beneideten ihn um diesen heldenmüthigen Entschluß, aber bald war der Vorfall im Drange so vieler größeren Ereignisse vergessen. Erst viele Jahre später erfuhr ich mit Bestimmtheit, dies sei jener Arnim gewesen, der in der Schlacht bei Ligny von 16 Lanzenstichen der polnischen Ulanen durchbohrt, dann durch ein therapeutisches Wunder vom Tode gerettet, und bis auf einen lahmen Fuß wiederhergestellt worden sei. Er hieß daher der lahme Arnim zur Unterscheidung von den überaus zahlreichen Mitgliedern der Familie, die sich sonst in die schönen und reichen Arnims theilte. Später widmete er sich der diplomatischen Laufbahn. Während der schwachen Anläufe Friedrich Wilhelms des IV. zu einer verfassungsmäßigen Regierung, und nach dem 18. März 1848 war Herr von Arnim eine oftgenannte ministerielle und parlamentarische Größe, doch zog er sich bald von den Geschäften zurück, und starb vor wenigen Jahren auf seinen Gütern am Niederrhein. Während des Waffenstillstandes kam Jahn auf Urlaub nach Berlin, und besuchte am 28. Juli den Turnplatz. ———— Der Turnplatz in der Hasenheide wurde nach Jahns Abgange zum Lützowschen Freicorps von seinem Schüler Eiselen geleitet. Die Reihen der älteren Turner waren sehr gelichtet, und von den zurückgebliebenen warteten viele nur auf ihren Geburtstag, um nach vollendetem 17. Jahre sogleich zum Heere zu eilen. Manche waren vor Ungeduld nicht zu halten und entfernten sich schon früher. Unter den Vorturnern war ein Herr von Arnim, durch Kraft und Gewandtheit ausgezeichnet, der Liebling des Turnplatzes. Als er an einem Nachmittage fehlte, hörten wir, er sei, eben erst 16 Jahre alt, aus dem väterlichen Hause heimlich in den Krieg gegangen. Wir beneideten ihn um diesen heldenmüthigen Entschluß, aber bald war der Vorfall im Drange so vieler größeren Ereignisse vergessen. Erst viele Jahre später erfuhr ich mit Bestimmtheit, dies sei jener Arnim gewesen, der in der Schlacht bei Ligny von 16 Lanzenstichen der polnischen Ulanen durchbohrt, dann durch ein therapeutisches Wunder vom Tode gerettet, und bis auf einen lahmen Fuß wiederhergestellt worden sei. Er hieß daher der lahme Arnim zur Unterscheidung von den überaus zahlreichen Mitgliedern der Familie, die sich sonst in die schönen und reichen Arnims theilte. Später widmete er sich der diplomatischen Laufbahn. Während der schwachen Anläufe Friedrich Wilhelms des IV. zu einer verfassungsmäßigen Regierung, und nach dem 18. März 1848 war Herr von Arnim eine oftgenannte ministerielle und parlamentarische Größe, doch zog er sich bald von den Geschäften zurück, und starb vor wenigen Jahren auf seinen Gütern am Niederrhein. Während des Waffenstillstandes kam Jahn auf Urlaub nach Berlin, und besuchte am 28. Juli den Turnplatz. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0386" n="374"/> </p><lb/> <p rendition="#c">————</p><lb/> <p>Der Turnplatz in der Hasenheide wurde nach Jahns Abgange zum Lützowschen Freicorps von seinem Schüler Eiselen geleitet. Die Reihen der älteren Turner waren sehr gelichtet, und von den zurückgebliebenen warteten viele nur auf ihren Geburtstag, um nach vollendetem 17. Jahre sogleich zum Heere zu eilen. Manche waren vor Ungeduld nicht zu halten und entfernten sich schon früher. Unter den Vorturnern war ein Herr von Arnim, durch Kraft und Gewandtheit ausgezeichnet, der Liebling des Turnplatzes. Als er an einem Nachmittage fehlte, hörten wir, er sei, eben erst 16 Jahre alt, aus dem väterlichen Hause heimlich in den Krieg gegangen. Wir beneideten ihn um diesen heldenmüthigen Entschluß, aber bald war der Vorfall im Drange so vieler größeren Ereignisse vergessen. Erst viele Jahre später erfuhr ich mit Bestimmtheit, dies sei jener Arnim gewesen, der in der Schlacht bei Ligny von 16 Lanzenstichen der polnischen Ulanen durchbohrt, dann durch ein therapeutisches Wunder vom Tode gerettet, und bis auf einen lahmen Fuß wiederhergestellt worden sei. Er hieß daher der lahme Arnim zur Unterscheidung von den überaus zahlreichen Mitgliedern der Familie, die sich sonst in die schönen und reichen Arnims theilte. Später widmete er sich der diplomatischen Laufbahn. Während der schwachen Anläufe Friedrich Wilhelms des IV. zu einer verfassungsmäßigen Regierung, und nach dem 18. März 1848 war Herr von Arnim eine oftgenannte ministerielle und parlamentarische Größe, doch zog er sich bald von den Geschäften zurück, und starb vor wenigen Jahren auf seinen Gütern am Niederrhein. </p><lb/> <p>Während des Waffenstillstandes kam Jahn auf Urlaub nach Berlin, und besuchte am 28. Juli den Turnplatz. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [374/0386]
————
Der Turnplatz in der Hasenheide wurde nach Jahns Abgange zum Lützowschen Freicorps von seinem Schüler Eiselen geleitet. Die Reihen der älteren Turner waren sehr gelichtet, und von den zurückgebliebenen warteten viele nur auf ihren Geburtstag, um nach vollendetem 17. Jahre sogleich zum Heere zu eilen. Manche waren vor Ungeduld nicht zu halten und entfernten sich schon früher. Unter den Vorturnern war ein Herr von Arnim, durch Kraft und Gewandtheit ausgezeichnet, der Liebling des Turnplatzes. Als er an einem Nachmittage fehlte, hörten wir, er sei, eben erst 16 Jahre alt, aus dem väterlichen Hause heimlich in den Krieg gegangen. Wir beneideten ihn um diesen heldenmüthigen Entschluß, aber bald war der Vorfall im Drange so vieler größeren Ereignisse vergessen. Erst viele Jahre später erfuhr ich mit Bestimmtheit, dies sei jener Arnim gewesen, der in der Schlacht bei Ligny von 16 Lanzenstichen der polnischen Ulanen durchbohrt, dann durch ein therapeutisches Wunder vom Tode gerettet, und bis auf einen lahmen Fuß wiederhergestellt worden sei. Er hieß daher der lahme Arnim zur Unterscheidung von den überaus zahlreichen Mitgliedern der Familie, die sich sonst in die schönen und reichen Arnims theilte. Später widmete er sich der diplomatischen Laufbahn. Während der schwachen Anläufe Friedrich Wilhelms des IV. zu einer verfassungsmäßigen Regierung, und nach dem 18. März 1848 war Herr von Arnim eine oftgenannte ministerielle und parlamentarische Größe, doch zog er sich bald von den Geschäften zurück, und starb vor wenigen Jahren auf seinen Gütern am Niederrhein.
Während des Waffenstillstandes kam Jahn auf Urlaub nach Berlin, und besuchte am 28. Juli den Turnplatz.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/386 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/386>, abgerufen am 17.07.2024. |