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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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dem unglücklichen Kriege von 1806 manches erzählte. Damals sei alles Misgeschick von der unsichern und verkehrten Führung hergekommen. Nachdem der alte Herzog von Braunschweig in der Schlacht bei Jena tödtlich verwundet worden, habe niemand mehr gewußt, was zu thun sei. Den Soldaten habe es an Muth und gutem Willen nicht gefehlt, allein die Offiziere hätten von der richtigen Behandlung der Leute keinen Begriff gehabt. Das müsse nun alles anders werden, und diesmal wolle man den Franzosen zeigen, daß eine gute Kriegszucht wiederum bei uns einheimisch geworden sei.

In unsrer Kinderstube hing ein buntes Blättchen mit der Darstellung eines hitzigen Reitergefechtes. Die Unterschrift besagte, daß ein Rittmeister von Puttlitz, als er schon vom Pferde gehauen war, durch seinen treuen Reitknecht gerettet wurde, der sich über ihn warf, und die Hiebe der Feinde auffing. Lange wagten wir nicht, unseren Gast zu fragen, ob er derselbe Puttlitz sei? aber mein Vater ermuthigte uns dazu. Fritz, der von Blödigkeit nichts wußte, nahm das Bildchen von der Wand, und brachte es dem Obersten eines Tages über Tische. Die Freude und Rührung des alten Herrn waren groß, als er seine Geschichte auf dem kleinen Nürnberger Kupferstiche dargestellt sah. Er gab uns nun eine ausführliche Erzählung des Vorfalles, aus der ich nur behalten habe, daß der treue Reitknecht noch am Leben und in seinen Diensten sei.

Nicht minder angenehm gestaltete sich das Verhältniß zu dem Generale von Valentini. Zwischen ihm und meinen Aeltern knüpfte sich eine dauernde Freundschaft, und er blieb immer ein hochwillkomner Gast des Hauses. Mein

dem unglücklichen Kriege von 1806 manches erzählte. Damals sei alles Misgeschick von der unsichern und verkehrten Führung hergekommen. Nachdem der alte Herzog von Braunschweig in der Schlacht bei Jena tödtlich verwundet worden, habe niemand mehr gewußt, was zu thun sei. Den Soldaten habe es an Muth und gutem Willen nicht gefehlt, allein die Offiziere hätten von der richtigen Behandlung der Leute keinen Begriff gehabt. Das müsse nun alles anders werden, und diesmal wolle man den Franzosen zeigen, daß eine gute Kriegszucht wiederum bei uns einheimisch geworden sei.

In unsrer Kinderstube hing ein buntes Blättchen mit der Darstellung eines hitzigen Reitergefechtes. Die Unterschrift besagte, daß ein Rittmeister von Puttlitz, als er schon vom Pferde gehauen war, durch seinen treuen Reitknecht gerettet wurde, der sich über ihn warf, und die Hiebe der Feinde auffing. Lange wagten wir nicht, unseren Gast zu fragen, ob er derselbe Puttlitz sei? aber mein Vater ermuthigte uns dazu. Fritz, der von Blödigkeit nichts wußte, nahm das Bildchen von der Wand, und brachte es dem Obersten eines Tages über Tische. Die Freude und Rührung des alten Herrn waren groß, als er seine Geschichte auf dem kleinen Nürnberger Kupferstiche dargestellt sah. Er gab uns nun eine ausführliche Erzählung des Vorfalles, aus der ich nur behalten habe, daß der treue Reitknecht noch am Leben und in seinen Diensten sei.

Nicht minder angenehm gestaltete sich das Verhältniß zu dem Generale von Valentini. Zwischen ihm und meinen Aeltern knüpfte sich eine dauernde Freundschaft, und er blieb immer ein hochwillkomner Gast des Hauses. Mein

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dem unglücklichen Kriege von 1806 manches erzählte. Damals sei alles Misgeschick von der unsichern und verkehrten Führung hergekommen. Nachdem der alte Herzog von Braunschweig in der Schlacht bei Jena tödtlich verwundet worden, habe niemand mehr gewußt, was zu thun sei. Den Soldaten habe es an Muth und gutem Willen nicht gefehlt, allein die Offiziere hätten von der richtigen Behandlung der Leute keinen Begriff gehabt. Das müsse nun alles anders werden, und diesmal wolle man den Franzosen zeigen, daß eine gute Kriegszucht wiederum bei uns einheimisch geworden sei. </p><lb/>
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[372/0384] dem unglücklichen Kriege von 1806 manches erzählte. Damals sei alles Misgeschick von der unsichern und verkehrten Führung hergekommen. Nachdem der alte Herzog von Braunschweig in der Schlacht bei Jena tödtlich verwundet worden, habe niemand mehr gewußt, was zu thun sei. Den Soldaten habe es an Muth und gutem Willen nicht gefehlt, allein die Offiziere hätten von der richtigen Behandlung der Leute keinen Begriff gehabt. Das müsse nun alles anders werden, und diesmal wolle man den Franzosen zeigen, daß eine gute Kriegszucht wiederum bei uns einheimisch geworden sei. In unsrer Kinderstube hing ein buntes Blättchen mit der Darstellung eines hitzigen Reitergefechtes. Die Unterschrift besagte, daß ein Rittmeister von Puttlitz, als er schon vom Pferde gehauen war, durch seinen treuen Reitknecht gerettet wurde, der sich über ihn warf, und die Hiebe der Feinde auffing. Lange wagten wir nicht, unseren Gast zu fragen, ob er derselbe Puttlitz sei? aber mein Vater ermuthigte uns dazu. Fritz, der von Blödigkeit nichts wußte, nahm das Bildchen von der Wand, und brachte es dem Obersten eines Tages über Tische. Die Freude und Rührung des alten Herrn waren groß, als er seine Geschichte auf dem kleinen Nürnberger Kupferstiche dargestellt sah. Er gab uns nun eine ausführliche Erzählung des Vorfalles, aus der ich nur behalten habe, daß der treue Reitknecht noch am Leben und in seinen Diensten sei. Nicht minder angenehm gestaltete sich das Verhältniß zu dem Generale von Valentini. Zwischen ihm und meinen Aeltern knüpfte sich eine dauernde Freundschaft, und er blieb immer ein hochwillkomner Gast des Hauses. Mein

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/384>, abgerufen am 17.07.2024.