Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].auszufahren, um uns die fremden Gäste anzusehn. Das kleine Lager war mit musterhafter Sorgfalt eingerichtet. An den Zelten fiel uns die unbeschreiblich grobe Leinwand auf, ein Produkt des harten schwedischen Flachses. Die Soldaten waren von ungewöhnlicher Größe, mehr schlank als kräftig gebaut. Man hätte den abgehärteten Söhnen des hohen Nordens eine große Kraft in der Ertragung von Strapazen zutrauen können, dem war aber nicht so. Es zeigte sich später im Laufe des Feldzuges, daß bei einem irgend anstrengenden Marsche die langen Schweden weit eher liegen blieben, als unsere dachsbeinigen Ukermärker und gedrungenen Pommern. Im Lager hörte man ab und zu den Gesang schwedischer Volkslieder, die in ihren melancholischen und sehr einförmigen Rhythmen die Sehnsucht der Nordländer nach einem glücklicheren Himmel auszudrücken schienen. Auch Nationaltänze wurden aufgeführt, deren einen wir gleich auf der Stelle den "doppelten Ringeltanz" nannten. Acht bis zwölf Mann bildeten einen Kreis, und legten sich gegenseitig die Hände auf die Schultern. Auf diese kletterten andre acht oder zwölf Mann, stellten sich auf die Schultern der unteren, und bildeten einen zweiten Kreis. Das Ganze bewegte sich dann langsam bald rechts, bald links herum. Unter den zahlreichen Feinden des Kaisers Napoleon befand sich auch der ehemalige französische General Moreau, berühmt durch seine Heldenthaten in den Kriegen der Revolution. Er machte i. J. 1796 einen meisterhaften Rückzug von 40 Tagen aus dem Donauthale bis Hüningen, und besiegte die Oestreicher am 3. Dec. 1800 in der großen Schlacht bei Hohenlinden. Als Bonaparte nach dem Kaiserreich strebte, ward Moreau i. J. 1804 nebst mehreren auszufahren, um uns die fremden Gäste anzusehn. Das kleine Lager war mit musterhafter Sorgfalt eingerichtet. An den Zelten fiel uns die unbeschreiblich grobe Leinwand auf, ein Produkt des harten schwedischen Flachses. Die Soldaten waren von ungewöhnlicher Größe, mehr schlank als kräftig gebaut. Man hätte den abgehärteten Söhnen des hohen Nordens eine große Kraft in der Ertragung von Strapazen zutrauen können, dem war aber nicht so. Es zeigte sich später im Laufe des Feldzuges, daß bei einem irgend anstrengenden Marsche die langen Schweden weit eher liegen blieben, als unsere dachsbeinigen Ukermärker und gedrungenen Pommern. Im Lager hörte man ab und zu den Gesang schwedischer Volkslieder, die in ihren melancholischen und sehr einförmigen Rhythmen die Sehnsucht der Nordländer nach einem glücklicheren Himmel auszudrücken schienen. Auch Nationaltänze wurden aufgeführt, deren einen wir gleich auf der Stelle den „doppelten Ringeltanz“ nannten. Acht bis zwölf Mann bildeten einen Kreis, und legten sich gegenseitig die Hände auf die Schultern. Auf diese kletterten andre acht oder zwölf Mann, stellten sich auf die Schultern der unteren, und bildeten einen zweiten Kreis. Das Ganze bewegte sich dann langsam bald rechts, bald links herum. Unter den zahlreichen Feinden des Kaisers Napoléon befand sich auch der ehemalige französische General Moreau, berühmt durch seine Heldenthaten in den Kriegen der Revolution. Er machte i. J. 1796 einen meisterhaften Rückzug von 40 Tagen aus dem Donauthale bis Hüningen, und besiegte die Oestreicher am 3. Dec. 1800 in der großen Schlacht bei Hohenlinden. Als Bonaparte nach dem Kaiserreich strebte, ward Moreau i. J. 1804 nebst mehreren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0382" n="370"/> auszufahren, um uns die fremden Gäste anzusehn. Das kleine Lager war mit musterhafter Sorgfalt eingerichtet. An den Zelten fiel uns die unbeschreiblich grobe Leinwand auf, ein Produkt des harten schwedischen Flachses. Die Soldaten waren von ungewöhnlicher Größe, mehr schlank als kräftig gebaut. Man hätte den abgehärteten Söhnen des hohen Nordens eine große Kraft in der Ertragung von Strapazen zutrauen können, dem war aber nicht so. Es zeigte sich später im Laufe des Feldzuges, daß bei einem irgend anstrengenden Marsche die langen Schweden weit eher liegen blieben, als unsere dachsbeinigen Ukermärker und gedrungenen Pommern. Im Lager hörte man ab und zu den Gesang schwedischer Volkslieder, die in ihren melancholischen und sehr einförmigen Rhythmen die Sehnsucht der Nordländer nach einem glücklicheren Himmel auszudrücken schienen. Auch Nationaltänze wurden aufgeführt, deren einen wir gleich auf der Stelle den „doppelten Ringeltanz“ nannten. Acht bis zwölf Mann bildeten einen Kreis, und legten sich gegenseitig die Hände auf die Schultern. Auf diese kletterten andre acht oder zwölf Mann, stellten sich auf die Schultern der unteren, und bildeten einen zweiten Kreis. 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auszufahren, um uns die fremden Gäste anzusehn. Das kleine Lager war mit musterhafter Sorgfalt eingerichtet. An den Zelten fiel uns die unbeschreiblich grobe Leinwand auf, ein Produkt des harten schwedischen Flachses. Die Soldaten waren von ungewöhnlicher Größe, mehr schlank als kräftig gebaut. Man hätte den abgehärteten Söhnen des hohen Nordens eine große Kraft in der Ertragung von Strapazen zutrauen können, dem war aber nicht so. Es zeigte sich später im Laufe des Feldzuges, daß bei einem irgend anstrengenden Marsche die langen Schweden weit eher liegen blieben, als unsere dachsbeinigen Ukermärker und gedrungenen Pommern. Im Lager hörte man ab und zu den Gesang schwedischer Volkslieder, die in ihren melancholischen und sehr einförmigen Rhythmen die Sehnsucht der Nordländer nach einem glücklicheren Himmel auszudrücken schienen. Auch Nationaltänze wurden aufgeführt, deren einen wir gleich auf der Stelle den „doppelten Ringeltanz“ nannten. Acht bis zwölf Mann bildeten einen Kreis, und legten sich gegenseitig die Hände auf die Schultern. Auf diese kletterten andre acht oder zwölf Mann, stellten sich auf die Schultern der unteren, und bildeten einen zweiten Kreis. Das Ganze bewegte sich dann langsam bald rechts, bald links herum.
Unter den zahlreichen Feinden des Kaisers Napoléon befand sich auch der ehemalige französische General Moreau, berühmt durch seine Heldenthaten in den Kriegen der Revolution. Er machte i. J. 1796 einen meisterhaften Rückzug von 40 Tagen aus dem Donauthale bis Hüningen, und besiegte die Oestreicher am 3. Dec. 1800 in der großen Schlacht bei Hohenlinden. Als Bonaparte nach dem Kaiserreich strebte, ward Moreau i. J. 1804 nebst mehreren
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/382>, abgerufen am 18.07.2024. |