Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ruhigten. Am grimmigsten war der alte Haudegen Blücher über das nochmalige Zurückweichen, dessen gebieterische Nothwendigkeit er jedoch anerkannte. Man erzählte, daß als er Tags darauf an seiner pommerschen Landwehr hinritt, viele Stimmen aus den Reihen laut wurden: Vater Blücher, nicht mehr zurück! Ja Kinder, habe er erwiedert, wenn's nach mir ginge! - hier stockte er, warf sein Pferd herum, und man wollte bemerkt haben, daß er sich die Augen trockne. Auch durch dieses zweite Mißgeschick ward das felsenfeste Vertrauen des preußischen Volkes auf das endliche Gelingen der guten Sache nicht erschüttert. Unausgesetzt strömten die Freiwilligen zu den Fahnen, und die Einrichtung der Landwehr ward in allen Provinzen mit dem grösten Eifer fortgesetzt. Jedermann erwartete nun ein um so rascheres Vorgehn, und hoffte, daß die Preußen bei einem dritten Zusammenstoße die beiden Scharten von Lützen und Bautzen auswetzen würden. Man hörte damals sehr häufig von den gemeinen Leuten einen Ausdruck, der, wie der alte Bediente Friedrich uns mit weiser Miene versicherte, aus dem siebenjährigen Kriege, wo nicht gar aus der Schwedenzeit herstammen sollte: Dreimal ist die brandenburgische Losung! Desto überraschender war uns die Nachricht, daß am 4. Juni ein Waffenstillstand von 20 Tagen mit den Franzosen abgeschlossen sei, der dann noch bis zum 16. August verlängert ward. So schien denn alles wieder in Frage gestellt, und eine endliche Lösung des Knotens in weite Ferne gerückt. Noch niederschlagender wirkte die Kunde, daß man in Dresden mit Napoleon, dem Erbfeinde des deutschen Namens, Friedensunterhandlungen angeknüpft. ruhigten. Am grimmigsten war der alte Haudegen Blücher über das nochmalige Zurückweichen, dessen gebieterische Nothwendigkeit er jedoch anerkannte. Man erzählte, daß als er Tags darauf an seiner pommerschen Landwehr hinritt, viele Stimmen aus den Reihen laut wurden: Vater Blücher, nicht mehr zurück! Ja Kinder, habe er erwiedert, wenn’s nach mir ginge! – hier stockte er, warf sein Pferd herum, und man wollte bemerkt haben, daß er sich die Augen trockne. Auch durch dieses zweite Mißgeschick ward das felsenfeste Vertrauen des preußischen Volkes auf das endliche Gelingen der guten Sache nicht erschüttert. Unausgesetzt strömten die Freiwilligen zu den Fahnen, und die Einrichtung der Landwehr ward in allen Provinzen mit dem grösten Eifer fortgesetzt. Jedermann erwartete nun ein um so rascheres Vorgehn, und hoffte, daß die Preußen bei einem dritten Zusammenstoße die beiden Scharten von Lützen und Bautzen auswetzen würden. Man hörte damals sehr häufig von den gemeinen Leuten einen Ausdruck, der, wie der alte Bediente Friedrich uns mit weiser Miene versicherte, aus dem siebenjährigen Kriege, wo nicht gar aus der Schwedenzeit herstammen sollte: Dreimal ist die brandenburgische Losung! Desto überraschender war uns die Nachricht, daß am 4. Juni ein Waffenstillstand von 20 Tagen mit den Franzosen abgeschlossen sei, der dann noch bis zum 16. August verlängert ward. So schien denn alles wieder in Frage gestellt, und eine endliche Lösung des Knotens in weite Ferne gerückt. Noch niederschlagender wirkte die Kunde, daß man in Dresden mit Napoléon, dem Erbfeinde des deutschen Namens, Friedensunterhandlungen angeknüpft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0375" n="363"/> ruhigten. Am grimmigsten war der alte Haudegen Blücher über das nochmalige Zurückweichen, dessen gebieterische Nothwendigkeit er jedoch anerkannte. Man erzählte, daß als er Tags darauf an seiner pommerschen Landwehr hinritt, viele Stimmen aus den Reihen laut wurden: Vater Blücher, nicht mehr zurück! Ja Kinder, habe er erwiedert, wenn’s nach mir ginge! – hier stockte er, warf sein Pferd herum, und man wollte bemerkt haben, daß er sich die Augen trockne. </p><lb/> <p>Auch durch dieses zweite Mißgeschick ward das felsenfeste Vertrauen des preußischen Volkes auf das endliche Gelingen der guten Sache nicht erschüttert. Unausgesetzt strömten die Freiwilligen zu den Fahnen, und die Einrichtung der Landwehr ward in allen Provinzen mit dem grösten Eifer fortgesetzt. Jedermann erwartete nun ein um so rascheres Vorgehn, und hoffte, daß die Preußen bei einem dritten Zusammenstoße die beiden Scharten von Lützen und Bautzen auswetzen würden. Man hörte damals sehr häufig von den gemeinen Leuten einen Ausdruck, der, wie der alte Bediente Friedrich uns mit weiser Miene versicherte, aus dem siebenjährigen Kriege, wo nicht gar aus der Schwedenzeit herstammen sollte: Dreimal ist die brandenburgische Losung! </p><lb/> <p>Desto überraschender war uns die Nachricht, daß am 4. Juni ein Waffenstillstand von 20 Tagen mit den Franzosen abgeschlossen sei, der dann noch bis zum 16. August verlängert ward. So schien denn alles wieder in Frage gestellt, und eine endliche Lösung des Knotens in weite Ferne gerückt. Noch niederschlagender wirkte die Kunde, daß man in Dresden mit Napoléon, dem Erbfeinde des deutschen Namens, Friedensunterhandlungen angeknüpft. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [363/0375]
ruhigten. Am grimmigsten war der alte Haudegen Blücher über das nochmalige Zurückweichen, dessen gebieterische Nothwendigkeit er jedoch anerkannte. Man erzählte, daß als er Tags darauf an seiner pommerschen Landwehr hinritt, viele Stimmen aus den Reihen laut wurden: Vater Blücher, nicht mehr zurück! Ja Kinder, habe er erwiedert, wenn’s nach mir ginge! – hier stockte er, warf sein Pferd herum, und man wollte bemerkt haben, daß er sich die Augen trockne.
Auch durch dieses zweite Mißgeschick ward das felsenfeste Vertrauen des preußischen Volkes auf das endliche Gelingen der guten Sache nicht erschüttert. Unausgesetzt strömten die Freiwilligen zu den Fahnen, und die Einrichtung der Landwehr ward in allen Provinzen mit dem grösten Eifer fortgesetzt. Jedermann erwartete nun ein um so rascheres Vorgehn, und hoffte, daß die Preußen bei einem dritten Zusammenstoße die beiden Scharten von Lützen und Bautzen auswetzen würden. Man hörte damals sehr häufig von den gemeinen Leuten einen Ausdruck, der, wie der alte Bediente Friedrich uns mit weiser Miene versicherte, aus dem siebenjährigen Kriege, wo nicht gar aus der Schwedenzeit herstammen sollte: Dreimal ist die brandenburgische Losung!
Desto überraschender war uns die Nachricht, daß am 4. Juni ein Waffenstillstand von 20 Tagen mit den Franzosen abgeschlossen sei, der dann noch bis zum 16. August verlängert ward. So schien denn alles wieder in Frage gestellt, und eine endliche Lösung des Knotens in weite Ferne gerückt. Noch niederschlagender wirkte die Kunde, daß man in Dresden mit Napoléon, dem Erbfeinde des deutschen Namens, Friedensunterhandlungen angeknüpft.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/375>, abgerufen am 05.07.2024. |