Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Auf dem langen Wege hörte Fritz nicht auf, zu schwatzen und zu fragen, so daß der Vetter, welcher immer zu Späßen angelegt war, der Versuchung nicht widerstehn konnte, ihn etwas aufzuziehn. Werden wir denn wohl eine Kanonenkugel oder eine Bombe fliegen sehn? fragte Fritz. Mehr als eine, war die Antwort, doch mußt du, wenn eine Bombe kömmt, hübsch vorsichtig auf die Seite treten, und vor einer Kanonenkugel den Kopf wegbiegen. - Kann aber die Bombe nicht platzen? - Ja wohl; entweder sie platzt in der Luft, und fällt in Stücken auseinander, oder sie fährt in den Boden, und wühlt ein großes Loch; dann mußt du Erde auf den Zünder werfen, damit er ausgeht. - Fritz hatte sonst Muth wie ein Löwe, und fürchtete sich in der Schule nicht, mit den überlegensten Gegnern anzubinden, aber offenbar war ihm der Gedanke einer heransausenden Kanonenkugel oder einer herabfallenden Bombe nicht angenehm. Je näher wir kamen, desto lauter tönte das Schießen; vom Spandauer Berge aus sah man in der Ferne die Festung liegen. Es war ein kalter regnerischer Apriltag, der Himmel von dichten bleigrauen Wolken umzogen. Mehrere andre Wagen aus Berlin hatten sich hier zusammengefunden, doch weil die Höhe zu unbedeutend und das Wetter zu trübe war, so konnte man eben nur die Thürme von Spandau unterscheiden, und einige schmale Erdstreifen zeigte man uns als die Belagerungswerke. Hin und wieder sah man aus den Batterien einen blauen Rauch aufsteigen, dem nach einigen Sekunden ein Knall folgte. Bei dem fortgesetzten Schießen konnte man bald nicht mehr unterscheiden, zu welchem Rauche der nachfolgende Knall gehörte. Bomben wurden an diesem Nachmittage nicht geworfen, Fritz Auf dem langen Wege hörte Fritz nicht auf, zu schwatzen und zu fragen, so daß der Vetter, welcher immer zu Späßen angelegt war, der Versuchung nicht widerstehn konnte, ihn etwas aufzuziehn. Werden wir denn wohl eine Kanonenkugel oder eine Bombe fliegen sehn? fragte Fritz. Mehr als eine, war die Antwort, doch mußt du, wenn eine Bombe kömmt, hübsch vorsichtig auf die Seite treten, und vor einer Kanonenkugel den Kopf wegbiegen. – Kann aber die Bombe nicht platzen? – Ja wohl; entweder sie platzt in der Luft, und fällt in Stücken auseinander, oder sie fährt in den Boden, und wühlt ein großes Loch; dann mußt du Erde auf den Zünder werfen, damit er ausgeht. – Fritz hatte sonst Muth wie ein Löwe, und fürchtete sich in der Schule nicht, mit den überlegensten Gegnern anzubinden, aber offenbar war ihm der Gedanke einer heransausenden Kanonenkugel oder einer herabfallenden Bombe nicht angenehm. Je näher wir kamen, desto lauter tönte das Schießen; vom Spandauer Berge aus sah man in der Ferne die Festung liegen. Es war ein kalter regnerischer Apriltag, der Himmel von dichten bleigrauen Wolken umzogen. Mehrere andre Wagen aus Berlin hatten sich hier zusammengefunden, doch weil die Höhe zu unbedeutend und das Wetter zu trübe war, so konnte man eben nur die Thürme von Spandau unterscheiden, und einige schmale Erdstreifen zeigte man uns als die Belagerungswerke. Hin und wieder sah man aus den Batterien einen blauen Rauch aufsteigen, dem nach einigen Sekunden ein Knall folgte. Bei dem fortgesetzten Schießen konnte man bald nicht mehr unterscheiden, zu welchem Rauche der nachfolgende Knall gehörte. Bomben wurden an diesem Nachmittage nicht geworfen, Fritz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0362" n="350"/> Auf dem langen Wege hörte Fritz nicht auf, zu schwatzen und zu fragen, so daß der Vetter, welcher immer zu Späßen angelegt war, der Versuchung nicht widerstehn konnte, ihn etwas aufzuziehn. Werden wir denn wohl eine Kanonenkugel oder eine Bombe fliegen sehn? fragte Fritz. Mehr als eine, war die Antwort, doch mußt du, wenn eine Bombe kömmt, hübsch vorsichtig auf die Seite treten, und vor einer Kanonenkugel den Kopf wegbiegen. – Kann aber die Bombe nicht platzen? – Ja wohl; entweder sie platzt in der Luft, und fällt in Stücken auseinander, oder sie fährt in den Boden, und wühlt ein großes Loch; dann mußt du Erde auf den Zünder werfen, damit er ausgeht. – Fritz hatte sonst Muth wie ein Löwe, und fürchtete sich in der Schule nicht, mit den überlegensten Gegnern anzubinden, aber offenbar war ihm der Gedanke einer heransausenden Kanonenkugel oder einer herabfallenden Bombe nicht angenehm. </p><lb/> <p>Je näher wir kamen, desto lauter tönte das Schießen; vom Spandauer Berge aus sah man in der Ferne die Festung liegen. Es war ein kalter regnerischer Apriltag, der Himmel von dichten bleigrauen Wolken umzogen. Mehrere andre Wagen aus Berlin hatten sich hier zusammengefunden, doch weil die Höhe zu unbedeutend und das Wetter zu trübe war, so konnte man eben nur die Thürme von Spandau unterscheiden, und einige schmale Erdstreifen zeigte man uns als die Belagerungswerke. Hin und wieder sah man aus den Batterien einen blauen Rauch aufsteigen, dem nach einigen Sekunden ein Knall folgte. Bei dem fortgesetzten Schießen konnte man bald nicht mehr unterscheiden, zu welchem Rauche der nachfolgende Knall gehörte. Bomben wurden an diesem Nachmittage nicht geworfen, Fritz </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0362]
Auf dem langen Wege hörte Fritz nicht auf, zu schwatzen und zu fragen, so daß der Vetter, welcher immer zu Späßen angelegt war, der Versuchung nicht widerstehn konnte, ihn etwas aufzuziehn. Werden wir denn wohl eine Kanonenkugel oder eine Bombe fliegen sehn? fragte Fritz. Mehr als eine, war die Antwort, doch mußt du, wenn eine Bombe kömmt, hübsch vorsichtig auf die Seite treten, und vor einer Kanonenkugel den Kopf wegbiegen. – Kann aber die Bombe nicht platzen? – Ja wohl; entweder sie platzt in der Luft, und fällt in Stücken auseinander, oder sie fährt in den Boden, und wühlt ein großes Loch; dann mußt du Erde auf den Zünder werfen, damit er ausgeht. – Fritz hatte sonst Muth wie ein Löwe, und fürchtete sich in der Schule nicht, mit den überlegensten Gegnern anzubinden, aber offenbar war ihm der Gedanke einer heransausenden Kanonenkugel oder einer herabfallenden Bombe nicht angenehm.
Je näher wir kamen, desto lauter tönte das Schießen; vom Spandauer Berge aus sah man in der Ferne die Festung liegen. Es war ein kalter regnerischer Apriltag, der Himmel von dichten bleigrauen Wolken umzogen. Mehrere andre Wagen aus Berlin hatten sich hier zusammengefunden, doch weil die Höhe zu unbedeutend und das Wetter zu trübe war, so konnte man eben nur die Thürme von Spandau unterscheiden, und einige schmale Erdstreifen zeigte man uns als die Belagerungswerke. Hin und wieder sah man aus den Batterien einen blauen Rauch aufsteigen, dem nach einigen Sekunden ein Knall folgte. Bei dem fortgesetzten Schießen konnte man bald nicht mehr unterscheiden, zu welchem Rauche der nachfolgende Knall gehörte. Bomben wurden an diesem Nachmittage nicht geworfen, Fritz
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/362 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/362>, abgerufen am 16.02.2025. |