Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Unterricht genossen und wußte manches nicht, was die Kinder in den größeren Städten sich leicht aneignen. So zeigte es sich eines Sonntages beim Frühstück, daß er nicht nach der Uhr sehn konnte. Mein Vater wollte ihn gleich belehren; nahm aber die Sache gar zu gründlich, und es entspann sich ungefähr folgende Unterredung: Weißt du, Fritz, wieviel der Tag Stunden hat? - Nein, Herr Hofrath Parthey. - Vier und zwanzig; davon gehen zwölf auf den Tag und zwölf auf die Nacht - Aber, Herr Hofrath Parthey, Sie sagten ja eben, der Tag habe 24 Stunden, wie kann er denn 12 haben? - Versteh mich recht, 12 Stunden gehen gewöhnlich auf die Zeit vom Morgen bis zum Abend, und 12 andere dauern vom Abend bis zum Morgen. Diese Stundeneintheilung giebt dir der kleine Zeiger hier. Die Stunde wird wieder in 60 Minuten getheilt; wieviel ist der vierte Theil von 60? Fritz stockte, denn das Gedankenrechnen war nicht seine Stärke. Nun, es ist 15, also besteht jede Viertelstunde aus 15 Minuten. Dies giebt der große Zeiger an. Wenn also der kleine Zeiger hinter 1 steht, und der große auf 6, wieviel wird es an der Zeit sein? - Fritz schwieg, denn das Zifferblatt hatte römische Ziffern, mit denen er bisher nur in entferntere Bekanntschaft getreten war. - Es ist dann halb Zwei. So ging es noch einige Zeit fort, aber Fritz begriff nichts und wurde nach einer sanften Ermahnung mit dem Bemerken entlassen, daß er noch zu klein sei, um die Sache einzusehn. Als er mir Tags darauf seine Noth klagte, versuchte ich eine kürzere Lösung des Problems. "Daß der kleine Zeiger die Stunden angiebt, weißt du schon; du brauchst dir also nur dies zu merken: steht der große Unterricht genossen und wußte manches nicht, was die Kinder in den größeren Städten sich leicht aneignen. So zeigte es sich eines Sonntages beim Frühstück, daß er nicht nach der Uhr sehn konnte. Mein Vater wollte ihn gleich belehren; nahm aber die Sache gar zu gründlich, und es entspann sich ungefähr folgende Unterredung: Weißt du, Fritz, wieviel der Tag Stunden hat? – Nein, Herr Hofrath Parthey. – Vier und zwanzig; davon gehen zwölf auf den Tag und zwölf auf die Nacht – Aber, Herr Hofrath Parthey, Sie sagten ja eben, der Tag habe 24 Stunden, wie kann er denn 12 haben? – Versteh mich recht, 12 Stunden gehen gewöhnlich auf die Zeit vom Morgen bis zum Abend, und 12 andere dauern vom Abend bis zum Morgen. Diese Stundeneintheilung giebt dir der kleine Zeiger hier. Die Stunde wird wieder in 60 Minuten getheilt; wieviel ist der vierte Theil von 60? Fritz stockte, denn das Gedankenrechnen war nicht seine Stärke. Nun, es ist 15, also besteht jede Viertelstunde aus 15 Minuten. Dies giebt der große Zeiger an. Wenn also der kleine Zeiger hinter 1 steht, und der große auf 6, wieviel wird es an der Zeit sein? – Fritz schwieg, denn das Zifferblatt hatte römische Ziffern, mit denen er bisher nur in entferntere Bekanntschaft getreten war. – Es ist dann halb Zwei. So ging es noch einige Zeit fort, aber Fritz begriff nichts und wurde nach einer sanften Ermahnung mit dem Bemerken entlassen, daß er noch zu klein sei, um die Sache einzusehn. Als er mir Tags darauf seine Noth klagte, versuchte ich eine kürzere Lösung des Problems. „Daß der kleine Zeiger die Stunden angiebt, weißt du schon; du brauchst dir also nur dies zu merken: steht der große <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="24"/> Unterricht genossen und wußte manches nicht, was die Kinder in den größeren Städten sich leicht aneignen. So zeigte es sich eines Sonntages beim Frühstück, daß er nicht nach der Uhr sehn konnte. Mein Vater wollte ihn gleich belehren; nahm aber die Sache gar zu gründlich, und es entspann sich ungefähr folgende Unterredung: </p><lb/> <p>Weißt du, Fritz, wieviel der Tag Stunden hat? – Nein, Herr Hofrath Parthey. – Vier und zwanzig; davon gehen zwölf auf den Tag und zwölf auf die Nacht – Aber, Herr Hofrath Parthey, Sie sagten ja eben, der Tag habe 24 Stunden, wie kann er denn 12 haben? – Versteh mich recht, 12 Stunden gehen gewöhnlich auf die Zeit vom Morgen bis zum Abend, und 12 andere dauern vom Abend bis zum Morgen. Diese Stundeneintheilung giebt dir der kleine Zeiger hier. Die Stunde wird wieder in 60 Minuten getheilt; wieviel ist der vierte Theil von 60? Fritz stockte, denn das Gedankenrechnen war nicht seine Stärke. Nun, es ist 15, also besteht jede Viertelstunde aus 15 Minuten. Dies giebt der große Zeiger an. Wenn also der kleine Zeiger hinter 1 steht, und der große auf 6, wieviel wird es an der Zeit sein? – Fritz schwieg, denn das Zifferblatt hatte römische Ziffern, mit denen er bisher nur in entferntere Bekanntschaft getreten war. – Es ist dann halb Zwei. </p><lb/> <p>So ging es noch einige Zeit fort, aber Fritz begriff nichts und wurde nach einer sanften Ermahnung mit dem Bemerken entlassen, daß er noch zu klein sei, um die Sache einzusehn. Als er mir Tags darauf seine Noth klagte, versuchte ich eine kürzere Lösung des Problems. „Daß der kleine Zeiger die Stunden angiebt, weißt du schon; du brauchst dir also nur dies zu merken: steht der große </p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0036]
Unterricht genossen und wußte manches nicht, was die Kinder in den größeren Städten sich leicht aneignen. So zeigte es sich eines Sonntages beim Frühstück, daß er nicht nach der Uhr sehn konnte. Mein Vater wollte ihn gleich belehren; nahm aber die Sache gar zu gründlich, und es entspann sich ungefähr folgende Unterredung:
Weißt du, Fritz, wieviel der Tag Stunden hat? – Nein, Herr Hofrath Parthey. – Vier und zwanzig; davon gehen zwölf auf den Tag und zwölf auf die Nacht – Aber, Herr Hofrath Parthey, Sie sagten ja eben, der Tag habe 24 Stunden, wie kann er denn 12 haben? – Versteh mich recht, 12 Stunden gehen gewöhnlich auf die Zeit vom Morgen bis zum Abend, und 12 andere dauern vom Abend bis zum Morgen. Diese Stundeneintheilung giebt dir der kleine Zeiger hier. Die Stunde wird wieder in 60 Minuten getheilt; wieviel ist der vierte Theil von 60? Fritz stockte, denn das Gedankenrechnen war nicht seine Stärke. Nun, es ist 15, also besteht jede Viertelstunde aus 15 Minuten. Dies giebt der große Zeiger an. Wenn also der kleine Zeiger hinter 1 steht, und der große auf 6, wieviel wird es an der Zeit sein? – Fritz schwieg, denn das Zifferblatt hatte römische Ziffern, mit denen er bisher nur in entferntere Bekanntschaft getreten war. – Es ist dann halb Zwei.
So ging es noch einige Zeit fort, aber Fritz begriff nichts und wurde nach einer sanften Ermahnung mit dem Bemerken entlassen, daß er noch zu klein sei, um die Sache einzusehn. Als er mir Tags darauf seine Noth klagte, versuchte ich eine kürzere Lösung des Problems. „Daß der kleine Zeiger die Stunden angiebt, weißt du schon; du brauchst dir also nur dies zu merken: steht der große
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/36>, abgerufen am 05.07.2024. |