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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Freicorps, von dem man sich Wunderdinge versprach. Hier war Jahn als Hauptmann eingetreten; ihm folgte die Mehrzahl derer, die er auf dem Turnplatze um sich versammelt und in körperlichen Uebungen gestärkt hatte. Unter diesen war auch mein liebster Schulkamerad August, den mein Vater, in Betracht unserer innigen Freundschaft, mit allen Bedürfnissen für den Feldzug ausstattete.

Auch Dr. Kohlrausch zog in's Feld. Er schloß sich der neugebildeten hanseatischen Legion als Arzt an. Noch sehe ich den riesengroßen, stattlichen Mann in der prächtigen scharlachrothen Uniform zu uns in's Zimmer treten, um einen kurzen Abschied zu nehmen. Mehrere Tage lang konnten wir an Tante Jettchens rothgeweinten Augen bemerken, daß dieser Abschied ihr am nächsten gegangen sei.

Theodor Körner, der mit meinem Vater immer in brieflichem Verkehr geblieben war, lebte jetzt in Wien als Theaterdichter am Burgtheater in einer glänzenden Stellung. Die Aufführung seines Zriny brachte ihm die Huldigungen der patriotischen Ungarn, und seine kleinen Lustspiele, durch die besten Kräfte der kaiserlichen Bühne dargestellt, entzückten die leicht erregbaren Wiener. Sobald er von dem Aufrufe Friedrich Wilhelms III. Kunde erhalten, verließ er unbedenklich die eben erst betretene Laufbahn, in der festen Ueberzeugung, daß diesmal die Rettung Deutschlands nicht von Oestreich, sondern von Preußen versucht werden müsse. Wir hörten, er sei von Wien nach Breslau gegangen, und trauerten, daß er nicht über Berlin gekommen; wir sollten ihn später, wenige Wochen vor seinem Tode bei uns sehn. Auch er trat als Reiter beim Lützowschen Corps ein, dem er durch seine begeisterten Gesänge einen Glanz für alle Zeiten verliehen hat.

Freicorps, von dem man sich Wunderdinge versprach. Hier war Jahn als Hauptmann eingetreten; ihm folgte die Mehrzahl derer, die er auf dem Turnplatze um sich versammelt und in körperlichen Uebungen gestärkt hatte. Unter diesen war auch mein liebster Schulkamerad August, den mein Vater, in Betracht unserer innigen Freundschaft, mit allen Bedürfnissen für den Feldzug ausstattete.

Auch Dr. Kohlrausch zog in’s Feld. Er schloß sich der neugebildeten hanseatischen Legion als Arzt an. Noch sehe ich den riesengroßen, stattlichen Mann in der prächtigen scharlachrothen Uniform zu uns in’s Zimmer treten, um einen kurzen Abschied zu nehmen. Mehrere Tage lang konnten wir an Tante Jettchens rothgeweinten Augen bemerken, daß dieser Abschied ihr am nächsten gegangen sei.

Theodor Körner, der mit meinem Vater immer in brieflichem Verkehr geblieben war, lebte jetzt in Wien als Theaterdichter am Burgtheater in einer glänzenden Stellung. Die Aufführung seines Zriny brachte ihm die Huldigungen der patriotischen Ungarn, und seine kleinen Lustspiele, durch die besten Kräfte der kaiserlichen Bühne dargestellt, entzückten die leicht erregbaren Wiener. Sobald er von dem Aufrufe Friedrich Wilhelms III. Kunde erhalten, verließ er unbedenklich die eben erst betretene Laufbahn, in der festen Ueberzeugung, daß diesmal die Rettung Deutschlands nicht von Oestreich, sondern von Preußen versucht werden müsse. Wir hörten, er sei von Wien nach Breslau gegangen, und trauerten, daß er nicht über Berlin gekommen; wir sollten ihn später, wenige Wochen vor seinem Tode bei uns sehn. Auch er trat als Reiter beim Lützowschen Corps ein, dem er durch seine begeisterten Gesänge einen Glanz für alle Zeiten verliehen hat.

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[347/0359] Freicorps, von dem man sich Wunderdinge versprach. Hier war Jahn als Hauptmann eingetreten; ihm folgte die Mehrzahl derer, die er auf dem Turnplatze um sich versammelt und in körperlichen Uebungen gestärkt hatte. Unter diesen war auch mein liebster Schulkamerad August, den mein Vater, in Betracht unserer innigen Freundschaft, mit allen Bedürfnissen für den Feldzug ausstattete. Auch Dr. Kohlrausch zog in’s Feld. Er schloß sich der neugebildeten hanseatischen Legion als Arzt an. Noch sehe ich den riesengroßen, stattlichen Mann in der prächtigen scharlachrothen Uniform zu uns in’s Zimmer treten, um einen kurzen Abschied zu nehmen. Mehrere Tage lang konnten wir an Tante Jettchens rothgeweinten Augen bemerken, daß dieser Abschied ihr am nächsten gegangen sei. Theodor Körner, der mit meinem Vater immer in brieflichem Verkehr geblieben war, lebte jetzt in Wien als Theaterdichter am Burgtheater in einer glänzenden Stellung. Die Aufführung seines Zriny brachte ihm die Huldigungen der patriotischen Ungarn, und seine kleinen Lustspiele, durch die besten Kräfte der kaiserlichen Bühne dargestellt, entzückten die leicht erregbaren Wiener. Sobald er von dem Aufrufe Friedrich Wilhelms III. Kunde erhalten, verließ er unbedenklich die eben erst betretene Laufbahn, in der festen Ueberzeugung, daß diesmal die Rettung Deutschlands nicht von Oestreich, sondern von Preußen versucht werden müsse. Wir hörten, er sei von Wien nach Breslau gegangen, und trauerten, daß er nicht über Berlin gekommen; wir sollten ihn später, wenige Wochen vor seinem Tode bei uns sehn. Auch er trat als Reiter beim Lützowschen Corps ein, dem er durch seine begeisterten Gesänge einen Glanz für alle Zeiten verliehen hat.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/359>, abgerufen am 17.07.2024.