Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren, wie schon bemerkt, an die Geheimeräthe Brese und Kaiser verheirathet; von jeder dieser Familien gingen 2 Söhne ins Feld. Der Onkel Eichmann, welcher 3 Söhne hatte, kam eines Tages sehr betrübt zum Grosvater, und sagte: Willem, weißt du schon? meine beiden Aeltesten gehn nun auch mit! Das ist recht, Franz, erwiederte sein Bruder, wenn ich statt meiner zwei Mädchen sechs Jungen hätte, ich würde sie alle hergeben! Da die Staatsgelder durch die sieben Jahre lang fortgesetzten, fast unerschwinglichen französischen Kriegskontributionen beinahe versiegt waren, so wurden zur Ausrüstung des Heeres freiwillige Beiträge gesammelt. Alle Schränke und Truhen öffneten sich, um den letzten Sparpfennig an die endliche Befreiung des Vaterlandes zu setzen. Im Nicolaischen Hause hatte sich vom Grosvater her ein ansehnlicher Vorrath von solidem Silberzeug aller Art gesammelt. Die silbernen Hochzeitbestecke von drei Generationen waren vorhanden; wir bewunderten sie zuweilen bei seltenen festlichen Gelegenheiten, und sahen sie nun mit Freuden auf das Münzamt wandern. Ein halbes Dutzend von großen dreiarmigen massiven Tischleuchtern wurde durch plattirte ersetzt, an die Stelle der weitbauchigen silbernen Punschbowle trat eine porzellanene. Als ich eines Tages aus der Klasse nach Hause kam, stand mein Vater vor einem alten Nicolaischen Schranke, und sortirte eine Menge Silbermünzen, die ich nicht kannte. Es waren des Grosvaters akademische "Jetons". In der von Friedrich II. gestifteten Akademie der Wissenschaften überreichte der Kastellan bei jeder Sitzung dem Eintretenden ein eigends dafür geprägtes Silberstück im Werth von Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren, wie schon bemerkt, an die Geheimeräthe Brese und Kaiser verheirathet; von jeder dieser Familien gingen 2 Söhne ins Feld. Der Onkel Eichmann, welcher 3 Söhne hatte, kam eines Tages sehr betrübt zum Grosvater, und sagte: Willem, weißt du schon? meine beiden Aeltesten gehn nun auch mit! Das ist recht, Franz, erwiederte sein Bruder, wenn ich statt meiner zwei Mädchen sechs Jungen hätte, ich würde sie alle hergeben! Da die Staatsgelder durch die sieben Jahre lang fortgesetzten, fast unerschwinglichen französischen Kriegskontributionen beinahe versiegt waren, so wurden zur Ausrüstung des Heeres freiwillige Beiträge gesammelt. Alle Schränke und Truhen öffneten sich, um den letzten Sparpfennig an die endliche Befreiung des Vaterlandes zu setzen. Im Nicolaischen Hause hatte sich vom Grosvater her ein ansehnlicher Vorrath von solidem Silberzeug aller Art gesammelt. Die silbernen Hochzeitbestecke von drei Generationen waren vorhanden; wir bewunderten sie zuweilen bei seltenen festlichen Gelegenheiten, und sahen sie nun mit Freuden auf das Münzamt wandern. Ein halbes Dutzend von großen dreiarmigen massiven Tischleuchtern wurde durch plattirte ersetzt, an die Stelle der weitbauchigen silbernen Punschbowle trat eine porzellanene. Als ich eines Tages aus der Klasse nach Hause kam, stand mein Vater vor einem alten Nicolaischen Schranke, und sortirte eine Menge Silbermünzen, die ich nicht kannte. Es waren des Grosvaters akademische „Jetons“. In der von Friedrich II. gestifteten Akademie der Wissenschaften überreichte der Kastellan bei jeder Sitzung dem Eintretenden ein eigends dafür geprägtes Silberstück im Werth von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0349" n="337"/> </p><lb/> <p>Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren, wie schon bemerkt, an die Geheimeräthe Brese und Kaiser verheirathet; von jeder dieser Familien gingen 2 Söhne ins Feld. Der Onkel Eichmann, welcher 3 Söhne hatte, kam eines Tages sehr betrübt zum Grosvater, und sagte: Willem, weißt du schon? meine beiden Aeltesten gehn nun auch mit! Das ist recht, Franz, erwiederte sein Bruder, wenn ich statt meiner zwei Mädchen sechs Jungen hätte, ich würde sie alle hergeben! </p><lb/> <p>Da die Staatsgelder durch die sieben Jahre lang fortgesetzten, fast unerschwinglichen französischen Kriegskontributionen beinahe versiegt waren, so wurden zur Ausrüstung des Heeres freiwillige Beiträge gesammelt. Alle Schränke und Truhen öffneten sich, um den letzten Sparpfennig an die endliche Befreiung des Vaterlandes zu setzen. </p><lb/> <p>Im Nicolaischen Hause hatte sich vom Grosvater her ein ansehnlicher Vorrath von solidem Silberzeug aller Art gesammelt. Die silbernen Hochzeitbestecke von drei Generationen waren vorhanden; wir bewunderten sie zuweilen bei seltenen festlichen Gelegenheiten, und sahen sie nun mit Freuden auf das Münzamt wandern. Ein halbes Dutzend von großen dreiarmigen massiven Tischleuchtern wurde durch plattirte ersetzt, an die Stelle der weitbauchigen silbernen Punschbowle trat eine porzellanene. </p><lb/> <p>Als ich eines Tages aus der Klasse nach Hause kam, stand mein Vater vor einem alten Nicolaischen Schranke, und sortirte eine Menge Silbermünzen, die ich nicht kannte. Es waren des Grosvaters akademische „Jetons“. In der von Friedrich II. gestifteten Akademie der Wissenschaften überreichte der Kastellan bei jeder Sitzung dem Eintretenden ein eigends dafür geprägtes Silberstück im Werth von </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [337/0349]
Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren, wie schon bemerkt, an die Geheimeräthe Brese und Kaiser verheirathet; von jeder dieser Familien gingen 2 Söhne ins Feld. Der Onkel Eichmann, welcher 3 Söhne hatte, kam eines Tages sehr betrübt zum Grosvater, und sagte: Willem, weißt du schon? meine beiden Aeltesten gehn nun auch mit! Das ist recht, Franz, erwiederte sein Bruder, wenn ich statt meiner zwei Mädchen sechs Jungen hätte, ich würde sie alle hergeben!
Da die Staatsgelder durch die sieben Jahre lang fortgesetzten, fast unerschwinglichen französischen Kriegskontributionen beinahe versiegt waren, so wurden zur Ausrüstung des Heeres freiwillige Beiträge gesammelt. Alle Schränke und Truhen öffneten sich, um den letzten Sparpfennig an die endliche Befreiung des Vaterlandes zu setzen.
Im Nicolaischen Hause hatte sich vom Grosvater her ein ansehnlicher Vorrath von solidem Silberzeug aller Art gesammelt. Die silbernen Hochzeitbestecke von drei Generationen waren vorhanden; wir bewunderten sie zuweilen bei seltenen festlichen Gelegenheiten, und sahen sie nun mit Freuden auf das Münzamt wandern. Ein halbes Dutzend von großen dreiarmigen massiven Tischleuchtern wurde durch plattirte ersetzt, an die Stelle der weitbauchigen silbernen Punschbowle trat eine porzellanene.
Als ich eines Tages aus der Klasse nach Hause kam, stand mein Vater vor einem alten Nicolaischen Schranke, und sortirte eine Menge Silbermünzen, die ich nicht kannte. Es waren des Grosvaters akademische „Jetons“. In der von Friedrich II. gestifteten Akademie der Wissenschaften überreichte der Kastellan bei jeder Sitzung dem Eintretenden ein eigends dafür geprägtes Silberstück im Werth von
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/349>, abgerufen am 16.07.2024. |