Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

dem Straßenpöbel, wenn er den Stab hoch in die Luft warf, und geschickt wieder auffing. Sehr leicht konnte man bemerken, daß die Masse der gemeinen Soldaten aus blutjungen Leuten von 17 bis 18 Jahren bestand, doch marschirten sie mit französischer Leichtigkeit und zeigten keine Spur von Ermüdung.

An den folgenden Tagen kam eine unendliche Bagage auf vielen Wagen herbei. Artillerie und Munition in unabsehbaren Zügen füllte die langen, geraden Straßen der Friedrichstadt. Da sahen wir auch merkwürdige zweirädrige Karren mit je 2 Ochsen bespannt und mit Mehlsäcken beladen. Sie waren auf die russischen Wüsteneien berechnet. Wenn das Mehl verbraucht war, so konnten die Ochsen geschlachtet und verzehrt werden. Man zeigte uns auch Wagen, worauf sich Handmühlen befanden, um im Nothfalle das Korn auf dem Marsche mahlen zu können.

Nun begann von neuem die Last der Einquartirung, die in den letzten Jahren etwas nachgelassen, aber von da an ununterbrochen bis zum Jahre 1816 fortdauerte. Unser Haus wurde wiederum mit hohen und höchsten Offizieren bedacht. Um ein möglichst gutes Verhältniß herbeizuführen, hielt mein Vater es für angemessen, die fremden Gäste am Sonntage zu Tische einzuladen. Selten wurde die Einladung ausgeschlagen, und wir Kinder hatten nun Gelegenheit, die Bestandtheile der großen Armee in einigen wenigen Einzelheiten kennen zu lernen. Das Vorrücken des Heeres ging so rasch, daß wir kaum ein oder zwei Mal dieselben Sonntagsgäste hatten.

Zu den ersten gehörte ein französischer General mit seiner Frau, deren Reisewagen, da es an einer Remise fehlte, im Hofe unter der Gallerie seinen Platz fand. Sie

dem Straßenpöbel, wenn er den Stab hoch in die Luft warf, und geschickt wieder auffing. Sehr leicht konnte man bemerken, daß die Masse der gemeinen Soldaten aus blutjungen Leuten von 17 bis 18 Jahren bestand, doch marschirten sie mit französischer Leichtigkeit und zeigten keine Spur von Ermüdung.

An den folgenden Tagen kam eine unendliche Bagage auf vielen Wagen herbei. Artillerie und Munition in unabsehbaren Zügen füllte die langen, geraden Straßen der Friedrichstadt. Da sahen wir auch merkwürdige zweirädrige Karren mit je 2 Ochsen bespannt und mit Mehlsäcken beladen. Sie waren auf die russischen Wüsteneien berechnet. Wenn das Mehl verbraucht war, so konnten die Ochsen geschlachtet und verzehrt werden. Man zeigte uns auch Wagen, worauf sich Handmühlen befanden, um im Nothfalle das Korn auf dem Marsche mahlen zu können.

Nun begann von neuem die Last der Einquartirung, die in den letzten Jahren etwas nachgelassen, aber von da an ununterbrochen bis zum Jahre 1816 fortdauerte. Unser Haus wurde wiederum mit hohen und höchsten Offizieren bedacht. Um ein möglichst gutes Verhältniß herbeizuführen, hielt mein Vater es für angemessen, die fremden Gäste am Sonntage zu Tische einzuladen. Selten wurde die Einladung ausgeschlagen, und wir Kinder hatten nun Gelegenheit, die Bestandtheile der großen Armee in einigen wenigen Einzelheiten kennen zu lernen. Das Vorrücken des Heeres ging so rasch, daß wir kaum ein oder zwei Mal dieselben Sonntagsgäste hatten.

Zu den ersten gehörte ein französischer General mit seiner Frau, deren Reisewagen, da es an einer Remise fehlte, im Hofe unter der Gallerie seinen Platz fand. Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0325" n="313"/>
dem Straßenpöbel, wenn er den Stab hoch in die Luft warf, und geschickt wieder auffing. Sehr leicht konnte man bemerken, daß die Masse der gemeinen Soldaten aus blutjungen Leuten von 17 bis 18 Jahren bestand, doch marschirten sie mit französischer Leichtigkeit und zeigten keine Spur von Ermüdung. </p><lb/>
          <p>An den folgenden Tagen kam eine unendliche Bagage auf vielen Wagen herbei. Artillerie und Munition in unabsehbaren Zügen füllte die langen, geraden Straßen der Friedrichstadt. Da sahen wir auch merkwürdige zweirädrige Karren mit je 2 Ochsen bespannt und mit Mehlsäcken beladen. Sie waren auf die russischen Wüsteneien berechnet. Wenn das Mehl verbraucht war, so konnten die Ochsen geschlachtet und verzehrt werden. Man zeigte uns auch Wagen, worauf sich Handmühlen befanden, um im Nothfalle das Korn auf dem Marsche mahlen zu können. </p><lb/>
          <p>Nun begann von neuem die Last der Einquartirung, die in den letzten Jahren etwas nachgelassen, aber von da an ununterbrochen bis zum Jahre 1816 fortdauerte. Unser Haus wurde wiederum mit hohen und höchsten Offizieren bedacht. Um ein möglichst gutes Verhältniß herbeizuführen, hielt mein Vater es für angemessen, die fremden Gäste am Sonntage zu Tische einzuladen. Selten wurde die Einladung ausgeschlagen, und wir Kinder hatten nun Gelegenheit, die Bestandtheile der großen Armee in einigen wenigen Einzelheiten kennen zu lernen. Das Vorrücken des Heeres ging so rasch, daß wir kaum ein oder zwei Mal dieselben Sonntagsgäste hatten. </p><lb/>
          <p>Zu den ersten gehörte ein französischer General mit seiner Frau, deren Reisewagen, da es an einer Remise fehlte, im Hofe unter der Gallerie seinen Platz fand. Sie
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[313/0325] dem Straßenpöbel, wenn er den Stab hoch in die Luft warf, und geschickt wieder auffing. Sehr leicht konnte man bemerken, daß die Masse der gemeinen Soldaten aus blutjungen Leuten von 17 bis 18 Jahren bestand, doch marschirten sie mit französischer Leichtigkeit und zeigten keine Spur von Ermüdung. An den folgenden Tagen kam eine unendliche Bagage auf vielen Wagen herbei. Artillerie und Munition in unabsehbaren Zügen füllte die langen, geraden Straßen der Friedrichstadt. Da sahen wir auch merkwürdige zweirädrige Karren mit je 2 Ochsen bespannt und mit Mehlsäcken beladen. Sie waren auf die russischen Wüsteneien berechnet. Wenn das Mehl verbraucht war, so konnten die Ochsen geschlachtet und verzehrt werden. Man zeigte uns auch Wagen, worauf sich Handmühlen befanden, um im Nothfalle das Korn auf dem Marsche mahlen zu können. Nun begann von neuem die Last der Einquartirung, die in den letzten Jahren etwas nachgelassen, aber von da an ununterbrochen bis zum Jahre 1816 fortdauerte. Unser Haus wurde wiederum mit hohen und höchsten Offizieren bedacht. Um ein möglichst gutes Verhältniß herbeizuführen, hielt mein Vater es für angemessen, die fremden Gäste am Sonntage zu Tische einzuladen. Selten wurde die Einladung ausgeschlagen, und wir Kinder hatten nun Gelegenheit, die Bestandtheile der großen Armee in einigen wenigen Einzelheiten kennen zu lernen. Das Vorrücken des Heeres ging so rasch, daß wir kaum ein oder zwei Mal dieselben Sonntagsgäste hatten. Zu den ersten gehörte ein französischer General mit seiner Frau, deren Reisewagen, da es an einer Remise fehlte, im Hofe unter der Gallerie seinen Platz fand. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/325
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/325>, abgerufen am 22.11.2024.