Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].den demüthigsten, eines Königs wenig würdigen Worten, um Schonung und um Nachlaß der übermäßigen Kriegslasten. Das Original dieses Briefes, von dem damals mehrere Abschriften umliefen, befand sich bis zum Jahre 1860 in einer Privatsammlung von Autographen in Paris. Der Banquier Wagener in Berlin hörte davon, erwarb den Brief für 4000 Francs, und sandte ihn dem Könige Wilhelm I. mit dem Beifügen, daß sein (Wageners) patriotisches Herz diese Schmach des preußischen Hauses nicht habe ertragen können, und daß er den Brief zur Verfügung des Königs stelle. Wagener starb, ehe Wilhelm I. ihm für dieses Zeichen ächt preußischer Gesinnung danken konnte. Der Brief soll sich im königlichen Hausarchive befinden. Neun Monate nach der Verheirathung des Kaisers Napoleon mit der Erzherzogin Marie Luise erscholl die Kunde von der Geburt eines kaiserlichen Prinzen, der schon in der Wiege den stolzen Namen eines "Königs von Rom" erhielt. Die Philologen bemerkten, seit Tarquinius Superbus habe es keinen König von Rom gegeben, und dieser Tarquinius sei von seinen Unterthanen mit Schimpf und Schande weggejagt worden. Allein diese kleinliche Kritik blieb auf das Bereich der Schulstube beschränkt. Es schien nun die französische Alleinherrschaft auf dem Kontinente eine neue Befestigung erhalten zu haben, und dem Glücke des Gewaltigen in Paris nichts Erreichbares mehr zu fehlen. Von seinen militärischen und administrativen Erfolgen wurden auch einzelne Mitglieder unseres Kreises geblendet. Diese erwarteten allen Ernstes, daß Napoleon ruhig weiterregieren, und ein wohlgeordnetes, mächtiges Reich seinem Sohne hinterlassen werde. Allein dann wäre er nicht Napoleon gewesen, und schon hörte man gerüchtsweise, er den demüthigsten, eines Königs wenig würdigen Worten, um Schonung und um Nachlaß der übermäßigen Kriegslasten. Das Original dieses Briefes, von dem damals mehrere Abschriften umliefen, befand sich bis zum Jahre 1860 in einer Privatsammlung von Autographen in Paris. Der Banquier Wagener in Berlin hörte davon, erwarb den Brief für 4000 Francs, und sandte ihn dem Könige Wilhelm I. mit dem Beifügen, daß sein (Wageners) patriotisches Herz diese Schmach des preußischen Hauses nicht habe ertragen können, und daß er den Brief zur Verfügung des Königs stelle. Wagener starb, ehe Wilhelm I. ihm für dieses Zeichen ächt preußischer Gesinnung danken konnte. Der Brief soll sich im königlichen Hausarchive befinden. Neun Monate nach der Verheirathung des Kaisers Napoléon mit der Erzherzogin Marie Luise erscholl die Kunde von der Geburt eines kaiserlichen Prinzen, der schon in der Wiege den stolzen Namen eines „Königs von Rom“ erhielt. Die Philologen bemerkten, seit Tarquinius Superbus habe es keinen König von Rom gegeben, und dieser Tarquinius sei von seinen Unterthanen mit Schimpf und Schande weggejagt worden. Allein diese kleinliche Kritik blieb auf das Bereich der Schulstube beschränkt. Es schien nun die französische Alleinherrschaft auf dem Kontinente eine neue Befestigung erhalten zu haben, und dem Glücke des Gewaltigen in Paris nichts Erreichbares mehr zu fehlen. Von seinen militärischen und administrativen Erfolgen wurden auch einzelne Mitglieder unseres Kreises geblendet. Diese erwarteten allen Ernstes, daß Napoléon ruhig weiterregieren, und ein wohlgeordnetes, mächtiges Reich seinem Sohne hinterlassen werde. Allein dann wäre er nicht Napoléon gewesen, und schon hörte man gerüchtsweise, er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0321" n="309"/> den demüthigsten, eines Königs wenig würdigen Worten, um Schonung und um Nachlaß der übermäßigen Kriegslasten. Das Original dieses Briefes, von dem damals mehrere Abschriften umliefen, befand sich bis zum Jahre 1860 in einer Privatsammlung von Autographen in Paris. Der Banquier Wagener in Berlin hörte davon, erwarb den Brief für 4000 Francs, und sandte ihn dem Könige Wilhelm I. mit dem Beifügen, daß sein (Wageners) patriotisches Herz diese Schmach des preußischen Hauses nicht habe ertragen können, und daß er den Brief zur Verfügung des Königs stelle. Wagener starb, ehe Wilhelm I. ihm für dieses Zeichen ächt preußischer Gesinnung danken konnte. Der Brief soll sich im königlichen Hausarchive befinden. </p><lb/> <p>Neun Monate nach der Verheirathung des Kaisers Napoléon mit der Erzherzogin Marie Luise erscholl die Kunde von der Geburt eines kaiserlichen Prinzen, der schon in der Wiege den stolzen Namen eines „Königs von Rom“ erhielt. Die Philologen bemerkten, seit Tarquinius Superbus habe es keinen König von Rom gegeben, und dieser Tarquinius sei von seinen Unterthanen mit Schimpf und Schande weggejagt worden. Allein diese kleinliche Kritik blieb auf das Bereich der Schulstube beschränkt. Es schien nun die französische Alleinherrschaft auf dem Kontinente eine neue Befestigung erhalten zu haben, und dem Glücke des Gewaltigen in Paris nichts Erreichbares mehr zu fehlen. Von seinen militärischen und administrativen Erfolgen wurden auch einzelne Mitglieder unseres Kreises geblendet. Diese erwarteten allen Ernstes, daß Napoléon ruhig weiterregieren, und ein wohlgeordnetes, mächtiges Reich seinem Sohne hinterlassen werde. Allein dann wäre er nicht Napoléon gewesen, und schon hörte man gerüchtsweise, er </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/0321]
den demüthigsten, eines Königs wenig würdigen Worten, um Schonung und um Nachlaß der übermäßigen Kriegslasten. Das Original dieses Briefes, von dem damals mehrere Abschriften umliefen, befand sich bis zum Jahre 1860 in einer Privatsammlung von Autographen in Paris. Der Banquier Wagener in Berlin hörte davon, erwarb den Brief für 4000 Francs, und sandte ihn dem Könige Wilhelm I. mit dem Beifügen, daß sein (Wageners) patriotisches Herz diese Schmach des preußischen Hauses nicht habe ertragen können, und daß er den Brief zur Verfügung des Königs stelle. Wagener starb, ehe Wilhelm I. ihm für dieses Zeichen ächt preußischer Gesinnung danken konnte. Der Brief soll sich im königlichen Hausarchive befinden.
Neun Monate nach der Verheirathung des Kaisers Napoléon mit der Erzherzogin Marie Luise erscholl die Kunde von der Geburt eines kaiserlichen Prinzen, der schon in der Wiege den stolzen Namen eines „Königs von Rom“ erhielt. Die Philologen bemerkten, seit Tarquinius Superbus habe es keinen König von Rom gegeben, und dieser Tarquinius sei von seinen Unterthanen mit Schimpf und Schande weggejagt worden. Allein diese kleinliche Kritik blieb auf das Bereich der Schulstube beschränkt. Es schien nun die französische Alleinherrschaft auf dem Kontinente eine neue Befestigung erhalten zu haben, und dem Glücke des Gewaltigen in Paris nichts Erreichbares mehr zu fehlen. Von seinen militärischen und administrativen Erfolgen wurden auch einzelne Mitglieder unseres Kreises geblendet. Diese erwarteten allen Ernstes, daß Napoléon ruhig weiterregieren, und ein wohlgeordnetes, mächtiges Reich seinem Sohne hinterlassen werde. Allein dann wäre er nicht Napoléon gewesen, und schon hörte man gerüchtsweise, er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/321 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/321>, abgerufen am 16.02.2025. |