Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Länderzuwachs war nicht gering. Aus Holland wurden 8 neue Departements gemacht, aus den übrigen Theilen 4. Einige Namen derselben behielten sich leicht; z. B.: Departement der Maasmündungen, der Rheinmündungen, der Ysselmündungen, der Wesermündungen, der Elbmündungen.

Mochten aber die kaiserlichen Verbote noch so streng sein, so konnte man doch Zucker und Kaffee nicht entbehren. Das wenige was auf neutralen dänischen, schwedischen und andern Schiffen eingeführt wurde, deckte kaum den nöthigsten Bedarf. Die Preise der Kolonialwaaren stiegen auf eine solche Höhe, daß man zu allerlei Surrogaten seine Zuflucht nahm. Ob statt des Kaffees damals zuerst die Cichorie auftrat, die seitdem in Sachsen und Thüringen die ächte Bohne fast verdrängt hat, wüßte ich nicht anzugeben, doch erinnre ich mich sehr wohl, daß einmal die Grosmutter Eichmann mit anderen Hausfrauen überlegte, ob es besser sei, Gerstenkaffee oder geröstete Mohrrüben anzuwenden. Als Kinder bekamen wir viele Jahre lang nichts anderes als Eichelkaffee zu trinken, dem man eine große Wirksamkeit gegen skrophulöse Anlagen zuschrieb.

Schwerer als der Kaffee war der Zucker zu ersetzen: denn es scheint, daß die vegetabilische Natur zur Hervorbringung eines reichlichen Zuckerstoffes durchaus der tropischen Sonne bedarf. Honig ist in zu kleinen Mengen vorhanden, um damit den Bedarf ganzer Länder decken zu können. Die französische Industrie, durch hohe kaiserliche Prämien aufgemuntert, richtete ihre Aufmerksamkeit auch auf die Runkelrübe, und machte die ersten Versuche zur Gewinnung von Rübenzucker. Napoleon interessirte sich ganz besonders für diese Arbeiten. Mit wahrer Ver-

Der Länderzuwachs war nicht gering. Aus Holland wurden 8 neue Departements gemacht, aus den übrigen Theilen 4. Einige Namen derselben behielten sich leicht; z. B.: Departement der Maasmündungen, der Rheinmündungen, der Ysselmündungen, der Wesermündungen, der Elbmündungen.

Mochten aber die kaiserlichen Verbote noch so streng sein, so konnte man doch Zucker und Kaffee nicht entbehren. Das wenige was auf neutralen dänischen, schwedischen und andern Schiffen eingeführt wurde, deckte kaum den nöthigsten Bedarf. Die Preise der Kolonialwaaren stiegen auf eine solche Höhe, daß man zu allerlei Surrogaten seine Zuflucht nahm. Ob statt des Kaffees damals zuerst die Cichorie auftrat, die seitdem in Sachsen und Thüringen die ächte Bohne fast verdrängt hat, wüßte ich nicht anzugeben, doch erinnre ich mich sehr wohl, daß einmal die Grosmutter Eichmann mit anderen Hausfrauen überlegte, ob es besser sei, Gerstenkaffee oder geröstete Mohrrüben anzuwenden. Als Kinder bekamen wir viele Jahre lang nichts anderes als Eichelkaffee zu trinken, dem man eine große Wirksamkeit gegen skrophulöse Anlagen zuschrieb.

Schwerer als der Kaffee war der Zucker zu ersetzen: denn es scheint, daß die vegetabilische Natur zur Hervorbringung eines reichlichen Zuckerstoffes durchaus der tropischen Sonne bedarf. Honig ist in zu kleinen Mengen vorhanden, um damit den Bedarf ganzer Länder decken zu können. Die französische Industrie, durch hohe kaiserliche Prämien aufgemuntert, richtete ihre Aufmerksamkeit auch auf die Runkelrübe, und machte die ersten Versuche zur Gewinnung von Rübenzucker. Napoléon interessirte sich ganz besonders für diese Arbeiten. Mit wahrer Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0293" n="281"/>
Der Länderzuwachs war nicht gering. Aus Holland wurden 8 neue Departements gemacht, aus den übrigen Theilen 4. Einige Namen derselben behielten sich leicht; z. B.: Departement der Maasmündungen, der Rheinmündungen, der Ysselmündungen, der Wesermündungen, der Elbmündungen. </p><lb/>
          <p>Mochten aber die kaiserlichen Verbote noch so streng sein, so konnte man doch Zucker und Kaffee nicht entbehren. Das wenige was auf neutralen dänischen, schwedischen und andern Schiffen eingeführt wurde, deckte kaum den nöthigsten Bedarf. Die Preise der Kolonialwaaren stiegen auf eine solche Höhe, daß man zu allerlei Surrogaten seine Zuflucht nahm. Ob statt des Kaffees damals zuerst die Cichorie auftrat, die seitdem in Sachsen und Thüringen die ächte Bohne fast verdrängt hat, wüßte ich nicht anzugeben, doch erinnre ich mich sehr wohl, daß einmal die Grosmutter Eichmann mit anderen Hausfrauen überlegte, ob es besser sei, Gerstenkaffee oder geröstete Mohrrüben anzuwenden. Als Kinder bekamen wir viele Jahre lang nichts anderes als Eichelkaffee zu trinken, dem man eine große Wirksamkeit gegen skrophulöse Anlagen zuschrieb. </p><lb/>
          <p>Schwerer als der Kaffee war der Zucker zu ersetzen: denn es scheint, daß die vegetabilische Natur zur Hervorbringung eines reichlichen Zuckerstoffes durchaus der tropischen Sonne bedarf. Honig ist in zu kleinen Mengen vorhanden, um damit den Bedarf ganzer Länder decken zu können. Die französische Industrie, durch hohe kaiserliche Prämien aufgemuntert, richtete ihre Aufmerksamkeit auch auf die Runkelrübe, und machte die ersten Versuche zur Gewinnung von Rübenzucker. Napoléon interessirte sich ganz besonders für diese Arbeiten. Mit wahrer Ver-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0293] Der Länderzuwachs war nicht gering. Aus Holland wurden 8 neue Departements gemacht, aus den übrigen Theilen 4. Einige Namen derselben behielten sich leicht; z. B.: Departement der Maasmündungen, der Rheinmündungen, der Ysselmündungen, der Wesermündungen, der Elbmündungen. Mochten aber die kaiserlichen Verbote noch so streng sein, so konnte man doch Zucker und Kaffee nicht entbehren. Das wenige was auf neutralen dänischen, schwedischen und andern Schiffen eingeführt wurde, deckte kaum den nöthigsten Bedarf. Die Preise der Kolonialwaaren stiegen auf eine solche Höhe, daß man zu allerlei Surrogaten seine Zuflucht nahm. Ob statt des Kaffees damals zuerst die Cichorie auftrat, die seitdem in Sachsen und Thüringen die ächte Bohne fast verdrängt hat, wüßte ich nicht anzugeben, doch erinnre ich mich sehr wohl, daß einmal die Grosmutter Eichmann mit anderen Hausfrauen überlegte, ob es besser sei, Gerstenkaffee oder geröstete Mohrrüben anzuwenden. Als Kinder bekamen wir viele Jahre lang nichts anderes als Eichelkaffee zu trinken, dem man eine große Wirksamkeit gegen skrophulöse Anlagen zuschrieb. Schwerer als der Kaffee war der Zucker zu ersetzen: denn es scheint, daß die vegetabilische Natur zur Hervorbringung eines reichlichen Zuckerstoffes durchaus der tropischen Sonne bedarf. Honig ist in zu kleinen Mengen vorhanden, um damit den Bedarf ganzer Länder decken zu können. Die französische Industrie, durch hohe kaiserliche Prämien aufgemuntert, richtete ihre Aufmerksamkeit auch auf die Runkelrübe, und machte die ersten Versuche zur Gewinnung von Rübenzucker. Napoléon interessirte sich ganz besonders für diese Arbeiten. Mit wahrer Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/293
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/293>, abgerufen am 23.11.2024.