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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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handel. Er brachte mir zuweilen ein Stück Citronat, das er ohne Erlaubniß seines Vaters mochte erworben haben; ich gab ihm dafür Siegelabdrücke, die ich mit voller Erlaubniß meines Vaters aus einem großen Schubfache holte, in welches er alle ausgeschnittenen Siegel seines sehr starken Briefwechsels zu legen pflegte. Als nun das Gerücht von der bevorstehenden Kontinentalsperre sich an der Börse in Berlin verbreitete, so bestellten viele Kaufleute, und unter ihnen Kupfer ansehnliche Quantitäten Kaffee bei ihren Hamburger Korrespondenten. Am andern Tage wurde dem Gerücht so entschieden widersprochen, daß eine allgemeine Abbestellung eintrat. Auch Kupfer schickte sein Dienstmädchen mit dem Absagebriefe nach der Post. Da es eben heftig regnete, so dachte das Mädchen bei sich: der Herr hat gestern erst nach Hamburg geschrieben, wozu denn heut schon wieder! Sie warf den Brief fort und steckte das Franco in die Tasche. Bald kam die gewaltige Kaffeesendung an Kupfer, und unmittelbar darauf trat die Kontinentalsperre ein. Die Kaffeepreise stiegen zu einer enormen Höhe, und Kupfer wurde ein reicher Mann.

Als Napoleon sah, daß seine Dekrete gegen den englischen Handel nicht überall mit der gehörigen Strenge gehandhabt wurden, daß namentlich die holländischen Häfen und die Hansestädte den Schein von Unabhängigkeit, der ihnen blieb, zu englischen Importen benutzten, so erschien im December 1810 ein Dekret, wonach der Kaiser der Franzosen "aus Gründen der höheren Politik" sich veranlaßt fand, ganz Holland, die Hansestädte, Oldenburg, Lauenburg, Osnabrück u. s. w. dem französischen Reiche einzuverleiben. In Folge davon war an der ganzen Küste in allen Häfen die strengste französische Douane eingeführt.

handel. Er brachte mir zuweilen ein Stück Citronat, das er ohne Erlaubniß seines Vaters mochte erworben haben; ich gab ihm dafür Siegelabdrücke, die ich mit voller Erlaubniß meines Vaters aus einem großen Schubfache holte, in welches er alle ausgeschnittenen Siegel seines sehr starken Briefwechsels zu legen pflegte. Als nun das Gerücht von der bevorstehenden Kontinentalsperre sich an der Börse in Berlin verbreitete, so bestellten viele Kaufleute, und unter ihnen Kupfer ansehnliche Quantitäten Kaffee bei ihren Hamburger Korrespondenten. Am andern Tage wurde dem Gerücht so entschieden widersprochen, daß eine allgemeine Abbestellung eintrat. Auch Kupfer schickte sein Dienstmädchen mit dem Absagebriefe nach der Post. Da es eben heftig regnete, so dachte das Mädchen bei sich: der Herr hat gestern erst nach Hamburg geschrieben, wozu denn heut schon wieder! Sie warf den Brief fort und steckte das Franco in die Tasche. Bald kam die gewaltige Kaffeesendung an Kupfer, und unmittelbar darauf trat die Kontinentalsperre ein. Die Kaffeepreise stiegen zu einer enormen Höhe, und Kupfer wurde ein reicher Mann.

Als Napoléon sah, daß seine Dekrete gegen den englischen Handel nicht überall mit der gehörigen Strenge gehandhabt wurden, daß namentlich die holländischen Häfen und die Hansestädte den Schein von Unabhängigkeit, der ihnen blieb, zu englischen Importen benutzten, so erschien im December 1810 ein Dekret, wonach der Kaiser der Franzosen „aus Gründen der höheren Politik“ sich veranlaßt fand, ganz Holland, die Hansestädte, Oldenburg, Lauenburg, Osnabrück u. s. w. dem französischen Reiche einzuverleiben. In Folge davon war an der ganzen Küste in allen Häfen die strengste französische Douane eingeführt.

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[280/0292] handel. Er brachte mir zuweilen ein Stück Citronat, das er ohne Erlaubniß seines Vaters mochte erworben haben; ich gab ihm dafür Siegelabdrücke, die ich mit voller Erlaubniß meines Vaters aus einem großen Schubfache holte, in welches er alle ausgeschnittenen Siegel seines sehr starken Briefwechsels zu legen pflegte. Als nun das Gerücht von der bevorstehenden Kontinentalsperre sich an der Börse in Berlin verbreitete, so bestellten viele Kaufleute, und unter ihnen Kupfer ansehnliche Quantitäten Kaffee bei ihren Hamburger Korrespondenten. Am andern Tage wurde dem Gerücht so entschieden widersprochen, daß eine allgemeine Abbestellung eintrat. Auch Kupfer schickte sein Dienstmädchen mit dem Absagebriefe nach der Post. Da es eben heftig regnete, so dachte das Mädchen bei sich: der Herr hat gestern erst nach Hamburg geschrieben, wozu denn heut schon wieder! Sie warf den Brief fort und steckte das Franco in die Tasche. Bald kam die gewaltige Kaffeesendung an Kupfer, und unmittelbar darauf trat die Kontinentalsperre ein. Die Kaffeepreise stiegen zu einer enormen Höhe, und Kupfer wurde ein reicher Mann. Als Napoléon sah, daß seine Dekrete gegen den englischen Handel nicht überall mit der gehörigen Strenge gehandhabt wurden, daß namentlich die holländischen Häfen und die Hansestädte den Schein von Unabhängigkeit, der ihnen blieb, zu englischen Importen benutzten, so erschien im December 1810 ein Dekret, wonach der Kaiser der Franzosen „aus Gründen der höheren Politik“ sich veranlaßt fand, ganz Holland, die Hansestädte, Oldenburg, Lauenburg, Osnabrück u. s. w. dem französischen Reiche einzuverleiben. In Folge davon war an der ganzen Küste in allen Häfen die strengste französische Douane eingeführt.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/292>, abgerufen am 23.11.2024.