Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

reich einverleibt, und half nun die Zahl der französischen Departements und Einwohner vermehren.

Als die Zeitungen die Nachricht brachten, daß die schwedischen Reichsstände (August 1810) den französischen Marschall Bernadotte, Fürsten von Pontecorvo, den Sohn eines Uhrmachers aus Toulouse, zu ihrem Kronprinzen gewählt, nachdem der rechtmäßige König Gustav IV. entthront war, so erregte dies keine besondere Verwunderung, denn man erinnerte uns in der Schule daran, daß der jetzige Kaiser der Franzosen vor etwa 16 Jahren seine Laufbahn als Artillerielieutenant begonnen.

In Folge des Kontinentalsystems erließ Napoleon (Oktober 1810) eine Verordnung von schreiender Ungerechtigkeit. Auf seinen Befehl wurden alle englischen Waaren in den preußischen Ostseehäfen von Stettin bis Memel erst mit Beschlag belegt und dann verbrannt. Die von dieser Maasregel betroffenen preußischen Kaufleute machten mehrentheils Bankerot. Einige derselben, die sich vergeblich nach Berlin um Hülfe gewendet, sah ich am Tische des Grosvaters Eichmann, doch ist mir kein Name im Gedächtniß geblieben. Der Grosvater stand wegen seiner früheren Wirksamkeit im Fabrikwesen immer noch mit dem Handelstande in vielfachen Beziehungen, konnte aber natürlich in diesem Falle gar nichts thun. Die Beschreibung des gewaltthätigen, oft brutalen Verfahrens der französischen Kommissäre verschärfte unsern Haß gegen die fremde Willkührherrschaft, und ein tröstendes Kraftwort des vertrauensvollen Grosvaters richtete uns wieder auf. "Das sind alles Kleinigkeiten", sagte er, "zu Lande kann Napoleon den Engländern wohl manchen Schabernack anthun, aber zur See beißen sie ihn desto ärger." Und in

reich einverleibt, und half nun die Zahl der französischen Departements und Einwohner vermehren.

Als die Zeitungen die Nachricht brachten, daß die schwedischen Reichsstände (August 1810) den französischen Marschall Bernadotte, Fürsten von Pontecorvo, den Sohn eines Uhrmachers aus Toulouse, zu ihrem Kronprinzen gewählt, nachdem der rechtmäßige König Gustav IV. entthront war, so erregte dies keine besondere Verwunderung, denn man erinnerte uns in der Schule daran, daß der jetzige Kaiser der Franzosen vor etwa 16 Jahren seine Laufbahn als Artillerielieutenant begonnen.

In Folge des Kontinentalsystems erließ Napoléon (Oktober 1810) eine Verordnung von schreiender Ungerechtigkeit. Auf seinen Befehl wurden alle englischen Waaren in den preußischen Ostseehäfen von Stettin bis Memel erst mit Beschlag belegt und dann verbrannt. Die von dieser Maasregel betroffenen preußischen Kaufleute machten mehrentheils Bankerot. Einige derselben, die sich vergeblich nach Berlin um Hülfe gewendet, sah ich am Tische des Grosvaters Eichmann, doch ist mir kein Name im Gedächtniß geblieben. Der Grosvater stand wegen seiner früheren Wirksamkeit im Fabrikwesen immer noch mit dem Handelstande in vielfachen Beziehungen, konnte aber natürlich in diesem Falle gar nichts thun. Die Beschreibung des gewaltthätigen, oft brutalen Verfahrens der französischen Kommissäre verschärfte unsern Haß gegen die fremde Willkührherrschaft, und ein tröstendes Kraftwort des vertrauensvollen Grosvaters richtete uns wieder auf. „Das sind alles Kleinigkeiten“, sagte er, „zu Lande kann Napoléon den Engländern wohl manchen Schabernack anthun, aber zur See beißen sie ihn desto ärger.“ Und in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0290" n="278"/>
reich einverleibt, und half nun die Zahl der französischen Departements und Einwohner vermehren. </p><lb/>
          <p>Als die Zeitungen die Nachricht brachten, daß die schwedischen Reichsstände (August 1810) den französischen Marschall Bernadotte, Fürsten von Pontecorvo, den Sohn eines Uhrmachers aus Toulouse, zu ihrem Kronprinzen gewählt, nachdem der rechtmäßige König Gustav IV. entthront war, so erregte dies keine besondere Verwunderung, denn man erinnerte uns in der Schule daran, daß der jetzige Kaiser der Franzosen vor etwa 16 Jahren seine Laufbahn als Artillerielieutenant begonnen. </p><lb/>
          <p>In Folge des Kontinentalsystems erließ Napoléon (Oktober 1810) eine Verordnung von schreiender Ungerechtigkeit. Auf seinen Befehl wurden alle englischen Waaren in den preußischen Ostseehäfen von Stettin bis Memel erst mit Beschlag belegt und dann verbrannt. Die von dieser Maasregel betroffenen preußischen Kaufleute machten mehrentheils Bankerot. Einige derselben, die sich vergeblich nach Berlin um Hülfe gewendet, sah ich am Tische des Grosvaters Eichmann, doch ist mir kein Name im Gedächtniß geblieben. Der Grosvater stand wegen seiner früheren Wirksamkeit im Fabrikwesen immer noch mit dem Handelstande in vielfachen Beziehungen, konnte aber natürlich in diesem Falle gar nichts thun. Die Beschreibung des gewaltthätigen, oft brutalen Verfahrens der französischen Kommissäre verschärfte unsern Haß gegen die fremde Willkührherrschaft, und ein tröstendes Kraftwort des vertrauensvollen Grosvaters richtete uns wieder auf. &#x201E;Das sind alles Kleinigkeiten&#x201C;, sagte er, &#x201E;zu Lande kann Napoléon den Engländern wohl manchen Schabernack anthun, aber zur See beißen sie ihn desto ärger.&#x201C; Und in
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0290] reich einverleibt, und half nun die Zahl der französischen Departements und Einwohner vermehren. Als die Zeitungen die Nachricht brachten, daß die schwedischen Reichsstände (August 1810) den französischen Marschall Bernadotte, Fürsten von Pontecorvo, den Sohn eines Uhrmachers aus Toulouse, zu ihrem Kronprinzen gewählt, nachdem der rechtmäßige König Gustav IV. entthront war, so erregte dies keine besondere Verwunderung, denn man erinnerte uns in der Schule daran, daß der jetzige Kaiser der Franzosen vor etwa 16 Jahren seine Laufbahn als Artillerielieutenant begonnen. In Folge des Kontinentalsystems erließ Napoléon (Oktober 1810) eine Verordnung von schreiender Ungerechtigkeit. Auf seinen Befehl wurden alle englischen Waaren in den preußischen Ostseehäfen von Stettin bis Memel erst mit Beschlag belegt und dann verbrannt. Die von dieser Maasregel betroffenen preußischen Kaufleute machten mehrentheils Bankerot. Einige derselben, die sich vergeblich nach Berlin um Hülfe gewendet, sah ich am Tische des Grosvaters Eichmann, doch ist mir kein Name im Gedächtniß geblieben. Der Grosvater stand wegen seiner früheren Wirksamkeit im Fabrikwesen immer noch mit dem Handelstande in vielfachen Beziehungen, konnte aber natürlich in diesem Falle gar nichts thun. Die Beschreibung des gewaltthätigen, oft brutalen Verfahrens der französischen Kommissäre verschärfte unsern Haß gegen die fremde Willkührherrschaft, und ein tröstendes Kraftwort des vertrauensvollen Grosvaters richtete uns wieder auf. „Das sind alles Kleinigkeiten“, sagte er, „zu Lande kann Napoléon den Engländern wohl manchen Schabernack anthun, aber zur See beißen sie ihn desto ärger.“ Und in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/290
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/290>, abgerufen am 24.11.2024.