Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Kurth Sprengel, später Professor in Halle, war ihr Lehrer in der Botanik, und Willdenow, ein im Nicolaischen Hause gerngesehener Gast, konnte in allen zweifelhaften Fällen befragt werden. Die mineralogische Sammlung ward später nicht sehr gepflegt, aber der Botanik blieb die Tante bis an das Ende ihres Lebens treu und besaß darin mehr als gewöhnliche Kenntnisse. Fortwährend verkehrte sie mit den Berliner Botanikern Link, Kunth, Klotzsch, Ratzeburg u. a., ja in ihren letzten Jahren benannte Kunth ein neues Genus der Diantheen nach ihrem Namen: Kohlrauschia procumbens. Dies meldete sie mir nach Dresden mit den Worten: "jetzt bin ich geistig geadelt, denn Kunth hat ein neues Genus nach mir benannt; ich habe aber kein anderes Verdienst dabei, als daß ich ihm kürzlich eine Schachtel Wallnüsse aus meinem Garten schickte, mit dem Bemerken, er möge sie nicht verschmähen, da er selbst es ausgesprochen, daß die Cotyledonen von Juglans regia sehr wohlschmeckend seien." Als Mädchen von 15 Jahren zeigte sie eine unüberwindliche Neigung, die Violine zu lernen. Ihr Vater wollte anfangs nichts davon wissen. Bei seinem damaligen Einkommen - er war noch simpler Finanzrath - kamen die Kosten für die theuern Lectionen auch mit in Betracht. Allein sie ließ nicht nach, und sagte ihm zuletzt: Vater, wenn ich es nicht über das Mittelmäßige bringe, so will ich deine Tochter nicht sein! Er erfüllte den Wunsch des närrischen Mädchens, und obgleich es ihr im Grunde an ächter musikalischer Anlage fehlte, so kam sie doch durch unablässigen Fleiß dahin, daß sie in den leichteren Haydnschen Quartetten die erste Violine ohne Anstoß spielte. Sehr wohl erinnre ich mich des ersten Males, Kurth Sprengel, später Professor in Halle, war ihr Lehrer in der Botanik, und Willdenow, ein im Nicolaischen Hause gerngesehener Gast, konnte in allen zweifelhaften Fällen befragt werden. Die mineralogische Sammlung ward später nicht sehr gepflegt, aber der Botanik blieb die Tante bis an das Ende ihres Lebens treu und besaß darin mehr als gewöhnliche Kenntnisse. Fortwährend verkehrte sie mit den Berliner Botanikern Link, Kunth, Klotzsch, Ratzeburg u. a., ja in ihren letzten Jahren benannte Kunth ein neues Genus der Diantheen nach ihrem Namen: Kohlrauschia procumbens. Dies meldete sie mir nach Dresden mit den Worten: „jetzt bin ich geistig geadelt, denn Kunth hat ein neues Genus nach mir benannt; ich habe aber kein anderes Verdienst dabei, als daß ich ihm kürzlich eine Schachtel Wallnüsse aus meinem Garten schickte, mit dem Bemerken, er möge sie nicht verschmähen, da er selbst es ausgesprochen, daß die Cotyledonen von Juglans regia sehr wohlschmeckend seien.“ Als Mädchen von 15 Jahren zeigte sie eine unüberwindliche Neigung, die Violine zu lernen. Ihr Vater wollte anfangs nichts davon wissen. Bei seinem damaligen Einkommen – er war noch simpler Finanzrath – kamen die Kosten für die theuern Lectionen auch mit in Betracht. Allein sie ließ nicht nach, und sagte ihm zuletzt: Vater, wenn ich es nicht über das Mittelmäßige bringe, so will ich deine Tochter nicht sein! Er erfüllte den Wunsch des närrischen Mädchens, und obgleich es ihr im Grunde an ächter musikalischer Anlage fehlte, so kam sie doch durch unablässigen Fleiß dahin, daß sie in den leichteren Haydnschen Quartetten die erste Violine ohne Anstoß spielte. Sehr wohl erinnre ich mich des ersten Males, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p> <pb facs="#f0263" n="251"/> </p><lb/> <p>Kurth Sprengel, später Professor in Halle, war ihr Lehrer in der Botanik, und Willdenow, ein im Nicolaischen Hause gerngesehener Gast, konnte in allen zweifelhaften Fällen befragt werden. Die mineralogische Sammlung ward später nicht sehr gepflegt, aber der Botanik blieb die Tante bis an das Ende ihres Lebens treu und besaß darin mehr als gewöhnliche Kenntnisse. Fortwährend verkehrte sie mit den Berliner Botanikern Link, Kunth, Klotzsch, Ratzeburg u. a., ja in ihren letzten Jahren benannte Kunth ein neues Genus der Diantheen nach ihrem Namen: Kohlrauschia procumbens. Dies meldete sie mir nach Dresden mit den Worten: „jetzt bin ich geistig geadelt, denn Kunth hat ein neues Genus nach mir benannt; ich habe aber kein anderes Verdienst dabei, als daß ich ihm kürzlich eine Schachtel Wallnüsse aus meinem Garten schickte, mit dem Bemerken, er möge sie nicht verschmähen, da er selbst es ausgesprochen, daß die Cotyledonen von Juglans regia sehr wohlschmeckend seien.“ </p><lb/> <p>Als Mädchen von 15 Jahren zeigte sie eine unüberwindliche Neigung, die Violine zu lernen. Ihr Vater wollte anfangs nichts davon wissen. Bei seinem damaligen Einkommen – er war noch simpler Finanzrath – kamen die Kosten für die theuern Lectionen auch mit in Betracht. Allein sie ließ nicht nach, und sagte ihm zuletzt: Vater, wenn ich es nicht über das Mittelmäßige bringe, so will ich deine Tochter nicht sein! Er erfüllte den Wunsch des närrischen Mädchens, und obgleich es ihr im Grunde an ächter musikalischer Anlage fehlte, so kam sie doch durch unablässigen Fleiß dahin, daß sie in den leichteren Haydnschen Quartetten die erste Violine ohne Anstoß spielte. Sehr wohl erinnre ich mich des ersten Males, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0263]
Kurth Sprengel, später Professor in Halle, war ihr Lehrer in der Botanik, und Willdenow, ein im Nicolaischen Hause gerngesehener Gast, konnte in allen zweifelhaften Fällen befragt werden. Die mineralogische Sammlung ward später nicht sehr gepflegt, aber der Botanik blieb die Tante bis an das Ende ihres Lebens treu und besaß darin mehr als gewöhnliche Kenntnisse. Fortwährend verkehrte sie mit den Berliner Botanikern Link, Kunth, Klotzsch, Ratzeburg u. a., ja in ihren letzten Jahren benannte Kunth ein neues Genus der Diantheen nach ihrem Namen: Kohlrauschia procumbens. Dies meldete sie mir nach Dresden mit den Worten: „jetzt bin ich geistig geadelt, denn Kunth hat ein neues Genus nach mir benannt; ich habe aber kein anderes Verdienst dabei, als daß ich ihm kürzlich eine Schachtel Wallnüsse aus meinem Garten schickte, mit dem Bemerken, er möge sie nicht verschmähen, da er selbst es ausgesprochen, daß die Cotyledonen von Juglans regia sehr wohlschmeckend seien.“
Als Mädchen von 15 Jahren zeigte sie eine unüberwindliche Neigung, die Violine zu lernen. Ihr Vater wollte anfangs nichts davon wissen. Bei seinem damaligen Einkommen – er war noch simpler Finanzrath – kamen die Kosten für die theuern Lectionen auch mit in Betracht. Allein sie ließ nicht nach, und sagte ihm zuletzt: Vater, wenn ich es nicht über das Mittelmäßige bringe, so will ich deine Tochter nicht sein! Er erfüllte den Wunsch des närrischen Mädchens, und obgleich es ihr im Grunde an ächter musikalischer Anlage fehlte, so kam sie doch durch unablässigen Fleiß dahin, daß sie in den leichteren Haydnschen Quartetten die erste Violine ohne Anstoß spielte. Sehr wohl erinnre ich mich des ersten Males,
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