Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Eichmann während seiner langen Amtsthätigkeit für die Hebung der Gewerbe gehabt, erzählte er oft mit sichtbarem Wohlgefallen. Nur weniges, was sich an bekannte Namen knüpft, ist mir im Gedächtnisse geblieben. Der Buchdrucker Unger hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch angestrengte Thätigkeit den Berliner Buchdruck auf eine zuvor nie gekannte Stufe der Vollkommenheit gehoben; die nach ihm benannten Ungerschen Lettern galten lange Zeit für die geschmackvollsten. Einst war er mit Eichmann zusammen in Gesellschaft, und klagte darüber, daß es ihm noch nicht gelungen sei, die schönen Velinexemplare seiner Druckwerke gehörig zu glätten. Das will ich Ihnen wohl besorgen, sagte Eichmann mit seiner gewöhnlichen Entschiedenheit, schicken Sie mir morgen einen Stoß und lassen ihn übermorgen wieder abholen; aber die Sache bleibt mein Geheimniß. Unger schickt den Stoß, und Eichmann fährt damit zu einem Tuchfabrikanten, der ihm vielerlei Verbindlichkeiten schuldig war. Hier, lieber Freund, habe ich eine Bitte. Legen Sie jeden dieser Druckbogen einzeln zwischen Preßspäne, und lassen Sie dieselben, wohl eingeschraubt, über Nacht stehn. Die Bitte des Geheimerathes ist natürlich ein Befehl, die Bogen gehn aus der Presse herrlich geglättet hervor, und Unger ist außer sich vor Entzücken. Nun wollen Sie auch noch mein Geheimniß wissen, nicht wahr? Das haben Sie weiter nicht nöthig, wenn Sie sich ein paar Schock Preßspäne und eine tüchtige Tuchpresse anschaffen. Da sehn Sie nun, daß der erste Buchdrucker manchmal etwas von einem Geheimerathe lernen kann! Von meiner Mutter und Tante Jettchen hörte ich später, daß Wilhelm von Humboldt im Anfange seiner Eichmann während seiner langen Amtsthätigkeit für die Hebung der Gewerbe gehabt, erzählte er oft mit sichtbarem Wohlgefallen. Nur weniges, was sich an bekannte Namen knüpft, ist mir im Gedächtnisse geblieben. Der Buchdrucker Unger hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch angestrengte Thätigkeit den Berliner Buchdruck auf eine zuvor nie gekannte Stufe der Vollkommenheit gehoben; die nach ihm benannten Ungerschen Lettern galten lange Zeit für die geschmackvollsten. Einst war er mit Eichmann zusammen in Gesellschaft, und klagte darüber, daß es ihm noch nicht gelungen sei, die schönen Velinexemplare seiner Druckwerke gehörig zu glätten. Das will ich Ihnen wohl besorgen, sagte Eichmann mit seiner gewöhnlichen Entschiedenheit, schicken Sie mir morgen einen Stoß und lassen ihn übermorgen wieder abholen; aber die Sache bleibt mein Geheimniß. Unger schickt den Stoß, und Eichmann fährt damit zu einem Tuchfabrikanten, der ihm vielerlei Verbindlichkeiten schuldig war. Hier, lieber Freund, habe ich eine Bitte. Legen Sie jeden dieser Druckbogen einzeln zwischen Preßspäne, und lassen Sie dieselben, wohl eingeschraubt, über Nacht stehn. Die Bitte des Geheimerathes ist natürlich ein Befehl, die Bogen gehn aus der Presse herrlich geglättet hervor, und Unger ist außer sich vor Entzücken. Nun wollen Sie auch noch mein Geheimniß wissen, nicht wahr? Das haben Sie weiter nicht nöthig, wenn Sie sich ein paar Schock Preßspäne und eine tüchtige Tuchpresse anschaffen. Da sehn Sie nun, daß der erste Buchdrucker manchmal etwas von einem Geheimerathe lernen kann! Von meiner Mutter und Tante Jettchen hörte ich später, daß Wilhelm von Humboldt im Anfange seiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0229" n="217"/> Eichmann während seiner langen Amtsthätigkeit für die Hebung der Gewerbe gehabt, erzählte er oft mit sichtbarem Wohlgefallen. Nur weniges, was sich an bekannte Namen knüpft, ist mir im Gedächtnisse geblieben. </p><lb/> <p>Der Buchdrucker Unger hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch angestrengte Thätigkeit den Berliner Buchdruck auf eine zuvor nie gekannte Stufe der Vollkommenheit gehoben; die nach ihm benannten Ungerschen Lettern galten lange Zeit für die geschmackvollsten. Einst war er mit Eichmann zusammen in Gesellschaft, und klagte darüber, daß es ihm noch nicht gelungen sei, die schönen Velinexemplare seiner Druckwerke gehörig zu glätten. Das will ich Ihnen wohl besorgen, sagte Eichmann mit seiner gewöhnlichen Entschiedenheit, schicken Sie mir morgen einen Stoß und lassen ihn übermorgen wieder abholen; aber die Sache bleibt mein Geheimniß. Unger schickt den Stoß, und Eichmann fährt damit zu einem Tuchfabrikanten, der ihm vielerlei Verbindlichkeiten schuldig war. Hier, lieber Freund, habe ich eine Bitte. Legen Sie jeden dieser Druckbogen einzeln zwischen Preßspäne, und lassen Sie dieselben, wohl eingeschraubt, über Nacht stehn. Die Bitte des Geheimerathes ist natürlich ein Befehl, die Bogen gehn aus der Presse herrlich geglättet hervor, und Unger ist außer sich vor Entzücken. Nun wollen Sie auch noch mein Geheimniß wissen, nicht wahr? Das haben Sie weiter nicht nöthig, wenn Sie sich ein paar Schock Preßspäne und eine tüchtige Tuchpresse anschaffen. Da sehn Sie nun, daß der erste Buchdrucker manchmal etwas von einem Geheimerathe lernen kann! </p><lb/> <p>Von meiner Mutter und Tante Jettchen hörte ich später, daß Wilhelm von Humboldt im Anfange seiner </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0229]
Eichmann während seiner langen Amtsthätigkeit für die Hebung der Gewerbe gehabt, erzählte er oft mit sichtbarem Wohlgefallen. Nur weniges, was sich an bekannte Namen knüpft, ist mir im Gedächtnisse geblieben.
Der Buchdrucker Unger hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch angestrengte Thätigkeit den Berliner Buchdruck auf eine zuvor nie gekannte Stufe der Vollkommenheit gehoben; die nach ihm benannten Ungerschen Lettern galten lange Zeit für die geschmackvollsten. Einst war er mit Eichmann zusammen in Gesellschaft, und klagte darüber, daß es ihm noch nicht gelungen sei, die schönen Velinexemplare seiner Druckwerke gehörig zu glätten. Das will ich Ihnen wohl besorgen, sagte Eichmann mit seiner gewöhnlichen Entschiedenheit, schicken Sie mir morgen einen Stoß und lassen ihn übermorgen wieder abholen; aber die Sache bleibt mein Geheimniß. Unger schickt den Stoß, und Eichmann fährt damit zu einem Tuchfabrikanten, der ihm vielerlei Verbindlichkeiten schuldig war. Hier, lieber Freund, habe ich eine Bitte. Legen Sie jeden dieser Druckbogen einzeln zwischen Preßspäne, und lassen Sie dieselben, wohl eingeschraubt, über Nacht stehn. Die Bitte des Geheimerathes ist natürlich ein Befehl, die Bogen gehn aus der Presse herrlich geglättet hervor, und Unger ist außer sich vor Entzücken. Nun wollen Sie auch noch mein Geheimniß wissen, nicht wahr? Das haben Sie weiter nicht nöthig, wenn Sie sich ein paar Schock Preßspäne und eine tüchtige Tuchpresse anschaffen. Da sehn Sie nun, daß der erste Buchdrucker manchmal etwas von einem Geheimerathe lernen kann!
Von meiner Mutter und Tante Jettchen hörte ich später, daß Wilhelm von Humboldt im Anfange seiner
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/229>, abgerufen am 16.02.2025. |